Harry Potter und die Kammer des Schreckens, стр. 15

»Alles klar«, sagte er.

Ron druckte auf einen kleinen silbernen Knopf am Armaturenbrett. Der Wagen um sie her verschwand – und sie mit ihm. Harry spurte den Sitz unter sich erzittern, horte den Motor, fuhlte seine Hande auf den Knien und seine Brille auf der Nase, doch nach allem, was er sehen konnte, war er nur noch ein Augenpaar, das in einer schabigen Stra?e voll geparkter Autos einen Meter uber dem Boden schwebte.

»Los geht's«, sagte Rons Stimme zu seiner Rechten.

Und die Stra?e und die schmutzigen Gebaude versanken zu beiden Seiten, als der Wagen sich in die Lufte erhob; ein paar Sekunden spater lag die gro?e Stadt London glitzernd unter ihnen.

Dann horten sie ein lebhaftes Knattern und der Wagen, Harry und Ron tauchten wieder auf.

»O nein«, sagte Ron und hammerte auf den Knopf fur den Unsichtbarkeits-Servoantrieb ein,»er ist kaputt!«

Beide fummelten an dem Knopf herum. Der Wagen verschwand und kam gleich wieder flackernd zum Vorschein.

»Halt dich fest!«, rief Ron und druckte das Gaspedal durch; sie schossen hinein in die tief hangende flaumige Wolkendecke, und um sie her war nun alles trube und feucht.

»Was nun?«, fragte Harry und spahte verdutzt durch die dichte Wolkenmasse.

»Wir mussen den Zug finden, damit wir wissen, in welche Richtung wir fliegen sollen«, sagte Ron.

»Wieder runter, schnell«

Sie tauchten hinab unter die Wolkendecke und schauten durch die Fenster auf die Erde.

»Ich kann ihn sehen!«, rief Harry,»dort – direkt vor uns«

Der Hogwarts-Express glitt vor ihnen dahin wie eine scharlachrote Schlange.

»Richtung Norden«, sagte Ron mit einem Blick auf den Kompa? am Armaturenbrett.»Gut – wir mussen nur jede halbe Stunde nachsehen – halt dich fest -«

Und wieder schossen sie hoch in die Wolken; eine Minute spater stie?en sie durch die Wolkendecke ins glei?ende Sonnenlicht.

Dies war eine andere Welt. Die Wagenrader glitten durch das flaumige Wolkenmeer, der Himmel war ein helles, endloses Blau unter der blendend wei?en Sonne.

»Jetzt mussen wir nur noch auf Flugzeuge aufpassen«, sagte Ron.

Sie sahen sich an und prusteten los; es dauerte einige Zeit, bis sie sich wieder beruhigt hatten.

Sie fuhlten sich wie inmitten eines phantastischen Traums. Das ist die einzig wahre Art zu reisen, dachte Harry: vorbei an schneeigen Wolkenwirbeln und -turmchen, in einem von hei?em, hellem Sonnenlicht durchfluteten Wagen, mit einer gro?en Packung Sahnebonbons im Handschuhfach und der Aussicht auf die neidischen Gesichter von Fred und George, wenn sie vor aller Augen sanft auf dem uppigen Rasen vor Schlo? Hogwarts landen wurden.

Immer weiter nach Norden flogen sie und schauten dabei regelma?ig nach dem Zug und jedes Mal, wenn sie unter die Wolken abtauchten, bot sich ihnen ein anderer Blick. London lag nun weit hinter ihnen, statt dessen sahen sie anmutige grune Felder, die allmahlich weitlaufigen, purpurn schimmernden Mooren wichen, Weilern mit kleinen Spielzeugkirchen und einer gro?en Stadt, in der es von Autos nur so wimmelte, die an bunte Ameisen erinnerten.

Mehrere ereignislose Stunden spater jedoch musste sich Harry eingestehen, da? er allmahlich die Lust verlor. Die Sahnebonbons hatten ihnen hollisch Durst gemacht und sie hatten nichts zu trinken dabei. Er und Ron hatten die Pullis ausgezogen, doch Harrys T-Shirt klebte an seinem Sitz und die Brille rutschte ihm standig auf die schwei?feuchte Nasenspitze. Die phantastischen Wolkenformen beachtete er schon gar nicht mehr, und sehnsuchtig dachte er an den Zug meilenweit unter ihnen, wo man von einer kugelrunden Hexe mit einem Imbisswagelchen eiskalten Kurbissaft kaufen konnte. Warum waren sie eigentlich nicht zu Gleis neundreiviertel durchgekommen?

»Weit kann es nicht mehr sein, oder?«, krachzte Ron wieder ein paar Stunden spater, als die Sonne schon im Wolkenteppich versank und den Himmel tiefrosa einfarbte.»Wollen wir noch mal nach dem Zug schauen?«

Er war immer noch direkt unter ihnen und schlangelte sich an einem schneebedeckten Berg vorbei. Unter dem Wolken-Baldachin war es jetzt schon recht dunkel.

Ron druckte aufs Gaspedal und flog den Wagen wieder nach oben, doch auf einmal begann der Motor zu wimmern.

Harry und Ron tauschten nervose Blicke.

»Wahrscheinlich ist er blo? mude«, sagte Ron.»So weit ist er noch nie geflogen…«

Und wahrend der Himmel immer dunkler wurde, taten sie so, als ob sie das lauter werdende Wimmern nicht horten. In der Schwarze um sie her bluhten Sterne auf. Harry zog den Pulli wieder an.

»Nicht mehr weit«, sagte Ron, mehr zum Wagen als zu Harry,»wir sind bald da«, und er tatschelte mit zitternder Hand das Armaturenbrett.

Als sie eine Weile spater wieder durch die Wolken hinabtauchten, mu?ten sie in der Dunkelheit nach einem Punkt in der Landschaft Ausschau halten, den sie kannten.

»Dort!«, rief Harry, und Ron und Hedwig schraken zusammen.»Direkt vor uns«

Hoch oben auf einer Klippe uber dem See, abgehoben gegen den dunklen Horizont, ragten die vielen Zinnen und Turme von Hogwarts empor.

Der Wagen begann zu stottern und wurde langsamer.

»Na komm schon«, flehte Ron und ruttelte ein wenig am Steuer,»wir sind doch fast da, los -«

Der Motor stohnte auf. Unter der Kuhlerhaube pfiffen feine Dampfstrahlen hervor. Harry klammerte sich zu beiden Seiten seines Sitzes fest, wahrend sie auf den See zuflogen.

Der Wagen begann heftig zu ruckeln. Harry spahte aus dem Fenster und sah ein gutes Stuck unter ihnen das ruhige, glasern-schwarze Wasser. Rons Handknochel auf dem Lenkrad waren wei? geworden. Wieder machte der Wagen einen Ruck.

»Ich bitte dich«, murmelte Ron.

Sie waren uber dem See… Hogwarts lag direkt vor ihnen… Ron druckte das Gaspedal durch.

Sie horten ein lautes metallisches Klirren und mit einem Stottern erstarb der Motor.

»Uh, aah«, sagte Ron in die Stille hinein.

Der Wagen neigte sich vornuber in die Tiefe. Sie sanken, immer schneller, geradewegs auf die Schlo?mauer zu.

»Neiiiiin!«, schrie Ron und kurbelte am Steuer; um kaum einen Meter verfehlten sie die dunkle Steinmauer, und der Wagen beschrieb einen ausladenden Bogen; sie surrten uber die dunklen Gewachshauser hinweg, uber den Gemusegarten und dann uber die dunklen Parkanlagen, dabei verloren sie stetig an Hohe.

Ron lie? das Steuer ganz los und zog seinen Zauberstab aus der hinteren Tasche.

»HALT! STOPP!«, rief er und schlug auf das Armaturenbrett und die Windschutzscheibe ein, doch immer noch sanken sie tiefer, und der Erdboden flog ihnen entgegen…

»PASS AUF DEN BAUM AUF!«, schrie Harry und sturzte sich auf das Lenkrad, doch zu spat -

SPLITTER.

Mit ohrenbetaubendem Larm schlug Metall auf Holz; sie krachten gegen den dicken Baumstamm und landeten mit einem schmerzhaften Aufprall auf der Erde. Unter der zusammengeschrumpelten Kuhlerhaube paffte Dampf hervor; Hedwig kreischte in panischer Angst, und auf Harrys Kopf pochte da, wo er gegen die Windschutzscheibe geknallt war, eine golfballgro?e Beule. Von Ron zu seiner Rechten kam ein lautes, verzweifeltes Stohnen.

»Bist du okay?«, fragte Harry besorgt.

»Mein Zauberstab«, sagte Ron mit zittriger Stimme.»Sieh dir meinen Zauberstab an.«

Er war durchgeknackst und fast entzweigebrochen; die Spitze hing lahm herab und wurde nur noch von ein paar Sehnen gehalten.

Harry offnete den Mund, um zu sagen, das wurden sie in der Schule sicher wieder hinbekommen, doch er brachte kein Wort heraus. In genau diesem Moment schlug etwas mit der Kraft eines rasenden Nashorns gegen seine Wagentur und schmetterte ihn gegen Ron, wahrend zugleich ein ebenso heftiger Schlag das Dach traf.

»Was ist -«

Ron starrte mit offenem Mund durch die Scheibe, und Harry folgte seinem Blick gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Ast, so dick wie eine Pythonschlange, auf sie einschlug. Der Baum, gegen den sie gekracht waren, fiel uber sie her. Seine Krone hatte sich fast zum Erdboden hinuntergebogen, und seine knorrigen Zweige trommelten auf jeden Zentimeter des Wagens ein, den sie erreichen konnten.