Harry Potter und der Gefangene von Askaban, стр. 79

Er wird wieder gesund werden. Ich werde bei ihm leben.

»Expecto patronum! Hermine, hilf mir! Expecto patronum!«

»Expecto -«, flusterte Hermine,»expecto – expecto -«

Doch sie schaffte es nicht. Die Dementoren schlossen den Kreis und waren jetzt nur noch drei Meter von ihnen entfernt. Sie bildeten einen undurchdringlichen Ring um Harry und Hermine und zogen ihn immer enger…

»Expecto patronum!«, rief Harry und versuchte das Schreien in seinen Ohren zu ubertonen.»Expecto patronum!«

Ein dunner silberner Faden scho? aus seinem Zauberstab und blieb wie ein Nebelschleier vor ihm schweben. Im selben Moment spurte Harry, wie Hermine neben ihm zusammenbrach. Er war allein… vollkommen allein.

»Expecto – expecto patronum -«

Harry spurte, wie er mit den Knien ins kalte Gras fiel. Nebel waberte um ihn auf. Er zermarterte sich das Hirn mit dem einen Gedanken – Sirius war unschuldig – unschuldig – es wird uns gut gehen – ich werde bei ihm leben -

»Expecto patronum!«, keuchte er.

Im schwachen Licht seines gestaltlosen Patronus sah er, wie ein Dementor innehielt, ganz nahe bei ihm. Er konnte nicht durch das silbrige Licht dringen, das Harry heraufbeschworen hatte. Eine tote, schleimige Hand glitt unter dem Mantel hervor. Sie machte eine Geste, als wolle sie den Patronus beiseite fegen.

»Nein – nein -«, keuchte Harry.»Er ist unschuldig… expecto – expecto patronum -«

Er spurte, wie sie ihn beobachteten, ihr rasselnder Atem kam ihm vor wie ein wutender Sturm. Dieser Dementor schien es auf ihn abgesehen zu haben. Er hob die verrotteten Hande – und zog die Kapuze vom Gesicht.

Dort, wo die Augen hatten sein sollen, war nur dunne, schorfige Haut, die sich glatt uber die leeren Hohlen spannte. Doch er hatte einen Mund… einen tiefen, unformigen Schlund, und sein Atmen klang wie ein Todesrocheln. Lahmendes Grauen uberkam Harry, er konnte sich weder ruhren noch sprechen. Sein Patronus flackerte auf und erstarb.

Wei?er Nebel blendete ihn. Er mu?te kampfen… expecto patronum… er konnte nichts mehr sehen… und in der Ferne horte er das vertraute Schreien… expecto patronum… er tastete im Nebel nach Sirius und fand seinen Arm… er wurde nicht zulassen, da? sie ihn fortnahmen…

Doch ein paar kraftige, na?kalte Hande klammerten sich plotzlich um Harrys Hals. Der Dementor druckte ihm das Kinn nach oben… Harry spurte seinen Atem… sie wollten ihn zuerst erledigen… er roch den widerlichen Atem… seine Mutter schrie in seinen Ohren – das wurde das Letzte sein, was er horte -

Und dann, durch den Nebel, der ihn ertrankte, glaubte er ein silbernes Licht zu sehen, das heller und heller wurde… er spurte, wie er aufs Gras fiel -

Das Gesicht im Gras, zu schwach, um sich zu ruhren, zitternd vor Ubelkeit, offnete er die Augen. Der Dementor mu?te ihn losgelassen haben – blendend helles Licht fiel auf das Gras um ihn her – das Schreien hatte aufgehort, die Kalte wich… Etwas trieb die Dementoren davon… es kreiste um ihn und Black und Hermine… die Dementoren schwebten fort… die Luft erwarmte sich…

Mit allerletzter Kraft hob Harry den Kopf noch ein wenig hoher und sah inmitten des Lichts ein Tier, das uber den See davongaloppierte… mit schwei?getrubten Augen versuchte Harry zu erkennen, was es war… es war hell wie ein Einhorn… Harry, verzweifelt gegen die Ohnmacht ankampfend, sah, wie es druben am anderen Ufer ankam und sich aufbaumte. So hell war das Wesen, da? er noch sehen konnte, wie jemand es herzlich begru?te… die Hand hob und es tatschelte… jemand, der ihm seltsam bekannt vorkam… doch das konnte nicht sein

Harry begriff nicht. Er konnte nicht mehr denken. Die letzten Krafte schwanden ihm und sein Kopf schlug zu Boden. Er war ohnmachtig.

Hermines Geheimnis

»Furchterliche Geschichte… schrecklich… Wunder, da? alle noch leben… so was hab ich noch nie gehort… Heiliger Strohsack, ein Gluck, da? Sie da waren, Snape…«

»Danke, Minister.«

»Orden des Merlin, zweiter Klasse, wurde ich sagen. Erster Klasse, wenn ich's deichseln kann!«

»Herzlichen Dank, Minister.«

»Sieht ja ubel aus, der Schnitt, den sie da im Gesicht haben… das war sicher Black?«

»Keineswegs, Minister, es waren Potter, Weasley und Granger, Minister…«

»Nein!«

»Black hatte sie verhext, war mir auf der Stelle klar. Ein Verwirrungszauber, so wie die sich auffuhrten. Glaubten offenbar, er sei doch unschuldig. Sie waren fur ihre Taten nicht verantwortlich. Allerdings ware Black fast entkommen, weil sie sich eingemischt haben… glaubten wohl, sie konnten ihn auf eigene Faust fangen. Man hat ihnen bisher einfach viel zu viel durchgehen lassen… ich furchte, das ist ihnen zu Kopfe gestiegen… und naturlich hat der Schulleiter immer gro?tes Nachsehen mit Potter.«

»Nun ja, Snape… Sie wissen, Harry Potter… wir haben da alle einen schwachen Punkt, wenn es um ihn geht.«

»Gleichwohl, Minister – tut es ihm gut, wenn er immer wieder mit allem davonkommt? Ich personlich bemuhe mich, ihn wie jeden anderen Schuler auch zu behandeln.

Und jeder andere Schuler wurde – allermindestens – fur einige Zeit ausgeschlossen, wenn er seine Freunde derart in Gefahr gebracht hatte. Bedenken Sie, Minister, gegen alle Schulregeln – und nach allem, was wir zu seinem Schutz getan haben – au?erhalb der Schule angetroffen, spatabends, in Gesellschaft eines Werwolfs und eines Morders – und au?erdem habe ich Grund zu der Annahme, da? er auch unrechtma?ig in Hogsmeade war -«

»Gut und schon… wir werden sehen, Snape, wir werden sehen… der Junge hat zweifellos eine Dummheit begangen…«

Harry lag mit geschlossenen Augen da und lauschte. Ihm war sterbenselend zumute. Die Worte schienen nur langsam von seinen Ohren in sein Hirn zu dringen und er verstand sie kaum… seine Glieder fuhlten sich an wie mit Blei gefullt; die Augenlider waren zu schwer, um sie zu offnen… er wollte hier auf diesem bequemen Bett fur alle Ewigkeit liegen bleiben…

»Was mich am meisten erstaunt, ist das Verhalten der Dementoren… Sie haben wirklich keine Ahnung, weshalb sie zuruckgewichen sind, Snape?«

»Nein, Minister… als ich zu mir kam, nahmen sie gerade wieder ihre Posten an den Toren ein…«

»Unglaublich. Aber Black und Harry und das Madchen waren -«

»Alle bewu?tlos, als ich zu ihnen gelangte. Ich habe Black naturlich sofort gefesselt und geknebelt, Tragen heraufbeschworen und sie gleich ins Schlo? gebracht.«

Eine Pause trat ein. Harrys Denken schien ein wenig schneller zu werden, und damit wuchs auch ein nagendes Gefuhl in der Tiefe seines Magens…

Er offnete die Augen.

Alles war ein wenig verschwommen. jemand hatte ihm die Brille abgenommen. Er lag im dunklen Krankensaal. Ganz am Ende des Saals konnte er Madam Pomfrey erkennen, die mit dem Rucken zu ihm stand und sich uber ein Bett beugte. Harry kniff die Augen zusammen. Neben Madam Pomfreys Arm lugte Rons roter Haarschopf hervor.

Harry wandte den Kopf auf die andere Seite. Im Bett neben ihm lag Hermine. Ihr Bett lag im Mondlicht. Auch sie hatte die Augen geoffnet und schien starr vor Angst. Als sie sah, da? Harry wach war, legte sie einen Finger auf die Lippen und deutete auf den Eingang. Die Tur war offen und vom Kortidor drangen die Stimmen von Cornellus Fudge und Snape herein.

Jetzt hastete Madam Pomfrey auf Harrys Bett zu. Er wandte sich um. Sie hatte den gro?ten Schokoladeriegel in Handen, den er je gesehen hatte. Er sah aus wie ein Pflasterstein.

»Aha, du bist wach!«, begru?te sie ihn forsch. Sie legte den Schokoriegel auf Harrys Nachttisch und schlug mit einem Hammerchen Stucke herunter.

»Wie geht's Ron?«, fragten Harry und Hermine wie aus einem Mund.

»Er wird's uberleben«, sagte Madam Pomfrey mit bitterer Miene.»Und ihr beiden… ihr bleibt hier, bis ich uberzeugt bin, da? – Potter, was fallt dir eigentlich ein?«

Harry hatte sich aufgerichtet, die Brille auf die Nase gesetzt und den Zauberstab gepackt.