Harry Potter und der Feuerkelch, стр. 135

Er stieg uber das Gewirr der Spinnenbeine heruber zu Harry, der ihn sprachlos anstarrte. Cedric meinte es ernst. Er verzichtete auf eine Ruhmestat, wie sie seit Jahrhunderten keinem aus dem Haus Hufflepuff mehr gelungen war.

»Geh schon«, sagte Cedric. Er sah aus, als wurde ihn dies alle Entschlu?kraft kosten, die er aufbringen konnte, doch mit seiner festen Miene und den verschrankten Armen wirkte er unerschutterlich.

Harry lie? den Blick von Cedric zum Pokal wandern. Einen schimmernden Moment lang sah er sich, den Pokal in Handen, aus dem Irrgarten auftauchen. Er sah sich den Trimagischen Pokal in die Hohe halten, horte das Toben der Menge, sah Chos leuchtendes Gesicht, voll Bewunderung ihm zugewandt, sah es deutlicher als je zuvor… und dann verbla?te das Bild und er starrte nur noch in Cedrics abgeschattetes, stures Gesicht.

»Wir beide?«, fragte Harry.

»Was?«

»Wir nehmen ihn gleichzeitig. Dann ist es auch ein Sieg fur Hogwarts. Wir teilen ihn uns.«

Cedric starrte Harry an. Seine Arme losten sich aus der Verschrankung.»Das – das meinst du ernst?«

»Ja«, sagte Harry.»Ja… wir haben uns gegenseitig geholfen, oder nicht? Wir sind beide so weit gekommen. Dann nehmen wir ihn eben gemeinsam.«

Einen Moment lang sah Cedric aus, als wolle er seinen Ohren nicht trauen; doch dann trat ein breites Lacheln auf sein Gesicht.

»Einverstanden«, sagte er.»Komm mit.«

Er packte Harry unter der Achsel und half ihm, auf die Saule mit dem Pokal zuzuhumpeln. Als sie davor standen, hielt jeder die Hand uber einen der schimmernden Henkel des Pokals.

»Bei drei, ja?«, sagte Harry.»Eins – zwei – drei -«

Beide packten zu.

Im selben Moment spurte Harry irgendwo hinter seinem Nabel ein Rei?en. Er verlor den Boden unter den Fu?en. Er konnte seinen Griff um den Trimagischen Pokal nicht lockern, der ihn mit sich ri? und Cedric an seiner Seite, hinein in einen zornig wirbelnden Sturm aus Farben.

Fleisch, Blut und Knochen

Harry spurte, wie seine Fu?e auf die Erde schlugen; sein verletztes Bein knickte ein und er sturzte zu Boden; endlich konnte er seine Hand vom Trimagischen Pokal losen. Er hob den Kopf.

»Wo sind wir?«, fragte er.

Cedric schuttelte den Kopf. Er stand auf und zog Harry auf die Beine. Sie blickten sich um.

Hier mu?ten sie fern von Hogwarts sein; offenbar waren sie viele, vielleicht sogar Hunderte von Kilometern gereist, denn selbst die Berge der Umgebung von Hogwarts waren nicht mehr zu sehen. Sie standen auf einem dunklen, uberwucherten Friedhof; hinter einer gro?en Eibe war der schwarze Umri? einer kleinen Kirche zu erkennen. Zu ihrer Linken ragte ein Hugel auf. Harry konnte eben noch die Umrisse eines stattlichen alten Hauses hoch oben auf der Kuppe erkennen.

Cedric warf einen Blick auf den Trimagischen Pokal am Boden und sah dann zu Harry auf.

»Hat dir jemand gesagt, da? der Pokal ein Portschlussel ist?«, fragte er.

»Ne«, sagte Harry. Er lie? die Augen uber den Friedhof wandern. Es war vollkommen still hier und ein wenig unheimlich.»Soll das hier vielleicht zur Aufgabe gehoren?«

»Keine Ahnung«, antwortete Cedric. Er klang leicht nervos.»Zauberstabe raus, meinst du nicht?«

»Ja«, sagte Harry, froh, da? Cedric den Vorschlag gemacht hatte und nicht er.

Sie zogen ihre Zauberstabe. Harry schaute umher. Wieder einmal hatte er das merkwurdige Gefuhl, beobachtet zu werden.

»Da kommt jemand«, sagte er plotzlich.

Angestrengt durch die Dunkelheit spahend, sahen sie eine Gestalt, die zwischen den Grabern hindurch geradewegs auf sie zukam. Harry konnte ihr Gesicht nicht erkennen; doch nach dem Gang und der Haltung der Arme zu schlie?en, mu?te die Gestalt etwas mit sich tragen. Wer immer es war, er war klein und hatte die Kapuze des Umhangs tief uber den Kopf gezogen, um das Gesicht zu verbergen. Die Gestalt war nun schon deutlicher zu erkennen und kam immer noch naher – und jetzt erkannte Harry, da? das, was die Gestalt in den Armen trug, wie ein Baby aussah… oder war es nur ein zusammengerollter Umhang?

Harry lie? den Zauberstab sinken und sah Cedric aus den Augenwinkeln an.

Cedric versetzte ihm einen kurzen, ratlosen Blick. Dann wandten sie sich wieder der naher kommenden Gestalt zu.

Sie blieb neben einem ubermannshohen marmornen Grabstein stehen, nur zwei Meter von ihnen entfernt. Eine Sekunde lang sahen sich Harry, Cedric und die kleine Gestalt an.

Und dann, ohne Vorwarnung, loderte Harrys Narbe vor Schmerz auf. Eine solche Hollenqual hatte er noch nie durchlitten; der Zauberstab glitt Harry aus den Fingern und er schlug die Hande vors Gesicht; seine Knie gaben nach, er sturzte zu Boden, schwarze Nacht umhullte ihn, und sein Kopf schien im nachsten Augenblick platzen zu wollen.

Von weit oben horte er eine hohe, kalte Stimme:»Tote den Uberflussigen.«

Harry horte ein Sirren, und eine zweite Stimme kreischte in die Nacht:»Avada Kedavra!«

Ein glei?ender Strahl grunen Lichts drang durch Harrys Augenlider und er horte etwas Schweres neben sich zu Boden sturzen; der Schmerz seiner Narbe wurde so unertraglich, da? er wurgen mu?te, und dann lie? er nach; es graute ihm vor dem, was er gleich sehen wurde, und er offnete seine schmerzenden Augen.

Cedric lag neben ihm auf der Erde, Arme und Beine von sich gestreckt. Er war tot.

Eine Sekunde, die eine Ewigkeit umfa?te, starrte Harry in Cedrics Gesicht, in seine offenen grauen Augen, leer und ausdruckslos wie die Fenster eines verlassenen Hauses, auf Cedrics wie in leichter Uberraschung geoffneten Mund. Und dann, noch bevor Harry aufgenommen hatte, was er da sah, bevor er mehr fuhlen konnte als dumpfes Erstaunen, spurte er, wie er auf die Beine gezogen wurde.

Der kleine Mann mit dem Kapuzenumhang hatte sein Stoffbundel auf die Erde gelegt, seinen Zauberstab erstrahlen lassen und schleifte Harry jetzt auf den marmornen Grabstein zu. Im flackernden Licht des Zauberstabs sah Harry den Namen auf dem Stein, dann wurde er herumgezerrt und mit dem Rucken gegen den Stein geschmettert.

TOM RIDDLE

Der Mann im Kapuzenmantel beschwor Seile herauf, die Harry vom Hals bis zu den Fu?gelenken an den Grabstein zurrten. Harry horte flache, schnelle Atemzuge aus der Tiefe der Kapuze; er zerrte und zog an seinen Fesseln, und der Mann schlug ihn – schlug ihn mit einer Hand, an der ein Finger fehlte. Jetzt wu?te Harry, wer sich unter der Kapuze verbarg. Es war Wurmschwanz.

»Du!«, keuchte er.

Doch Wurmschwanz antwortete nicht; er prufte jetzt, ob die Seile straff genug sa?en. Mit fahrig zitternden Fingern betastete er die Knoten. Als er sich vergewissert hatte, da? Harry so straff an den Grabstein gefesselt war, da? er sich nicht mehr ruhren konnte, zog er ein Stuck schwarzen Stoffes aus dem Umhang und stopfte es grob in Harrys Mund; dann, ohne ein Wort zu sagen, wandte er sich ab und eilte davon. Harry brachte keinen Laut hervor, noch konnte er sehen, wo Wurmschwanz hingegangen war; er konnte den Kopf nicht drehen und hinter den Grabstein blicken; er sah nur, was direkt vor ihm war.

Einige Meter von ihm entfernt lag Cedrics Leiche. Nicht weit dahinter leuchtete der Trimagische Pokal im Sternenlicht. Harrys Zauberstab lag auf der Erde zu seinen Fu?en. Das Umhangbundel, das Harry fur ein Baby gehalten hatte, lag ganz in der Nahe, am Fu? des Grabes. Etwas regte sich darin, gereizt und ungeduldig, wie es schien. Noch wahrend Harry es beobachtete, jagte erneut der brennende Schmerz durch seine Narbe… und plotzlich wu?te er: Er wollte nicht sehen, was in diesem Umhang war… er wollte nicht, da? sich das Bundel offnete…

Zu seinen Fu?en raschelte es. Er blickte hinunter und sah eine riesige Schlange durch das Gras gleiten und einen Kreis um den Grabstein ziehen, an den er gefesselt war. Wieder drang Wurmschwanz' hastiges, pfeifendes Atmen an seine Ohren. Es klang, als wurde er etwas Schweres uber den Boden schleifen. Er tauchte in Harrys Gesichtskreis auf, und nun sah Harry, da? er einen Kessel an den Fu? des Grabes schob. Er schien mit Wasser gefullt zu sein – Harry konnte es schwappen horen – und war gro?er als irgendein Kessel, den Harry je benutzt hatte; das bauchig ausladende Gefa? war so gro?, da? ein Mann darin sitzen konnte.