G?tz von Berlichingen, стр. 8

Zweiter Akt

Bamberg. Ein Saal

Bischof, Adelheid spielen Schach. Liebetraut mit einer Zither. Frauen, Hofleute um ihn herum am Kamin.

Liebetraut (spielt und singt) .

Mit Pfeilen und Bogen
Cupido geflogen,
Die Fackel in Brand,
Wollt mutilich kriegen
Und mannilich siegen
Mit sturmender Hand.
Auf! Auf!
An! An!
Die Waffen erklirrten,
Die Flugelein schwirrten,
Die Augen entbrannt.
Da fand er die Busen
Ach leider so blo?,
Sie nahmen so willig
Ihn all auf den Scho?.
Er schuttet' die Pfeile
Zum Feuer hinein,
Sie herzten und druckten
Und wiegten ihn ein.
Hei ei o! Popeio!

Adelheid . Ihr seid nicht bei Eurem Spiele. Schach dem Konig!

Bischof . Es ist noch Auskunft.

Adelheid . Lange werdet Ihr's nicht mehr treiben. Schach dem Konig!

Liebetraut . Dies Spiel spielt ich nicht, wenn ich ein gro?er Herr war, und verbot's am Hofe und im ganzen Land.

Adelheid . Es ist wahr, dies Spiel ist ein Probierstein des Gehirns.

Liebetraut . Nicht darum! Ich wollte lieber das Geheul der Totenglocke und ominoser Vogel, lieber das Gebell des knurrischen Hofhunds Gewissen, lieber wollt ich sie durch den tiefsten Schlaf horen, als von Laufern, Springern und andern Bestien das ewige:»Schach dem Konig!»

Bischof . Wem wird auch das einfallen!

Liebetraut . Einem zum Exempel, der schwach ware und ein stark Gewissen hatte, wie denn das meistenteils beisammen ist. Sie nennen's ein koniglich Spiel und sagen, es sei fur einen Konig erfunden worden, der den Erfinder mit einem Meer von Uberflu? belohnt habe. Wenn das wahr ist, so ist mir's, als wenn ich ihn sahe. Er war minorenn an Verstand oder an Jahren, unter der Vormundschaft seiner Mutter oder seiner Frau, hatte Milchhaare im Bart und Flachshaare um die Schlafe, er war so gefallig wie ein Weidenscho?ling und spielte gern Dame und mit den Damen, nicht aus Leidenschaft, behute Gott! nur zum Zeitvertreib. Sein Hofmeister, zu tatig, um ein Gelehrter, zu unlenksam, ein Weltmann zu sein, erfand das Spiel in usum Delphini, das so homogen mit Seiner Majestat war — und so ferner.

Adelheid . Matt! Ihr solltet die Lucken unsrer Geschichtsbucher ausfullen, Liebetraut.

(Sie stehen auf.)

Liebetraut . Die Lucken unsrer Geschlechtsregister, das ware profitabler. Seitdem die Verdienste unserer Vorfahren mit ihren Portrats zu einerlei Gebrauch dienen, die leeren Seiten namlich unsrer Zimmer und unsers Charakters zu tapezieren; da ware was zu verdienen.

Bischof . Er will nicht kommen, sagtet Ihr!

Adelheid . Ich bitt Euch, schlagt's Euch aus dem Sinn.

Bischof . Was das sein mag?

Liebetraut . Was? Die Ursachen lassen sich herunterbeten wie ein Rosenkranz. Er ist in eine Art von Zerknirschung gefallen, von der ich ihn leicht kurieren wollt.

Bischof . Tut das, reitet zu ihm.

Liebetraut . Meinen Auftrag!

Bischof . Er soll unumschrankt sein. Spare nichts, wenn du ihn zuruckbringst.

Liebetraut . Darf ich Euch auch hineinmischen, gnadige Frau?

Adelheid . Mit Bescheidenheit.

Liebetraut . Das ist eine weitlaufige Kommission.

Adelheid . Kennt Ihr mich so wenig, oder seid Ihr so jung, um nicht zu wissen, in welchem Ton Ihr mit Weislingen von mir zu reden habt?

Liebetraut . Im Ton einer Wachtelpfeife, denk ich.

Adelheid . Ihr werdet nie gescheit werden!

Liebetraut . Wird man das, gnadige Frau?

Bischof . Geht, geht. Nehmt das beste Pferd aus meinem Stall, wahlt Euch Knechte, und schafft mir ihn her!

Liebetraut . Wenn ich ihn nicht herbanne, so sagt: ein altes Weib, das Warzen und Sommerflecken vertreibt, verstehe mehr von der Sympathie als ich.

Bischof . Was wird das helfen! Berlichingen hat ihn ganz eingenommen. Wenn er herkommt, wird er wieder fort wollen.

Liebetraut . Wollen, das ist keine Frage, aber ob er kann. Der Handedruck eines Fursten, und das Lacheln einer schonen Frau! Da rei?t sich kein Weisling los. Ich eile und empfehle mich zu Gnaden.

Bischof . Reist wohl.

Adelheid . Adieu.

(Er geht.)

Bischof . Wenn er einmal hier ist, verla? ich mich auf Euch.

Adelheid . Wollt Ihr mich zur Leimstange brauchen?

Bischof . Nicht doch.

Adelheid . Zum Lockvogel denn?

Bischof . Nein, den spielt Liebetraut. Ich bitt Euch, versagt mir nicht, was mir sonst niemand gewahren kann.

Adelheid . Wollen sehn.

Jagsthausen

Hans von Selbitz. Gotz.

Selbitz . Jedermann wird Euch loben, da? Ihr denen von Nurnberg Fehd angekundigt habt.

Gotz . Es hatte mir das Herz abgefressen, wenn ich's ihnen hatte lang schuldig bleiben sollen. Es ist am Tag, sie haben den Bambergern meinen Buben verraten. Sie sollen an mich denken!

Selbitz . Sie haben einen alten Groll gegen Euch.

Gotz . Und ich wider sie; mir ist gar recht, da? sie angefangen haben.

Selbitz . Die Reichsstadte und Pfaffen halten doch von jeher zusammen.

Gotz . Sie haben's Ursach.

Selbitz . Wir wollen ihnen die Holle hei? machen.

Gotz . Ich zahlte auf Euch. Wollte Gott, der Burgemeister von Nurnberg, mit der guldenen Kett um den Hals, kam uns in Wurf, er sollt sich mit all seinem Witz verwundern.

Selbitz . Ich hore, Weislingen ist wieder auf Eurer Seite. Tritt er zu uns?

Gotz . Noch nicht; es hat seine Ursachen, warum er uns noch nicht offentlich Vorschub tun darf; doch ist's eine Weile genug, da? er nicht wider uns ist. Der Pfaff ist ohne ihn, was das Me?gewand ohne den Pfaffen.

Selbitz . Wann ziehen wir aus?

Gotz . Morgen oder ubermorgen. Es kommen nun bald Kaufleute von Bamberg und Nurnberg aus der Frankfurter Messe. Wir werden einen guten Fang tun.

Selbitz . Will's Gott. (Ab.)

Bamberg. Zimmer der Adelheid

Adelheid. Kammerfraulein.

Adelheid . Er ist da! sagst du. Ich glaub es kaum.

Fraulein . Wenn ich ihn nicht selbst gesehn hatte, wurd ich sagen, ich zweifle.

Adelheid . Den Liebetraut mag der Bischof in Gold einfassen: er hat ein Meisterstuck gemacht.

Fraulein . Ich sah ihn, wie er zum Schlo? hereinreiten wollte, er sa? auf einem Schimmel. Das Pferd scheute, wie's an die Brucke kam, und wollte nicht von der Stelle. Das Volk war aus allen Stra?en gelaufen, ihn zu sehn. Sie freuten sich uber des Pferds Unart. Von allen Seiten ward er gegru?t, und er dankte allen. Mit einer angenehmen Gleichgultigkeit sa? er droben, und mit Schmeicheln und Drohen bracht er es endlich zum Tor herein, der Liebetraut mit, und wenig Knechte.

Adelheid . Wie gefallt er dir?

Fraulein . Wie mir nicht leicht ein Mann gefallen hat. Er glich dem Kaiser hier (deutet auf Maximilians Portrat), als wenn er sein Sohn ware. Die Nase nur etwas kleiner, ebenso freundliche lichtbraune Augen, ebenso ein blondes schones Haar, und gewachsen wie eine Puppe. Ein halb trauriger Zug auf seinem Gesicht — ich wei? nicht — gefiel mir so wohl!

Adelheid . Ich bin neugierig, ihn zu sehen.

Fraulein . Das war ein Herr fur Euch.

Adelheid . Narrin!

Fraulein . Kinder und Narren —

(Liebetraut kommt.)

Liebetraut . Nun, gnadige Frau, was verdien ich?

Adelheid . Horner von deinem Weibe. Denn nach dem zu rechnen, habt Ihr schon manches Nachbars ehrliches Hausweib aus ihrer Pflicht hinausgeschwatzt.

Liebetraut . Nicht doch, gnadige Frau! Auf ihre Pflicht, wollt Ihr sagen; denn wenn's ja geschah, schwatzt ich sie auf ihres Mannes Bette.

Adelheid . Wie habt Ihr's gemacht, ihn herzubringen?

Liebetraut . Ihr wi?t zu gut, wie man Schnepfen fangt; soll ich Euch meine Kunststuckchen noch dazu lehren? — Erst tat ich, als wu?t ich nichts, verstund nichts von seiner Auffuhrung, und setzt ihn dadurch in den Nachteil, die ganze Historie zu erzahlen. Die sah ich nun gleich von einer ganz andern Seite an als er, konnte nicht finden — nicht einsehen — und so weiter. Dann redete ich von Bamberg allerlei durcheinander, Gro?es und Kleines, erweckte gewisse alte Erinnerungen, und wie ich seine Einbildungskraft beschaftigt hatte, knupfte ich wirklich eine Menge Fadchen wieder an, die ich zerrissen fand. Er wu?te nicht, wie ihm geschah, fuhlte einen neuen Zug nach Bamberg, er wollte — ohne zu wollen. Wie er nun in sein Herz ging und das zu entwickeln suchte, und viel zu sehr mit sich beschaftigt war, um auf sich achtzugeben, warf ich ihm ein Seil um den Hals, aus drei machtigen Stricken, Weiber-, Furstengunst und Schmeichelei, gedreht, und so hab ich ihn hergeschleppt.

Adelheid . Was sagtet Ihr von mir?

Liebetraut . Die lautre Wahrheit. Ihr hattet wegen Eurer Guter Verdrie?lichkeiten — hattet gehofft, da er beim Kaiser so viel gelte, werde er das leicht enden konnen.

Adelheid . Wohl.

Liebetraut . Der Bischof wird ihn Euch bringen.

Adelheid . Ich erwarte sie. (Liebetraut ab.) Mit einem Herzen, wie ich selten Besuch erwarte.

Im Spessart

Berlichingen. Selbitz. Georg als Reitersknecht.

Gotz . Du hast ihn nicht angetroffen, Georg!

Georg . Er war tags vorher mit Liebetraut nach Bamberg geritten und zwei Knechte mit.

Gotz . Ich seh nicht ein, was das geben soll.

Selbitz . Ich wohl. Eure Versohnung war ein wenig zu schnell, als da? sie dauerhaft hatte sein sollen. Der Liebetraut ist ein pfiffiger Kerl; von dem hat er sich beschwatzen lassen.

Gotz . Glaubst du, da? er bundbruchig werden wird?

Selbitz . Der erste Schritt ist getan.

Gotz . Ich glaub's nicht. Wer wei?, wie notig es war, an Hof zu gehen; man ist ihm noch schuldig; wir wollen das Beste hoffen.