Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung, стр. 66

Er sagte:»Ich wu?te, da? wir es schaffen!«, und spurte neben sich Alldays trostliche Nahe. Aber es hatte viele Tote gegeben.

«Signal von Nicator, Sir!«meldete Jenour heiser.

Bolitho hob dankend die Hand. Zum Gluck war auch Jenour unverwundet geblieben. Black Prince hatte drei Breitseiten abgefeuert, noch ehe der Feind schwach dagegenhielt. Und dann war es fur ihn zu spat gewesen.

«Nicator soll zum Konvoi aufschlie?en«, befahl er.»Und sie soll den franzosischen Prisenbesatzungen eindeutig klarmachen: Falls sie die Schiffe versenken, durfen sie selbst nach Hause schwimmen. «Er horte die Manner zustimmend murmeln. Am liebsten hatten sie wohl jeden einzelnen franzosischen Gefangenen an der nachsten Rah aufgeknupft, aus Wut uber das Gemetzel im Konvoi. Das war der Irrsinn des Krieges: Der Sieger mu?te die verletzen oder toten, die ihm zuvor Angst gemacht hatten.

Bolitho dachte an Ozzard. Der hatte die San Mateo erkannt, die die Hyperion so brutal zerstort hatte. Das Schiff war's doch wohl nicht gewesen, sondern die Besatzung — oder? Ihm wurde immer noch ubel, wenn er daran dachte, wie die San Mateo ihre Breitseiten in die Hyperion gefeuert hatte, ohne Rucksicht auf ihre eigenen Gefahrten, die sich nicht mehr bewegen konnten. Nein, Ozzard hatte recht: Es war doch das Schiff, nicht die Besatzung.

Keen trat zu ihm, und Bolitho ri? sich zusammen.»Hat Benbow die Flagge gestrichen?»

«Nein. Ihr Ruder ist weggeschossen. Ihre Kanonen schweigen. Es hat druben ein Blutbad gegeben.»

«Ein Fernglas!«Als Bolitho damit Herricks Flaggschiff absuchte, war er entsetzt. Ohne jede Bewegung lag es schwer im Wasser, Masten und Rigg hingen zu beiden Seiten uber Bord. Dunne rote Faden rannen aus den Speigatten uber die zerschossene Bordwand auf ihr stilles Spiegelbild herab. Das sah aus, als verblute das Schiff. Bolithos Herz schlug heftiger, als er die zerschossene Flagge von der Poop hangen sah, wo sie irgendjemand festgenagelt haben mu?te. Die Handelsschiffe des Konvois trieben hinter der Benbow. Zuschauer, Opfer, die hilflos auf das Ende warteten.

Scharf befahl Bolitho:»Machen Sie alle Kanonen feuerklar, Kapitan Keen!«Niemand antwortete ihm, weil jeder den Atem anhielt.»Wenn die Franzosen die Flagge nicht streichen, mussen sie sterben!«Er drehte sich um.»Ist das klar?»

«Die Larne nahert sich!«Noch einer, der nicht gefallen war: Bosanquet. Vielleicht verhinderte seine Meldung Schlimmeres.

Bolitho sagte:»Lassen Sie meine Barkasse zu Wasser und bitten Sie den Schiffsarzt zu mir. Die Benbow braucht Hilfe. Der Erste Offizier soll mich begleiten!«Kopfschuttelnd erinnerte er sich und ging auf Keen zu.»Tut mir leid, Val, ich habe nicht mehr daran gedacht.»

Cazalet war im ersten Schu?wechsel gefallen. Eine Kugel hatte ihn fast zerteilt, als er Manner zu Reparaturen im Rigg nach oben schickte.

Wieder ertonten Hurrarufe und nahmen schier kein Ende. Wie gro?e fallende Blatter sanken die Flaggen aus dem Rigg der San Mateo herab. Die Stuckmannschaften traten von ihren Kanonen zuruck.

«Sie hat die Flagge gestrichen«, sagte Keen erleichtert. Man merkte ihm an, da? er die Beschie?ung nicht gern fortgesetzt hatte.

Die Barkasse wurde ubers Schanzkleid ausgeschwenkt und langsam zu Wasser gelassen.

«Wir sind soweit, Sir Richard. «Keen sah ihn forschend an.»Soll ich Ihren Mantel holen?»

Bolitho drehte sich um und kniff die Augen zusammen, als ihn ein Sonnenstrahl traf.»Ich brauche ihn nicht.»

Julyan, der Master, rief fragend:»Und Ihren Hut, Sir?«Man horte ihm an, wie erleichtert er war. Viele waren gefallen, er nicht. Wieder einmal hatte er uberlebt, und wieder war es ein Schritt nach oben.

Durch den Rauch sah Bolitho ihn forschend an.»Sie haben doch einen Sohn, nicht wahr? Schenken Sie ihm den Hut. «Schnell schritt er zur Pforte.»La?t uns aufbrechen!»

Die Uberfahrt zur Benbow verlief schweigend. Nur das Quietschen der Riemen in den Dollen und das Keuchen der Rudergasten waren zu horen. Als der gro?e Schatten des zerschossenen Rumpfes uber ihnen hing, fragte sich Bolitho, ob er noch die Kraft fur die nachsten Minuten aufbringen wurde. Hilfesuchend beruhrte er das Medaillon unter seinem Hemd.

Vor allen anderen kletterte er an Bord. Von der Gangway bis zur Wasserlinie war die Benbow mit Einschu?lochern ubersat. Ihr Rigg trieb in der See. Tote hatten sich darin verfangen wie Tang. Aus einigen Stuckpforten starrten hohlaugige, bleiche Gesichter, aus anderen hingen Leichen.

Das Achterdeck wirkte ohne den Schutz von Kreuz- und Gro?mast nackt und leer. Bolitho horte den Schiffsarzt der Black Prince Befehle geben, er war in einem zweiten Boot langsseits gekommen. Doch auf der Poop war Bolitho ganz allein.

Um das zerschossene Rad lagen die toten Ruderganger wie blutige Stoffbundel, ihre Gesichter druckten noch das Entsetzen und die Wut uber ihren gewaltsamen Tod aus. Ein Bootsmannsgehilfe hatte offenbar gerade versucht, dem Flaggleutnant das verletzte Bein zu verbinden, als eine Kartatsche sie beide niedergemaht hatte. Ein Signalgast lag auf einer Flagge, die er hatte hei?en wollen. Die Flaggleine war gerissen, als der Mast uber Bord gesturzt war. Am Kompa?hauschen lehnte mit angewinkeltem Bein Herrick und war kaum noch bei Bewu?tsein.

Er wedelte mit einer Pistole und neigte lauschend den Kopf, als sei sein Trommelfell zerrissen.»Seesoldaten zu mir!«krachzte er.»Der Feind flieht. Zielt gut, Freunde!»

Allday flusterte:»Guter Gott, seht euch das an!»

Herricks Seesoldaten bewegten sich nicht mehr. Sie lagen, vom Sergeanten bis zum Rekruten, wie umgefallene Spielzeugsoldaten da, ihre Bajonette auf einen unsichtbaren Feind gerichtet.

Bolitho stieg uber einen ausgestreckten Arm in scharlachroter Uniform, nahm Herrick die Pistole sanft aus der Hand und gab sie Allday; dieser merkte erschreckt, da? sie geladen und gespannt war.

«Wir sind da, Thomas, und helfen euch. «Bolitho hob Herricks Arm und wartete, bis seine Augen ihn erkannten.»Horst du die Hurrarufe? Das Gefecht ist vorbei — der Sieg ist unser.»

Herrick lie? sich aufhelfen. Er starrte das zersplitterte Deck an, die verlassenen Kanonen und die Toten. Wie von weit weg sagte er:»Also bist du doch noch gekommen, Richard. «Der Schock des Gefechts und die Erschopfung hatten bewirkt, da? er kaum noch wu?te, was er sagte.»Wieder ein Sieg fur dich!»

Bolitho erhob sich und bat den Schiffsarzt:»Bitte kummern Sie sich um den Konteradmiral. «Der Wind wuhlte im Haar des toten Sergeanten, seine Augen blickten so starr, als hore er aufmerksam zu. Bolithos Blicke glitten uber die lange Reihe wartender Schiffe.

«Das stimmt nicht ganz, Thomas. Gesiegt hat hier allein der Tod.»

Epilog

Das Tag und Nacht andauernde Bombardement Kopenhagens brachte das erwartete Ergebnis: Am 5. September schickte der Gouverneur der Stadt, General Peyman, einen Parlamentar mit wei?er Flagge. Uber die Bedingungen wurde man sich noch einigen, wenn moglich den tapferen Verteidigern ihre Ehre lassen, doch die Kampfe gingen zu Ende.

Wahrend Bolitho und seine Manner ihre Prisen ubernahmen und sich um die Toten und Verwundeten kummerten, im Konvoi und auf den eroberten franzosischen Schiffen, wurden in Kopenhagen die Bedingungen ausgehandelt. Voraussetzung fur den Waffenstillstand war die Ubergabe aller danischen Schiffe samt Ersatzteilen und Vorraten. Alle Schiffe, an denen gerade gebaut wurde, mu?ten aus den Werften entfernt werden. Lord Cathcarts Truppen wurden die Zitadelle und die anderen Festungen sechs Wochen lang besetzt halten, bis die Flotte ubergeben war. Man zweifelte anfangs daran, da? die englische Marine diese Aufgabe trotz ihrer Erfahrung und ihres Konnens in so kurzer Zeit uberhaupt bewaltigen konnte, doch selbst die gro?ten Zweifler mu?ten die Flotte schlie?lich bewundern und stolz ihre Leistung anerkennen.