Harry Potter und der Gefangene von Askaban, стр. 11

Neugierig geworden durch den Menschenauflauf im Laden drangelte Harry hinein und quetschte sich zwischen den aufgeregten Hexen und Zauberern durch bis vor ein eigens errichtetes kleines Podest, auf dem der herrlichste Rennbesen ausgestellt war, den er je gesehen hatte.

»Ganz neu rausgekommen, ein Prototyp -«, erklarte ein Zauberer mit vierkantigem Kiefer seinem Begleiter.

»Das ist der schnellste Besen der Welt, stimmt doch, Paps?«, quiekte ein kleiner Junge, der vom Arm seines Vaters herunterbaumelte.

»Die Irischen Internationalen haben gerade sieben dieser Schonheiten bestellt!«, verkundete der Ladenbesitzer der Menge.»Und sie sind Favoriten fur die Weltmeisterschaft!«

Eine gro?e Hexe vor Harry trat zur Seite, und jetzt konnte er das Schild neben dem Besen lesen:

Der Feuerblitz

Dieser Rennbesen nach neuestem Stand der Technik hat einen stromlinienformigen, superveredelten Stiel aus Eschenholz mit diamantharter Politur und von Hand eingemei?elter Registriernummer. Jede handverlesene Birkenholzrute des Schweifs ist aerodynamisch optimal abgeschliffen, was dem Feuerblitz unvergleichliche Stabilitat und haarscharfe Prazision verleiht. Der Feuerblitz beschleunigt von 0 auf 250 Stundenkilometer in 10 Sekunden und ist mit einem unbrechbaren Bremszauber ausgestattet. Preis auf Nachfrage.

Preis auf Nachfrage… Harry mochte sich lieber nicht ausmalen, wie viel der Feuerblitz kosten wurde. Nie hatte er sich etwas sehnlicher gewunscht – doch immerhin hatte er auch noch nie ein Quidditch-Spiel auf seinem Nimbus Zweitausend verloren, und weshalb sollte er sein Verlies in Gringotts fur den Feuerblitz plundern, wenn er bereits einen sehr guten Rennbesen hatte? Harry fragte nicht nach dem Preis, doch er kam fast jeden Tag in den Laden, nur um den Feuerblitz zu sehen.

Es gab jedoch Dinge, die Harry kaufen mu?te. In der Apotheke fullte er seinen Vorrat an Zaubertrankzutaten auf, und da seine Schulumhange an Armen und Beinen jetzt um einige Zentimeter zu kurz waren, ging er in Madam Malkins Anzuge fur alle Gelegenheiten und kaufte sich neue. Vor allem jedoch mu?te er die neuen Schulbucher besorgen, darunter auch die fur seine neuen Facher Pflege magischer Geschopfe und Wahrsagen.

Ein Blick in das Schaufenster des Buchladens lie? Harry stutzen. Statt der ublichen Auslage an goldgepragten Zauberspruchbanden, so gro? wie Gehwegplatten, stand ein riesiger Eisenkafig hinter der Scheibe, in dem rund hundert Exemplare des Monsterbuchs der Monster steckten. Die Bucher klatschten und schnappten nacheinander und hatten sich wutend ineinander verkeilt, und uberall flatterten ausgerissene Seiten umher.

Harry zog die Bucherliste aus der Tasche und las sie zum ersten Mal aufmerksam durch. Das Monsterbuch der Monster war das Lehrbuch fur den Unterricht in Pflege magischer Geschopfe. Jetzt war ihm leichter ums Herz; schon hatte er gefurchtet, Hagrid hatte sich ein schreckliches neues Haustier zugelegt und brauche seine Hilfe.

Als Harry Flourish & Blotts betrat, kam ihm der Verkaufer entgegengelaufen.

»Hogwarts?«, fragte er kurz angebunden.»Kommst du wegen der neuen Bucher?«

»Ja«, sagte Harry,»ich brauche -«

»Aus dem Weg«, sagte der Verkaufer ungeduldig und schob Harry beiseite. Er zog ein Paar sehr dicker Handschuhe an, packte einen gro?en, knotigen Wanderstock und ging auf den Kafig mit den Monsterbuchern zu.

»Warten Sie«, sagte Harry rasch,»ich hab schon eins von denen.«

»Ach ja?«Auf dem Gesicht des Verkaufers machte sich gewaltige Erleichterung breit.»Dem Himmel sei Dank, ich bin heute Morgen schon funfmal gebissen worden.«

Ein lautes Ratschen erfullte die Luft; zwei der Monsterbucher hatten ein drittes geschnappt und rissen es auseinander.

»Aufhoren! Aufhoren!«, rief der Verkaufer, stocherte mit dem Wanderstock durch die Kafigstabe und trieb die Bucher auseinander.»Die bestell ich nie wieder, nie! Es ist die Holle! Ich dachte schon, es konne nicht mehr schlimmer kommen, als wir zweihundert Exemplare von dem Titel Das Unsichtbare Buch der Unsichtbarkeit hier hatten – hat ein Vermogen gekostet und wir haben sie nie gefunden… Nun… kann ich dir weiterhelfen?«

»Ja«, sagte Harry und sah auf die Bucherliste.»Ich brauche Die Entnebelung der Zukunft von Kassandra Wablatschki.«

»Ah, verstehe, ihr fangt mit Wahrsagen an«, sagte der Verkaufer, zog die Handschuhe aus und fuhrte Harry in den hinteren Teil des Ladens, in eine Ecke mit lauter Buchern uber das Wahrsagen. Auf einem kleinen Tisch stapelten sich Werke wie Die Vorhersage des Unvorhersagbaren: So schutzen Sie sich vor Schocks und Zerbrochene Traume: Wenn sich das Schicksal wendet.

»Bitte schon«, sagte der Verkaufer, der auf eine kleine Stehleiter geklettert war und ein dickes, schwarz gebundenes Buch heruntergeholt hatte.»Die Entnebelung der Zukunft. Sehr guter Uberblick uber alle grundlegenden Methoden des Wahrsagens – Handlesekunst, Kristallkugeln, Vogeleingeweide -«

Doch Harry horte ihm gar nicht mehr zu. Sein Blick war auf ein anderes Buch gefallen, das auf einem kleinen Tisch auslag: Omen des Todes – Was tun, wenn Sie wissen, da? das Schlimmste bevorsteht.

»Oh, das wurde ich an deiner Stelle lieber nicht lesen«, sagte der Verkaufer beilaufig, als er Harrys Blick folgte,»sonst fangst du noch an, uberall Vorzeichen des Todes zu sehen, und das kann einem wirklich Todesangst einjagen.«

Doch Harry wandte den Blick nicht vom Umschlag des Buches; darauf abgebildet war ein Hund, gro? wie ein Bar und mit gluhenden Augen. Er kam ihm unheimlich bekannt vor…

Der Verkaufer druckte Harry Die Entnebelung der Zukunft in die Hand.

»Noch was?«, sagte er.

»Ja«, sagte Harry, wandte den Blick muhsam von den Augen des Hundes ab und zog verwirrt seine Bucherliste zu Rate.»Ahm – ich brauche Verwandlung: Die Zwischenstufen und Das Lehrbuch der Zauberspruche, Band 3.«

Zehn Minuten spater kam Harry mit seinen neuen Buchern unter den Armen aus Flourish & Blotts. Gedanken versunken und hie und da jemanden anrempelnd schlenderte er zum Tropfenden Kessel zuruck.

Er stapfte die Treppe zu seinem Zimmer empor, ging hinein und warf die Bucher aufs Bett. jemand war da gewesen, um zu putzen; die Fenster standen offen und Sonnenlicht flutete herein. Harry horte die Busse auf der Muggelstra?e, die er nicht besucht hatte, vorbeirollen und den Larm der unsichtbaren Menge unten in der Winkelgasse. Im Spiegel uber dem Waschbecken sah er sich ins Gesicht.

»Es kann kein Todesomen gewesen sein«, erklarte er trotzig seinem Spiegelbild.»Ich hab einfach Panik gekriegt, als ich dieses Ding im Magnolienring gesehen habe… wahrscheinlich war es blo? ein streunender Hund…«

Wie von selbst hob er die Hand, um sein Haar zu glatten.

»Ein aussichtsloser Kampf, mein Lieber«, sagte der Spiegel mit pfeifender Stimme.

Die Tage glitten dahin und Harry begann auf Schritt und Tritt nach Zeichen von Ron und Hermine Ausschau zu halten. Das neue Schuljahr nahte, und jetzt kamen eine Menge Hogwarts-Schuler in die Winkelgasse. Harry traf Seamus Finnigan und Dean Thomas, seine Mitschuler aus dem Haus der Gryffindors. Auch sie standen mit sehnsuchtigen Augen vor Qualitat fur Quidditch und bestaunten den Feuerblitz. Vor Flourish & Blotts stie? er auf den echten Neville Longbottom, einen rundgesichtigen, verge?lichen Jungen. Harry hielt nicht an, um ein Plauschchen zu halten; Neville schien seine Bucherliste verlegt zu haben und wurde gerade von seiner recht stattlichen Gro?mutter zur Schnecke gemacht.

Am letzten Ferientag wachte Harry mit dem Gedanken auf, morgen im Hogwarts-Express wurde er endlich Ron und Hermine treffen. Er stand auf, zog sich an, ging hinaus, um einen letzten Blick auf den Feuerblitz zu werfen, und fragte sich gerade, wo er zu Mittag essen sollte, als jemand seinen Namen rief Er drehte sich um.