Harry Potter und der Gefangene von Askaban, стр. 2

Doch ein weiterer ungewohnlicher Zug an Harry war, da? er sich so wenig auf seine Geburtstage freute. Noch nie im Leben hatte er eine Geburtstagskarte bekommen. Die Dursleys hatten seine letzten beiden Geburtstage vollig ignoriert und er hatte keinen Grund zu erwarten, da? es diesmal anders sein wurde.

Harry ging durch das dunkle Zimmer, vorbei an Hedwigs gro?em, leerem Kafig, hinuber zum offenen Fenster. Er lehnte sich gegen den Fensterrahmen und nach so langer Zeit unter der Bettdecke strich die kuhle Luft angenehm uber sein Gesicht. Hedwig war jetzt schon zwei Nachte lang weg. Harry sorgte sich nicht ihretwegen; sie war schon ofter so lange fort gewesen, doch er hoffte, sie bald wieder zu sehen – immerhin war sie das einzige Lebewesen in diesem Haus, das bei seinem Anblick nicht zusammenschreckte.

Harry, wenn auch immer noch recht klein und mager fur sein Alter, war im letzten Jahr um ein paar Zentimeter gewachsen. Sein rabenschwarzes Haar jedoch war wie immer – widerborstig verstrubbelt, da konnte er machen, was er wollte. Die Augen hinter seiner Brille waren hellgrun und auf der Stirn, durch die Haare deutlich zu sehen, hatte er eine schmale Narbe, die aussah wie ein Blitz.

Unter all den ungewohnlichen Merkmalen Harrys war diese Narbe wohl das au?ergewohnlichste. Sie war nicht, wie die Dursleys jahrelang geschwindelt hatten, das Uberbleibsel eines Autounfalls, bei dem Harrys Eltern umgekommen seien. Lily und James Potter waren nicht bei einem Unfall gestorben. Sie wurden ermordet, ermordet von Lord Voldemort, dem gefurchtetsten schwarzen Magier seit Hunderten von Jahren. Harry war diesem Angriff mit nichts weiter als einer Narbe auf der Stirn entkommen, wobei Voldemorts Fluch, anstatt ihn zu toten, gegen seinen Urheber zuruckgeprallt war. Voldemort, fast zu Tode entkraftet, war geflohen…

Doch Harry war ihm in Hogwarts wieder begegnet. Wahrend er am Fenster stand und sich an das letzte Zusammentreffen erinnerte, mu?te er sich eingestehen, da? er von Gluck reden konnte, uberhaupt seinen dreizehnten Geburtstag zu erleben.

Er suchte den sternfunkelnden Himmel nach einem Zeichen von Hedwig ab, die vielleicht in Windeseile mit einer toten Maus im Schnabel auf der Ruckreise zu ihm war und dafur Lob erwartete. Gedankenverloren lie? er seinen Blick uber die Dacher schweifen, und es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, was er da vor Augen hatte.

Vom goldenen Mondlicht umflutet und jeden Moment gro?er werdend, sah er ein Ungetum mit merkwurdiger Schlagseite auf sich zuflattern. Reglos stand er da und beobachtete, wie es immer tiefer sank – fur den Bruchteil einer Sekunde zogerte er, die Hand am Fenstergriff, und fragte sich, ob er es zuschlagen sollte – doch dann surrte das ungeheure Geschopf uber eine der Stra?enlaternen des Ligusterwegs, und Harry, der nun erkannte, was es war, sprang zur Seite.

Durchs Fenster schwebten drei Eulen herein, zwei davon hielten eine dritte, die ohnmachtig schien, in den Krallen. Mit einem leisen Flumphh landeten sie auf Harrys Bett und die mittlere Eule, gro? und grau, kippte sofort um und blieb reglos liegen. An ihre Beine war ein gro?es Packchen gebunden.

Harry erkannte die ohnmachtige Eule sofort – ihr Name war Errol und sie gehorte der Familie Weasley. Mit einem Satz war er am Bett, entknotete die Schnure um Errols Beine, nahm das Packchen und trug Errol hinuber zu Hedwigs Kafig. Errol offnete ein trubes Auge, fiepte ein Dankeschon und wurgte ein paar Schlucke Wasser hinunter.

Harry wandte sich den beiden anderen Eulen zu. Eine davon, die gro?e weibliche Schnee-Eule, war seine Hedwig. Auch sie trug ein gro?es Packchen und sah hochst zufrieden mit sich aus. Sie kniff Harry liebevoll ins Ohr, wahrend er ihr die Last abnahm, und flog dann quer durchs Zimmer hinuber zu Errol.

Die dritte Eule, ein hubscher Waldkauz, erkannte Harry nicht, doch er wu?te sofort, woher sie kam, denn au?er einem dritten gro?en Packchen trug sie auch einen Brief mit dem Siegel von Hogwarts. Als Harry dieser Eule die Last abgenommen hatte, raschelte sie bedeutungsschwer mit den Federn, spreizte die Flugel und flatterte durch das Fenster hinaus in die Nacht.

Harry setzte sich aufs Bett, nahm Errols Packchen in die Hand, ri? das braune Papier ab und entdeckte ein in Goldpapier eingewickeltes Geschenk und die erste Geburtstagskarte seines Lebens. Zwei Blatter fielen heraus – ein Brief und ein Zeitungsausschnitt.

Der Ausschnitt stammte offensichtlich aus der Zaubererzeitung, dem Tagespropheten, denn die Menschen auf den Schwarzwei?fotos bewegten sich. Harry hob das Blatt hoch, glattete es und las:

Beamter des Zaubereiministeriums gewinnt Gro?en Preis

Arthur Weasley, Chef der Abteilung gegen den Mi?brauch von Muggelartefakten im Zaubereiministerium, hat den jahrlich vergebenen Gro?en Goldpreis des Tagespropheten gewonnen

Der entzuckte Mr Weasley sagte gegenuber dem Tagespropheten:»Wir werden das Gold fur einen Sommerurlaub in Agypten ausgeben, wo unser altester Sohn, Bill, als Fluchbrecher fur die Gringotts-Zaubererbank arbeitet.«

Die Familie Weasley wird einen Monat in Agypten verbringen und zu Beginn des neuen Schuljahres in Hogwarts, das gegenwartig funf ihrer Kinder besuchen, zuruckkehren.

Harry warf einen Blick auf das sich bewegende Foto und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Alle neun Weasleys standen da vor einer gro?en Pyramide und winkten ihm begeistert zu. Die fallige kleine Mrs Weasley, der gro?e, zur Glatze neigende Mr Weasley, sechs Sohne und eine Tochter, allesamt (auf dem Schwarzwei?foto naturlich nicht zu sehen) mit flammend roten Haaren. In der Mitte des Bildes war Ron, gro? und schlaksig, seine Hausratte Kratze auf der Schulter und den Arm um seine kleine Schwester Ginny gelegt.

Harry fiel niemand ein, der einen gro?en Haufen Gold mehr verdient hatte als die Weasleys, die sehr nett und furchtbar arm waren. Er nahm Rons Brief in die Hand und entfaltete ihn.

Lieber Harry,

herzlichen Gluckwunsch zum Geburtstag!

Hor mal, das mit dem Telefonanruf tut mir wirklich Leid. Ich hoffe, die Muggel haben dich in Ruhe gelassen. Ich hab Dad gefragt, und er meint, ich hatte nicht in den Horer brullen sollen.

Es ist toll hier in Agypten. Bill hat uns alle Graber gezeigt und du glaubst gar nicht, mit welchen Fluchen diese alten agyptischen Zauberer sie belegt haben. Mum wollte nicht, da? Ginny mit in die letzte Grabkammer geht. Dadrin waren eine Menge komischer Skelette von Muggeln, die das Grab ausrauben wollten und denen neue Kopfe und eklige Sachen gewachsen sind.

Ich konnte nicht fassen, da? Dad den Preis des Tagespropheten gewonnen hat. Siebenhundert Galleonen! Das meiste davon geht fur diesen Urlaub drauf, aber sie kaufen mir einen neuen Zauberstab furs nachste Schuljahr.

Harry erinnerte sich nur zu gut an damals, als Rons alter Zauberstab abgeknackst war. Es war passiert, als das Auto, das er und Ron nach Hogwarts geflogen hatten, gegen einen Baum auf dem Schulgelande gekracht war.

Wir sind eine Woche vor Schulbeginn zuruck und fahren dann hoch nach London, um meinen neuen Zauberstab und unsere Bucher zu besorgen. Konnten wir uns dort vielleicht treffen?

La? dir von den Muggeln nicht die Laune verderben! Versuch doch, nach London zu kommen,

Ron

PS: Percy ist Schulsprecher. Letzte Woche hat er den Brief bekommen.

Erneut musterte Harry das Foto. Percy, im siebten und letzten Schuljahr in Hogwarts, sah besonders schmuck aus mit seinem neuen silbernen Abzeichen, das auf dem Fes schimmerte.

Harry – das ist ein Taschenspickoskop. Wenn jemand in der Nahe ist, dem man nicht trauen kann" soll es aufleuchten und sich drehen. Bill sagt, es ist Plunder, den sie fur die Zauberertouristen verkaufen, und man konne sich nicht darauf verlassen, weil es gestern Abend beim Essen standig aufleuchtete. Aber er hat nicht bemerkt, da? Fred und George Kafer in seine Suppe gemischt haben.