Harry Potter und der Stein der Weisen, стр. 13

»Schon besser so«, sagte Hagrid schwer atmend und setzte sich aufs Sofa zuruck, das sich diesmal bis auf den Boden durchbog.

Harry lagen unterdessen immer noch Fragen auf der Zunge, hunderte von Fragen.

»Aber was geschah mit Vol-, 'tschuldigung – ich meine Du-wei?t-schon-wer?«

»Gute Frage, Harry. Ist verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Noch in der Nacht als er versucht hat, dich zu toten. Macht dich noch beruhmter. Das ist das gro?te Geheimnis, wei?t du… Er wurde immer machtiger – warum hatte er gehen sollen?

Manche sagen, er sei gestorben. Stu?, wenn du mich fragst. Wei? nicht, ob er noch genug Menschliches in sich hatte, um sterben zu konnen. Manche sagen, er sei immer noch irgendwo dort drau?en und warte nur auf den rechten Augenblick, aber das glaub ich nicht. Leute, die auf seiner Seite waren, sind zu uns zuruckgekommen. Manche sind aus einer Art Trance erwacht. Glaub nicht, da? sie es geschafft hatten, wenn er vorgehabt hatte zuruckzukommen.

Die meisten von uns denken, da? er immer noch irgendwo da drau?en ist, aber seine Macht verloren hat. Zu schwach, um weiterzumachen. Denn etwas an dir, Harry, hat ihm den Garaus gemacht. In jener Nacht geschah etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte – wei? nicht, was es war, keiner wei? es -, aber etwas an dir hat er nicht gepackt, und das war7s.«

Hagrid betrachtete Harry voller Warme und Hochachtung, doch Harry fuhlte sich nicht froh und stolz deswegen, sondern war sich ganz sicher, da? es sich hier um einen furchterlichen Irrtum handeln mu?te. Ein Zauberer? Er? Wie sollte das moglich sein? Sein Leben lang hatte er unter den Schlagen Dudleys gelitten und war von Tante Petunia und Onkel Vernon schikaniert worden; wenn er wirklich ein Zauberer war, warum hatten sie sich nicht jedes Mal, wenn sie versucht hatten, ihn in den Schrank einzuschlie?en, in warzige Kroten verwandelt? Wenn er einst den gro?ten Hexer der Welt besiegt hatte, wie konnte ihn dann Dudley immer herumkicken wie einen Fu?ball?

»Hagrid«, sagte er leise,»du mu?t einen Fehler gemacht haben. Ich kann unmoglich ein Zauberer sein.«

Zu seiner Uberraschung gluckste Hagrid.

»Kein Zauberer, was? Nie Dinge geschehen lassen, wenn du Angst hattest oder wutend warst?«

Harry blickte ins Feuer. Nun, da er daruber nachdachte… Alle seltsamen Dinge, die Onkel und Tante auf die Palme gebracht hatten, waren geschehen, als er, Harry, aufgebracht oder zornig gewesen war… Auf der Flucht vor Dudleys Bande war er manchmal einfach nicht zu fassen gewesen… Manchmal, wenn er mit diesem lacherlichen Haarschnitt partout nicht hatte zur Schule gehen wollen, hatte er es geschafft, da? sein Haar rasch nachwuchs… Und das letzte Mal, als Dudley ihn gesto?en hatte, da hatte er doch seine Rache bekommen, ohne auch nur zu wissen, was er tat? Hatte er nicht eine Boa constrictor auf ihn losgelassen?

Harry wandte sich erneut Hagrid zu und lachelte, und er sah, da? Hagrid ihn geradezu anstrahlte.

»Siehst du?« e sagte Hagrid. »Harry Potter und kein Zauberer – wart nur ab, und du wirst noch ganz beruhmt in Hogwarts.«

Doch Onkel Vernon wurde nicht kampflos aufgeben.

»Hab ich Ihnen nicht gesagt, der Junge bleibt hier?«, zischte er. »Er geht auf die Stonewall High und wird dafur dankbar sein. Ich habe diese Briefe gelesen, und er braucht allen moglichen Nonsens – und Zauberspruchfibeln und Zauberstabe und -«

»Wenn er gehen will, wird ihn ein gro?er Muggel wie du nicht aufhalten konnen«, knurrte Hagrid. »Lily und James Potters Sohn von Hogwarts fernhalten! Du bist ja verruckt. Sein Name ist vorgemerkt, schon seit seiner Geburt. Er geht bald auf die beste Schule fur Hexerei und Zauberei auf der ganzen Welt. Nach sieben Jahren dort wird er sich nicht mehr wiedererkennen. Er wird dort mit jungen Leuten seinesgleichen zusammen sein, zur Abwechslung mal, und er wird unter dem gro?ten Schulleiter lernen, den Hogwarts je gesehen hat, Albus Dumbled-«

»ICH BEZAHLE KEINEN HIRNRISSIGEN ALTEN DUMMKOPF, DAMIT ER IHM ZAUBERTRICKS BEIBRINGT!«, schrie Onkel Vernon.

Doch nun war er endgultig zu weit gegangen. Hagrid packte den Schirm, schwang ihn uber seinem Kopf hin und her und polterte:»BELEIDIGE NIE – ALBUS DUMBLEDORE – IN MEINER GEGENWART!«

Pfeifend sauste der Schirm herunter, bis die Spitze auf Dudley gerichtet war – ein Blitz aus violettem Licht, ein Gerausch wie das Knallen eines Feuerwerkskorpers, ein schrilles Kreischen – und schon begann Dudley einen Tanz aufzufuhren, mit den Handen auf dem dicken Hintern und heulend vor Schmerz. Gerade, als er ihnen den Rucken zuwandte, sah Harry ein geringeltes Schweineschwanzchen durch ein Loch in seiner Hose hervorpurzeln.

Onkel Vernon tobte. Er zog Tante Petunia und Dudley in den anderen Raum, warf Hagrid einen letzten, angsterfullten Blick zu und schlug die Tur hinter sich zu.

Hagrid sah auf den Schirm hinab und strich sich uber den Bart.

»Hatt die Beherrschung nicht verlieren durfen«, sagte er reuevoll,»aber es hat ohnehin nicht geklappt. Wollte ihn in ein Schwein verwandeln, aber ich denke, er war einem Schwein so ahnlich, da? es nicht mehr viel zu tun gab.«

Unter seinen buschigen Augenbrauen hervor blickte er Harry von der Seite an.

»War dir dankbar, wenn du das niemandem in Hogwarts erzahlst«, sagte er. »Ich – ahm – soll eigentlich nicht herumzaubern, um es genau zu nehmen. Ich durfte ein wenig, um dir zu folgen und um dir die Briefe zu bringen und – einer der Grunde, warum ich so scharf auf diesen Job war -«

»Warum sollst du nicht zaubern?«

»Nun ja – ich war selbst in Hogwarts, doch ich – ahm – man hat mich rausgeworfen, um dir die Wahrheit zu sagen. Im dritten Jahr. Sie haben meinen Zauberstab zerbrochen und alles. Doch Dumbledore hat mich als Wildhuter dabehalten. Gro?artiger Mann, Dumbledore.«

»Warum hat man dich rausgeworfen?«

»Es wird spat und wir haben morgen viel zu erledigen«, sagte Hagrid laut. »Mussen hoch in die Stadt und dir alle Bucher und Sachen besorgen.«

Er nahm seinen dicken schwarzen Umhang ab und warf ihn Harry zu.

»Kannst drunter pennen«, sagte er. »Mach dir nichts draus, wenn's dadrin ein wenig zappelt, ich glaub, ich hab immer noch ein paar Haselmause in den Taschen.«

In der Winkelgasse

Am nachsten Morgen wachte Harry fruh auf Er wu?te zwar, da? es drau?en schon hell war, doch er hielt die Augen fest geschlossen.

»Es war ein Traum«, sagte er sich entschlossen. »Ich habe von einem Riesen namens Hagrid getraumt, der mir erklart hat, von nun an werde ich eine Schule fur Zauberer besuchen. Wenn ich aufwache, bin ich zu Hause in meinem Schrank.«

Plotzlich horte er ein lautes, tappendes Gerausch.

»Und das ist Tante Petunia, die an die Tur klopft«, dachte Harry und das Herz wurde ihm schwer. Doch die Augen hielt er weiter geschlossen. Ein schoner Traum war es gewesen.

Tapp. Tapp. Tapp.

»Schon gut«, murmelte Harry,»Ich steh ja schon auf«

Er richtete sich auf und Hagrids schwerer Umhang fiel von seinen Schultern. Sonnenlicht durchflutete die Hutte, der Sturm hatte sich gelegt. Hagrid selbst schlief auf dem zusammengebrochenen Sofa, und eine Eule, eine Zeitung in den Schnabel geklemmt, tappte mit ihrer Kralle gegen das Fenster.

Harry rappelte sich auf Er war so glucklich, da? es ihm vorkam, als wurde in seinem Innern ein gro?er Ballon anschwellen. Schnurstracks lief er zum Fenster und ri? es auf. Die Eule schwebte herein und lie? die Zeitung auf Hagrids Bauch fallen. Er schlief jedoch munter weiter. Die Eule flatterte auf den Boden und begann auf Hagrids Umhang herumzupicken.

»La? das.«

Harry versuchte die Eule wegzuscheuchen, doch sie hackte wutend nach ihm und fuhr fort, den Umhang zu zerfetzen.

»Hagrid!«, sagte Harry laut. »Da ist eine Eule -«

»Bezahl sie«, grunzte Hagrid in das Sofa.

»Was?«

»Sie will ihren Lohn furs Zeitungausfliegen. Schau in meinen Taschen nach.«