G?tter, Helden und Wieland, стр. 1

Mercurius am Ufer des Cocytus mit zwei Schatten.

Mercurius.

Charon! he, Charon! Mach, da? du ruber kommst. Geschwind! Meine Leutchen da beklagen sich zum Erbarmen, wie ihnen das Gras die Fu?e netzt und sie den Schnuppen kriegen.

Charon.

Saubre Nation! Woher? Das ist einmal wieder von der rechten Rasse. Die konnten immer leben.

Mercurius.

Droben reden sie umgekehrt. Doch mit allem dem war das Paar nicht unangesehn auf der Oberwelt. Dem Herrn Literator hier fehlt nichts als seine Perucke und seine Bucher und der Megare da nur Schminke und Dukaten. Wie steht's druben?

Charon.

Nimm dich in acht, sie haben dir's geschworen, wenn du hinuber kommst.

Mercurius.

Wieso?

Charon.

Admet und Alceste sind ubel auf dich zu sprechen, am argsten Euripides. Und Herkules hat dich im Anfall seiner Hitze einen dummen Buben gehei?en, der nie gescheit werden wurde.

Mercurius.

Ich versteh kein Wort davon.

Charon.

Ich auch nicht. Du hast in Deutschland jetzt ein Getratsch mit einem gewissen Wieland?

Mercurius.

Ich kenn so keinen.

Charon.

Was schiert's mich? Gnug, sie sind fuchswild.

Mercurius.

La? mich in Kahn, ich will mit hinuber, mu? doch sehn, was gibt.

Sie fahren uber.

Euripides.

Es ist nicht fein, da? du's uns so spielst, alten guten Freunden und deinen Brudern und Kindern. Dich mit Kerls zu gesellen, die keine Ader griechisch Blut im Leibe haben, und an uns zu necken und neidschen, als wenn uns noch was ubrig ware au?er dem bi?chen Ruhm und dem Respekt, den die Kinder droben fur unserm Bart haben!

Mercurius.

Beim Jupiter, ich versteh Euch nicht.

Literator.

Sollte etwa die Rede vom Deutschen Merkur sein?

Euripides.

Kommt Ihr daher? Ihr bezeugt's also?

Literator.

O ja, das ist jetzo die Wonne und Hoffnung von ganz Deutschland, was der Gotterbote fur goldne Papierchen der Aristarchen und Aoiden herumtragt.

Euripides.

Da hort Ihr's. Und mir ist ubel mitgespielt in denen goldnen Blattchens.

Literator.

Das nicht sowohl. Herr W. zeigt nur, da? er nach Ihnen habe wagen durfen, eine Alceste zu schreiben, und da?, wenn er Ihre Fehler vermieden und gro?ere Schonheiten aufempfunden, man die Schuld Ihrem Jahrhunderte und dessen Gesinnungen zuschreiben musse.

Euripides.

Fehler! Schuld! Jahrhundert! O du hohes herrliches Gewolbe des unendlichen Himmels! was ist aus uns geworden! Merkur, und du tragst dich damit!

Mercurius.

Ich stehe versteinert.

Alceste.

Du bist in ubler Gesellschaft, und ich werde sie nicht verbessern. Pfui!

Admet.

Merkur, das hatt ich dir nicht zugetraut.

Mercurius.

Redt deutlich, oder ich gehe fort. Was hab ich mit Rasenden zu tun!

Alceste.

Du scheinst betroffen? So hore denn. Wir gingen neulich, mein Gemahl und ich, in dem Hain jenseits des Cocytus, wo, wie du wei?t, die Gestalten der Traume sich lebhaft darstellen und horen lassen. Wir hatten uns eine Weile an den phantastischen Gestalten ergotzt, als ich auf einmal meinen Namen mit einem unleidlichen Tone ausrufen horte. Wir wandten uns. Da erschienen zwei abgeschmackte, gezierte, hagre, blasse Puppchens, die sich einander Alceste! Admet! nannten, voreinander sterben wollten, ein Geklingele mit ihren Stimmen machten als die Vogel und zuletzt mit einem traurigen Gekrachz verschwanden.

Admet.

Es war lacherlich anzusehen. Wir verstunden das nicht, bis erst kurz ein junger Studiosus herunter kam, der uns die gro?e Neuigkeit brachte, ein gewisser Wieland habe uns ungebeten wie Euripides die Ehre angetan, dem Volke unsre Masken zu prostituieren. Und der sagte das Stuck auswendig von Anfang bis zu Ende her. Es hat's aber niemand ausgehalten als Euripides, der neugierig und Autor genug dazu war.

Euripides.

Ja, und was das Schlimmste ist, so soll er in eben den Wischen, die du herumtragst, seine Alceste vor der meinigen herausgestrichen, mich herunter und lacherlich gemacht haben.

Mercurius.

Wer ist der Wieland?

Literator.

Hofrat und Prinzenhofmeister zu Weimar.

Mercurius.

Und wenn er Ganymeds Hofmeister ware, sollt er mir her. Es ist just Schlafenszeit, und mein Stab fuhrt eine Seele leicht aus ihrem Korper.

Literator.

Mir wird's angenehm sein, solch einen gro?en Mann bei dieser Gelegenheit kennen zu lernen.

Wielands Schatten in der Nachtmutze tritt auf.

Wieland.

Lassen Sie uns, mein lieber Jacobi.

Alceste.

Er spricht im Traum.

Euripides.

Man sieht doch, mit was fur Leuten er umgeht.

Mercurius.

Ermuntert Euch. Es ist hier von keinen Jacobis die Rede. Wie ist's mit dem Merkur? Ihrem Merkur? dem Deutschen Merkur?

Wieland klaglich.

Sie haben mir ihn nachgedruckt.

Mercurius.

Was tut uns das. So hort denn und seht.

Wieland.

Wo bin ich? Wohin fuhrt mich der Traum?

Alceste.

Ich bin Alceste.

Admet.

Und ich Admet.

Euripides.

Solltet Ihr mich wohl kennen?

Mercurius.

Woher? — Das ist Euripides, und ich bin Merkur. Was steht Ihr so verwundert?

Wieland.

Ist das Traum, was ich wie wachend fuhle? Und doch hat meine Einbildungskraft niemals solche Bilder hervorgebracht. Ihr Alzcste? Mit dieser Taille! Verzeiht! Ich wei? nicht, was ich sagen soll.

Mercurius.

Die eigentliche Frage ist, warum Ihr meinen Namen prostituiert und diesen ehrlichen Leuten zusammen so ubel begegnet.

Wieland.

Ich bin mir nichts bewu?t. Was Euch betrifft, Ihr konntet, dunkt mich, wissen, da? wir Euerm Namen keine Achtung schuldig sind. Unsre Religion verbietet uns, irgend eine Wahrheit, Gro?e, Gute, Schonheit anzuerkennen und anzubeten au?er ihr. Daher sind eure Namen wie eure Bildsaulen zerstummelt und preisgegeben. Und ich versichre Euch, nicht einmal der griechische Hermes, wie ihn uns die Mythologen geben, ist mir je dabei in Sinn gekommen. Man denkt gar nichts dabei. Es ist, als wenn einer sagte: Recueil, Portefeuille.

Mercurius.

Es ist doch immer mein Name.

Wieland.

Haben Sie niemals Ihre Gestalt mit Flugel an Haupt und Fu?en, den Schlangenstab in der Hand, sitzend auf Warenballen und Tonnen, im Vorbeigehn auf einer Tabaksbuchse figurieren sehn?

Mercurius.

Das la?t sich horen. Ich sprech Euch los. Und ihr andern werdet mich kunftig ungeplagt lassen. So, wei? ich, war auf dem letzten Maskenballe ein gnadiger Herr, der uber seine Hosen und Weste noch einen fleischfarbnen Jobs gezogen hatte und vermittelst Flugeln an Haupt und Sohlen seine Molchsgestalt fur einen Mercurius an Mann bringen wollte.

Wieland.

Das ist die Meinung. So wenig mein Vignettenschneider auf Eure Statue Rucksicht nahm, die Florenz aufbewahrt, so wenig auch ich.

Mercurius.

So gehabt Euch wohl. Und so seid Ihr uberzeugt, da? der Sohn Jupiters noch nicht so bankrutt gemacht hat, um sich mit allerlei Leuten zu assoziieren.

ab.

Wieland.

So empfehl ich mich dann.

Euripides.

Nicht uns so. Wir haben noch erst ein Glas zusammen zu leeren.

Wieland.

Ihr seid Euripides, und meine Hochachtung fur Euch hab ich offentlich gestanden.

Euripides.

Viel Ehre! Es fragt sich, inwiefern Euch Eure Arbeit berechtigt, von der meinigen Ubels zu reden. Funf Briefe zu schreiben, um Euer Drama, das so mittelma?ig ist, da? ich als kompromittierter Nebenbuhler fast druber eingeschlafen bin, Euern Herrn und Damen nicht allein vorzustreichen, das man noch verzeihen konnte; sondern den guten Euripides als einen verungluckten Mitstreiter hinzustellen, dem Ihr den Rang abgelaufen habt.

Admet.

Ich will's Euch gestehn, Euripides ist auch ein Poet, und ich habe mein Tage die Poeten fur nichts mehr gehalten, als sie sind. Aber ein braver Mensch ist er und unser Landsmann. Es hatte Euch doch sollen bedenklich scheinen, ob der Mann, der geboren wurde, da Griechenland den Xerxes bemeisterte, der ein Freund des Sokrates war, dessen Stucke eine Wirkung auf sein Jahrhundert hatten wie Eure wohl schwerlich, ob der Mann nicht eher die Schatten von Alceste und Admet habe herbeibeschworen konnen als Ihr. Das verdiente einige ahndungsvolle Ehrfurcht. Der zwar Euer ganzes aberweises Jahrhundert von Literatoren nicht fahig ist.

Euripides.

Wenn Eure Stucke einmal so viel Menschen das Leben gerettet haben als meine, dann sollt Ihr auch reden.