Harry Potter und der Gefangene von Askaban, стр. 48

Obwohl Professor McGonagall die Leiterin des Hauses Gryffindor war, hatte Harry sie bisher nur einmal im Gemeinschaftsraum gesehen, und das wegen einer sehr ernsten Ankundigung. Die beiden Jungen, die noch immer den Feuerblitz in Handen hielten, starrten ihre Lehrerin an. Hermine ging um sie herum, setzte sich, griff sich das nachste Buch und verbarg ihr Gesicht dahinter.

»Das ist er also, nicht wahr?«, sagte Professor McGonagall umstandslos, ging hinuber zum Kamin und musterte den Feuerblitz.»Miss Granger hat mir soeben mitgeteilt, da? man Ihnen einen Besen geschickt hat, Potter.«

Harry und Ron wandten sich zu Hermine um. Sie konnten sehen, wie ihre Stirn uber dem Buch, das sie falsch herum hielt, rot anlief

»Darf ich mal?«, sagte Professor McGonagall, wartete jedoch nicht auf eine Antwort und zog ihnen den Feuerblitz stracks aus den Handen. Sie untersuchte ihn sorgfaltig vom Stiel bis zu den Zweigspitzen.»Hmm. Und keine Notiz dazu, Potter? Keine Karte? Keine Mitteilung irgendwelcher Art?«

»Nein«, sagte Harry schlicht.

»Verstehe…«, sagte Professor McGonagall.»Nun, ich furchte, ich werde ihn beschlagnahmen mussen, Potter.«

»W… wie bitte?«, sagte Harry und rappelte sich hoch.»Warum?«

»Er mu? auf Zauberfluche uberpruft werden«, sagte Professor McGonagall.»Ich bin naturlich keine Fachfrau, aber ich bin sicher, Madam Hooch und Professor Flitwick werden ihn auseinander nehmen.«

»Ihn auseinander nehmen?«, wiederholte Ron, als ob Professor McGonagall verruckt geworden ware.

»Es durfte nicht mehr als ein paar Wochen dauern«, sagte Professor McGonagall.»Sie bekommen ihn zuruck, wenn wir sicher sind, da? er nicht verhext ist.«

»Der ist vollig in Ordnung!«, sagte Harry mit leichtem Zittern in der Stimme.»Ehrlich, Professor -«

»Das konnen Sie nicht wissen, Potter«, sagte Professor McGonagall recht freundlich,»jedenfalls nicht, bis Sie ihn geflogen haben, und ich furchte, das kommt nicht in Frage, bis wir sicher sind, da? damit kein Hokuspokus getrieben wurde. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.«

Professor McGonagall machte auf dem Absatz kehrt und trug den Feuerblitz aus dem Portratloch, das sich hinter ihr schlo?. Harry stand da und starrte ihr nach, die Dose mit der Hochglanzpolitur immer noch in der Hand. Ron jedoch machte sich uber Hermine her.

»Wieso rennst du eigentlich zu McGonagall?«

Hermine warf ihr Buch beiseite. Sie war immer noch rosa im Gesicht, doch sie stand auf und sah Ron verteidigungslustig ins Gesicht.

»Weil ich dachte – und Professor McGonagall stimmt mir zu -, da? es vielleicht Sirius Black war, der Harry den Besen geschickt hat!«

Der Patronus

Hermine hatte es gut gemeint, das wu?te Harry, und dennoch war er wutend auf sie. Ein paar Stunden lang hatte er den besten Besen der Welt besessen, und jetzt, weil sie sich eingemischt hatte, wurde er ihn vielleicht nie mehr wieder sehen. Er war sich inzwischen sicher, da? mit dem Feuerblitz alles in Ordnung war, doch wie wurde er aussehen, wenn sie ihn erst einmal ubergrundlich auf alle moglichen bosen Zauber untersucht hatten?

Auch Ron war wutend auf Hermine. Wenn man ihn fragte, so war die Zerlegung eines brandneuen Feuerblitzes nichts anderes als kriminelle Sachbeschadigung. Hermine blieb fest davon uberzeugt, nur zu Harrys Wohl gehandelt zu haben, und erschien immer seltener im Gemeinschaftsraum. Harry und Ron vermuteten, da? sie in der Bibliothek Zuflucht gesucht hatte, und versuchten erst gar nicht, sie zuruckzuholen. Letztendlich waren sie froh, als kurz nach Neujahr. die anderen Schuler zuruckkehrten und es im Turm der Gryffindors wieder laut und wild zuging.

Am Abend vor dem ersten Unterrichtstag nahm Wood Harry beiseite.

»Schone Weihnachten gehabt?«Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er mit gedampfter Stimme fort:»Ich hab in den Ferien ein wenig nachgedacht, Harry. Uber das letzte Spiel, du wei?t. Wenn die Dementoren auch zum nachsten kommen… ich meine wir konnen es uns nicht leisten, da? – nun ja -«

Wood brach mit verlegenem Blick ab.

»Ich unternehm schon was dagegen«, sagte Harry rasch.»Professor Lupin hat versprochen, mir Unterricht zu geben, wie ich mir die Dementoren vom Leib halten kann. Wir wollten eigentlich diese Woche anfangen, er meinte, nach Weihnachten hatte er Zeit.«

»Ah«, sagte Wood und seine Miene hellte sich auf,»gut, wenn das so ist – ich wollte dich als Sucher keinesfalls verlieren, Harry. Und hast du schon einen neuen Besen bestellt?«

»Nein«, sagte Harry.

»Wie bitte? Du beeilst dich besser – mit diesem Shooting Star brauchst du gegen Ravenclaw gar nicht erst anzutreten.«

»Er hat zu Weihnachten einen Feuerblitz bekommen«, sagte Ron.

»Einen Feuerblitz? Nein! Im Ernst? Einen – einen echten Feuerblitz?«

»Freu dich nicht zu fruh, Oliver«, sagte Harry mit dusterer Miene.»Ich hab ihn nicht mehr. Sie haben ihn beschlagnahmt.«Und er erklarte ihm, da? der Feuerblitz gerade auf bose Zauber untersucht wurde.

»Bose Zauber? Warum sollte er denn verhext sein?«

»Sirius Black«, sagte Harry matt.»Er ist angeblich hinter mir her. Daher vermutet McGonagall, da? er mir den Feuerblitz geschickt hat.«

Die Neuigkeit, da? ein beruchtigter Morder hinter seinem Sucher her war, kummerte Wood nicht im Geringsten.

»Aber Black hatte keinen Feuerblitz kaufen konnen!«, sagte er.»Er ist auf der Flucht! Das ganze Land sucht nach ihm! Wie konnte er dann mir nichts, dir nichts in den Quidditch-Laden spazieren und einen Besen kaufen?«

»Das frag ich mich auch«, sagte Harry,»aber McGonagall will ihn trotzdem zerlegen lassen -«

Wood erbleichte.

»Ich werd mit ihr reden, Harry«, versprach er.»Ich werd sie schon zur Vernunft bringen… ein Feuerblitz… ein echter Feuerblitz fur unser Team… sie will doch genauso wie wir, da? Gryffindor gewinnt… ich werd sie zur Vernunft bringen… ein Feuerblitz…«

Am nachsten Tag war wieder Schule. Das Letzte, worauf sie an diesem rauhen Januarmorgen Lust hatten, waren zwei Stunden drau?en auf den Landereien. Um sie aufzumuntern, hatte Hagrid ein gro?es Feuer mit Salamandern vorbereitet, und mit viel Eifer sammelten sie trockenes Holz, damit das Feuer so richtig prasselte, wahrend die Flammen liebenden Salamander uber die wei? gluhenden und zerfallenden Holzscheite huschten. Die erste Stunde Wahrsagen im neuen Jahr war weit weniger lustig; Professor Trelawney lehrte sie die Handlesekunst und eroffnete Harry ohne Umschweife, er habe die kurzesten Lebenslinien, die sie je gesehen habe.

Wirklich gespannt war Harry auf Verteidigung gegen die dunklen Kunste. Nach seinem Gesprach mit Wood wollte er so bald wie moglich anfangen zu lernen, wie er die Dementoren bekampfen konnte.

»Ah ja«, sagte Lupin, als Harry ihn am Schlu? der Stunde an sein Versprechen erinnerte.»Uberlegen wir mal… wie war's mit Donnerstagabend um acht Uhr? Das Klassenzimmer fur Geschichte der Zauberei wird gro? genug sein… ich mu? genau uberlegen, wie wir die Sache anpacken… zum Uben konnen wir schlie?lich keinen waschechten Dementor ins Schlo? holen…«

»Sieht immer noch krank aus, oder?«, sagte Ron, wahrend sie den Korridor entlang zum Abendessen gingen.»Was, glaubst du, ist mit ihm los?«

Von hinten kam ein lautes, ungeduldiges»Tssss«. Es war Hermine, die zu Fu?en einer Rustung gesessen und ihre Tasche neu gepackt hatte. Die war so voll gestopft mit Buchern, da? sie nicht mehr zugehen wollte.

»Und was hast du an uns herumzumakeln?«, sagte Ron gereizt.

»Nichts«, sagte Hermine ein wenig herablassend und schulterte ihre Tasche.

»Doch, hast du«, sagte Ron.»Ich hab mich nur gefragt, was mit Lupin los ist, und du -«

»Tja, ist das nicht offensichtlich?«, sagte Hermine mit einem uberlegenen Blick, der Ron fast zur Wei?glut trieb.

»Wenn du es uns nicht sagen willst, dann la? es doch bleiben«, fauchte Ron.