Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung, стр. 5

Bolitho trat an die Finknetze und beschattete seine Augen, um ein paar Mowen zu beobachten. Dann wandte er den Kopf und hielt den Atem an. Die Sonne war zwar stark, blendete aber noch nicht genug, um. Er zogerte, starrte zur glitzernden Kimm. Nichts geschah. Kein Nebel stieg auf wie ein boser Geist und trubte sein linkes Auge. Er atmete auf.

Allday bemerkte Bolithos Reaktion und freute sich. Das Gesicht des Vizeadmirals hatte ausgesehen wie das eines Mannes auf dem Schafott, der im letzten Augenblick begnadigt worden war.

«An Deck!«Alle Gesichter wandten sich nach oben.»Segel an Steuerbord achteraus!»

Scharf befahl Poland:»Mr. Williams, entern Sie auf und nehmen Sie ein Fernglas mit nach oben!»

Der Erste nahm dem Midshipman der Wache das Teleskop ab und kletterte in den Wanten des Gro?masts zum Krahennest hinauf. Truculents Leinwand blahte sich kaum, doch die Bramsegel des fremden Schiffes schienen sich ihnen auf konvergierendem Kurs mit gro?er Schnelligkeit zu nahern. Bolitho hatte das oft beobachtet: Im selben Seegebiet hing das eine Schiff in der Flaute fest, wahrend das andere mit vollen Segeln dahinsturmte.

Poland sah Bolitho ausdruckslos an, aber seine Hande offneten und schlossen sich an seiner Seite und verrieten seine Erregung.»Soll ich klar zum Gefecht machen, Sir Richard?»

Bolitho hob das Teleskop. Eine ungewohnliche Peilung. Wahrscheinlich gehorte der Ankommling nicht zum ortlichen Geschwader.»Wir lassen uns noch Zeit, Kapitan Poland. Zweifellos konnen Sie die Kanonen in weniger als zehn Minuten ausrennen lassen, wenn es sein mu?. «Poland errotete.»Ich — also, Sir Richard. «Er nickte energisch.»In weniger, ganz bestimmt.»

Bolitho richtete das Glas sorgsam aus, konnte aber nur die Mastspitzen des Ankommlings erkennen. Er sah die Peilung auswandern, weil der andere Kurs anderte, als wolle er sich auf die Truculent sturzen.

Leutnant Williams rief aus dem Krahennest:»Fregatte, Sir!»

Bolitho sah winzige Farbflecken uber dem fremden Schiff aufsteigen, als dort ein Flaggensignal gehi?t wurde. Williams rief die Kennziffern nach unten. Poland konnte sich nur mit Muhe davon zuruckhalten, dem Midshipman das Signalbuch aus den Handen zu rei?en.

Der Junge stotterte:»Es ist die Zest, Sir. Vierundvierzig Kanonen. Unter Kapitan Varian.»

Poland murmelte:»Oh, ich wei?, wer er ist. Antwortet mit unserer Kennung — schnell!»

Bolitho senkte das Glas und beobachtete die beiden Gesichter. Das des Midshipman war verwirrt, fast verangstigt. Noch vor wenigen Minuten hatte er den ersten Hugel des ersehnten Landes gesehen, das sich aus dem Seedunst hob, und im nachsten Augenblick war das alles unwichtig geworden, und die Aussicht auf einen unerwarteten Feind, vielleicht sogar auf den Tod, lag vor ihm. Das andere Gesicht war das Polands. Wer Varian auch sein mochte, er war bestimmt nicht sein Freund und ohne Zweifel ranghoher, da er ein Vierundvierzig-Kanonen-Schiff befehligte.

Leutnant Munro hockte in den Wanten, die Beine um die Webleinen gehakt, achtete nicht auf den Teer, der seine wei?e Kniehose befleckte, und hatte sogar seinen Fruhstuckshunger vergessen.»Signal, Sir: Kommandant wird an Bord gebeten«, meldete er.

Bolitho sah die plotzliche Niedergeschlagenheit in Polands Gesicht. Nach dieser bemerkenswert schnellen Reise von England, ohne Verlust oder Verletzung eines einzigen Mannes an Bord, wirkte diese Arroganz auf ihn wie ein Schlag ins Gesicht.

«Mr. Jenour zu mir, bitte. «Bolitho sah den Flaggleutnant ahnungsvoll lacheln.»Ich nehme an, Sie haben meine Flagge in Verwahrung?»

Diesmal konnte Jenour das Grinsen nicht zuruckhalten.»Aye, aye, Sir!«Er rannte fast vom Achterdeck.

Bolitho sah, wie die gro?e Segelpyramide der anderen Fregatte sich uber dem funkelnden Wasser hob und senkte. Was er vorhatte, war vielleicht kindisch — aber Poland hatte es verdient.

«Kapitan Poland, um der guten Ordnung willen: Ihr Schiff steht nicht nur unter Ihrem Kommando. «Er sah, wie auf Polands angespanntem Gesicht die Niedergeschlagenheit dem Begreifen wich.»Signalisieren Sie bitte an Zest, und machen Sie es Kapitan Varian unmi?verstandlich klar: >Sie haben den Vortritt<.»

Poland blickte hoch, als Bolithos Admiralsflagge im Fockmasttopp auswehte. Dann gestikulierte er ungeduldig zu den Signalgasten hinuber, die fieberhaft ihre bunten Signalflaggen ordneten.

Jenour trat zu Munro, als der wieder an Deck sprang.»Sie wollten doch wissen, wie der wahre Bolitho aussieht«, sagte er.»Zum Beispiel duldet er nicht, da? man seinen Mannern mit Mi?achtung begegnet. «Nicht einmal einem Streber wie Poland, hatte er fast hinzugefugt.

Bolitho sah die Teleskope auf der anderen Fregatte das Sonnenlicht reflektieren. Zests Kommandant konnte nichts von Bolithos Auftrag wissen, niemand konnte das. Er bi? die Zahne zusammen. Aber nun waren sie alle gewarnt.

II Erinnerung an Nelson

«Bitte, glauben Sie mir, Sir Richard, eine Respektlosigkeit war nicht beabsichtigt.»

Bolitho stand am gro?en Kajutfenster und horte das Schlagen der Blocke und das Platschern der Wellen. Die Truculent lag beigedreht. Ihre Unterredung mu?te kurz sein, denn der Wind wurde bald wieder auffrischen, wie der Master vorhergesagt hatte. Die andere Fregatte sah er nicht, sie lag wohl in Lee.

Er setzte sich auf die Bank unter dem Fenster und deutete auf einen Stuhl.»Eine Tasse Kaffee, Kapitan Varian?«Er horte Ozzards leise Schritte, der mit der Kanne herbeikam. So hatte Bolitho Zeit, seinen Gast genauer zu betrachten.

Kapitan Varian war das genaue Gegenteil von Poland: sehr gro?, breitschultrig und selbstsicher. Wie sich Landratten wahrscheinlich Fregattenkapitane vorstellten.

«Ich brannte eben auf Neuigkeiten, Sir Richard«, fuhr Varian fort.»Da sah ich dieses Schiff und. «Er hob seine gro?en Hande und versuchte, entwaffnend zu lacheln.

Bolitho musterte ihn unbewegt.»Da? ein Kommandant der Kanalflotte kaum Zeit zum Ubersetzen haben durfte, ist Ihnen nicht eingefallen? Sie hatten doch leicht auf Rufweite herankommen konnen.»

Ozzard go? Kaffee ein und starrte an dem Besucher vorbei.

«Ich hab' eben nicht nachgedacht«, nickte Varian.»Aber da? gerade Sie hier sind, Sir Richard, der doch sicher woanders dringend gebraucht wird…«Das Lacheln blieb, der Blick wurde hart.

Das ist kein Mann, mit dem man sich streitet, jedenfalls nicht als Untergebener, dachte Bolitho.»Sie werden sofort auf Ihr Schiff zuruckkehren, Kapitan«, sagte er.»Aber vorher bitte ich um Ihre Beurteilung der Lage. «Er trank einen Schluck hei?en Kaffee. Was ist blo? los mit mir? dachte er. Warum bin ich so kurz angebunden? Als junger Kommandant hatte er doch genauso gehandelt. Tausend Meilen von zu Hause monatelang warten und dann ein befreundetes Schiff treffen.»Ich habe neue Befehle auch fur Sie«, schlo? er.

Varian sah ihn aufmerksam an.»Sie wissen, Sir Richard, der gro?te Teil von Heer und Marine fur die Ruckeroberung von Kapstadt ist bereits hier. Das Geschwader ankert nordwestlich von hier vor der Saldanhabucht. Sir David Baird befehligt die Truppen, Commodore Popham die Transporter und Begleitschiffe. Wie ich horte, soll die Landung bald beginnen. «Er verstummte unter Bolithos festem Blick.

«Sie gehoren zur Einsatzreserve. «Bei dieser Feststellung zuckte Varian mit den Schultern und schob seine Tasse auf dem Tisch hin und her.

«Jawohl, Sir Richard. Ich erwarte aber noch einige Schiffe. «Als Bolitho schwieg, fuhr er fort:»Wir beobachteten das Kap und sahen Ihre Segel. Da nahm ich an, Sie seien vom Kurs abgekommen.»

«Warum hat Ihr Vorgesetzter, Commodore Warren, Sie dazu abgestellt? Zest ist doch seine wichtigste Fregatte, deren Hilfe er jederzeit brauchen kann. «Bolitho erinnerte sich an Commodore Warren wie an ein verbla?tes Bild. Er hatte mit ihm vor Toulon zu tun gehabt. Damals wollten franzosische Konigstreue den Hafen der Revolutionsarmee wieder abnehmen, und Bolitho war zum ersten Mal Kommandant der Hyperion gewesen. Seither hatte er Warren nicht mehr getroffen, hatte nur gehort, da? er in der Karibik Dienst tat.