Harry Potter und der Feuerkelch, стр. 123

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.

»Naturlich nicht!«, sagte Professor Trelawney mit uberaus erregter Miene. Ihre gro?en Augen schwebten lauernd uber Harry.»Was war es, Potter? Eine Vorahnung? Eine Erscheinung? Was haben Sie gesehen?«

»Nichts«, log Harry. Er setzte sich auf. Sein Korper bebte. Er konnte nicht anders, er mu?te sich einfach umdrehen und in die Schatten hinter sich spahen; Voldemorts Stimme hatte sich so nah angehort…

»Sie hatten die Hand auf Ihre Narbe gepre?t!«, sagte Professor Trelawney.»Sie haben sich auf dem Boden gewalzt, mit der Hand auf der Narbe! Kommen Sie schon, Potter, ich habe Erfahrung mit solchen Dingen!«

Harry sah zu ihr auf.

»Ich glaube, ich mu? in den Krankenflugel«, sagte er.»Uble Kopfschmerzen.«

»Mein Lieber, Sie wurden ohne Zweifel durch die au?erordentlich klarsichtigen Schwingungen meines Zimmers stimuliert!«, sagte Professor Trelawney.»Wenn Sie jetzt gehen, verlieren Sie vielleicht die Moglichkeit, weiter denn je in die Zukunft zu sehen -«

»Ich mochte nichts weiter sehen als ein Kopfschmerzmittel«, sagte Harry.

Er stand auf. Die Klasse wich zuruck. Alle sahen erschuttert aus.

»Bis spater dann«, murmelte Harry Ron zu, nahm seine Tasche und ging auf die Falltur zu, ohne auf Professor Trelawney zu achten, die ein furchterlich enttauschtes Gesicht machte, ganz als ob ihr ein richtiger Leckerbissen durch die Lappen gegangen ware.

Als Harry jedoch unten am Fu? der Leiter ankam, wandte er seine Schritte nicht zum Krankenflugel. Er hatte keinen Moment vorgehabt, dort hinzugehen. Sirius hatte ihm gesagt, was er tun solle, wenn seine Narbe wieder zu schmerzen anfing, und Harry wollte seinem Ratschlag folgen: Er wurde geradewegs in Dumbledores Buro gehen. Wahrend er durch die Flure lief, uberlegte er, was er soeben im Traum gesehen hatte… er war ebenso klar und deutlich gewesen wie jener Traum, der ihn im Ligusterweg aus dem Schlaf gerissen hatte… noch einmal fuhrte er sich die Einzelheiten vor Augen, um sich spater gut daran erinnern zu konnen… er hatte gehort, wie Voldemort Wurmschwanz beschuldigte, einen dummen Fehler gemacht zu haben… doch der Uhu hatte gute Nachrichten gebracht, der Fehler war ausgemerzt, jemand war tot… deshalb sollte Wurmschwanz nicht an die Schlange verfuttert werden… statt seiner wurde er, Harry, ihr zum Fra? vorgeworfen…

Gedankenversunken war Harry an dem steinernen Wasserspeier, der den Eingang zu Dumbledores Buro bewachte, einfach vorbeigegangen. Er blinzelte, sah sich um, erkannte, wo er war, lief zuruck und blieb vor dem Wasserspeier stehen. Dann fiel ihm ein, da? er das Pa?wort ja gar nicht kannte.

»Scherbert Zitrone?«Ein Versuch konnte ja nicht schaden.

Der Wasserspeier ruhrte sich nicht.

»Okay«, sagte Harry und starrte ihn an.»Birnenbrandpra-line. Ahm – Lakritzzauberstab. Zischende Zauberdrops. Bubbels Bester Blaskaugummi. Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung… o nein, die mag er doch nicht, oder?… Nun komm schon, mach einfach auf!«, sagte er wutend.»Ich mu? ihn unbedingt sprechen, es ist dringend.«

Der Wasserspeier lie? sich nicht erweichen.

Harry stie? mit dem Fu? dagegen, doch dafur bekam er nichts als einen hollischen Schmerz im gro?en Zeh.

»Schokofrosch!«, schrie er zornig, auf einem Bein hupfend.»Zuckerfederkiel! Kakerlakenschwarm!«

Der Wasserspeier erwachte zum Leben und sprang zur Seite. Harry blinzelte.»Kakerlakenschwarm?«, sagte er verdutzt.»War doch nur 'n Scherz…«

Er hastete durch den Spalt in der Wand, der sich lautlos hinter ihm schlo?, betrat eine steinerne Wendeltreppe, die sich langsam nach oben drehte und ihn vor eine polierte Eichentur mit einem bronzenen Turklopfer brachte. Aus dem Buro drangen Stimmen. Er sprang von der Treppe, zogerte einen Moment und lauschte.

»Dumbledore, ich furchte, ich kann den Zusammenhang uberhaupt nicht erkennen!«Es war die Stimme des Zaubereiministers, Cornelius Fudge.

»Ludo meint, Bertha ware es durchaus zuzutrauen, da? sie sich verirrt. Zugegeben, wir hatten gehofft, sie zwischenzeitlich zu finden, und dennoch haben wir keinen Beweis fur irgendein faules Spiel, Dumbledore, nicht den geringsten. Von wegen, ihr Verschwinden hinge mit dem von Barty Crouch zusammen!«

»Und was, glauben Sie, ist mit Barty Crouch passiert, Minister?«, ertonte Moodys knurrende Stimme.

»Ich sehe da zwei Moglichkeiten, Alastor«, sagte Fudge.»Entweder ist Crouch, wenn man seine personliche Geschichte bedenkt, jetzt vollkommen ubergeschnappt – hat sich geistig umnachtet vom Acker gemacht und treibt sich irgendwo rum -«

»In diesem Fall hat er sich sehr schnell vom Acker gemacht, Cornelius«, sagte Dumbledore ruhig.

»Oder aber – nun…«Fudge klang verlegen.»Ich will nicht urteilen, bevor ich nicht die Stelle gesehen habe, an der er gefunden wurde, aber Sie sagen, es war nicht weit von der Beauxbatons-Kutsche? Dumbledore, wissen Sie, was diese Frau ist?«

»Ich halte sie fur eine sehr fahige Schulleiterin – und eine exzellente Tanzerin«, sagte Dumbledore leise.

»Dumbledore, nun kommen Sie!«, sagte Fudge aufgebracht.»Meinen Sie nicht, Sie sehen sie wegen Hagrid durch eine rosarote Brille? Die erweisen sich nicht alle als harmlos – wenn Sie Hagrid uberhaupt als harmlos bezeichnen konnen, mit seinem ganzen Monsterfimmel -«

»Ich verdachtige Madame Maxime genauso wenig wie Hagrid«, sagte Dumbledore weiterhin gelassen.»Ich denke, es ist moglich, da? Sie da Vorurteile haben, Cornelius.«

»Konnen wir diese Diskussion nun vielleicht beenden?«, knurrte Moody.

»Ja, ja, gehen wir also runter aufs Gelande«, sagte Fudge ungeduldig.

»Nein, das meinte ich nicht«, sagte Moody,»ich wollte nur bemerken, da? Potter Sie sprechen will, Dumbledore. Er steht vor der Tur.«

Das Denkarium

Die Burotur offnete sich.

»Hallo, Potter«, sagte Moody.»Na, dann komm mal rein.«

Harry trat ein. Schon einmal war er in Dumbledores Buro gewesen; es war ein schones, kreisrundes Zimmer, ringsum behangen mit Bildern ehemaliger Schulleiter, Manner und Frauen, allesamt tief schlafend.

Cornelius Fudge stand neben Dumbledores Schreibtisch, er trug den ublichen Nadelstreifenumhang und hielt seinen limonengrunen Bowler in der Hand.

»Harry!«, sagte Fudge und trat mit einladender Geste auf ihn zu.»Wie geht es dir?«

»Gut«, log Harry.

»Wir sprachen eben uber die Nacht, in der Mr Crouch auf dem Schlo?gelande aufgetaucht ist«, sagte Fudge.»Du hast ihn doch entdeckt?«

»Ja«, sagte Harry. Dann beschlo? er, es sei zwecklos so zu tun, als ob er ihr Gesprach nicht mitgehort hatte, und fugte hinzu:»Aber Madame Maxime habe ich nirgends gesehen, und fur sie ware es sicher nicht so einfach gewesen, sich zu verstecken?«

Hinter Fudges Rucken lachelte ihm Dumbledore mit funkelnden Augen zu.

»Nun, wie dem auch sei«, meinte Fudge mit verlegener Miene,»wir wollten eben aufbrechen und uns die Stelle mal ansehen… vielleicht gehst du einfach in den Unterricht zuruck -«

»Ich wollte mit Ihnen sprechen, Professor«, wandte sich Harry rasch zu Dumbledore, der ihm einen kurzen, forschenden Blick zuwarf.

»Warte hier auf mich, Harry«, sagte er.»Unsere kleine Expedition wird nicht lange dauern.«

Wortlos gingen sie an ihm vorbei aus dem Zimmer und schlossen die Tur. Nach gut einer Minute erstarb das Klopfen von Moodys Holzbein unten im Korridor. Harry sah sich um.

»Hallo, Fawkes«, sagte er.

Fawkes, Professor Dumbledores Phonix, hockte auf seiner goldenen Stange neben der Tur. Der Vogel von der Gro?e eines Schwans, mit herrlich scharlachrotem und goldenem Gefieder, raschelte mit seinem langen Schweif und blinzelte Harry freundlich an.

Harry setzte sich auf einen Stuhl vor Dumbledores Schreibtisch. Einige Minuten lang hockte er da, sah den ehemaligen Schulleitern beim Schlummern zu, dachte uber das eben Gehorte nach und betastete mit dem Finger seine Narbe. Sie schmerzte jetzt nicht mehr.