Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung, стр. 26

Wenn er um die Mittagszeit oben erschien, beobachtete er den Master, der die Midshipmen an Karte und Sextant unterrichtete. Und er sah ins Logbuch, zahlte die Tage und Etmale. Poland vermutete dahinter wortlose Kritik. Als Bolitho einmal Jenour wegen einer Kleinigkeit anfuhr, entschuldigte er sich hinterher:»Die Untatigkeit bringt mich noch um, Stephen. «Gereizt starrte er auf die leere See hinaus. In seinen Traumen war Catherine bei ihm. Doch immer wieder tauchte eine Hand auf, die sie wegzerrte, ohne da? sie sich dagegen wehren konnte.

Sieben Wochen und zwei Tage, nachdem sie den Tafelberg verlassen hatten, fuhr er in der Morgendammerung hoch, weil Allday an seiner Koje stand, einen dampfenden Becher Kaffee in der Hand.»Was ist los?«fragte er und folgte Allday in die Kajute.

Drau?en vor den Heckfenstern glitzerte die See hart und grau wie poliertes Zinn. Allday deutete aus dem seitlichen Fenster.»Ich wei?, es ist noch sehr fruh, die Morgenwache ist gerade erst aufgezogen. Aber ich dachte, ich sollte Sie trotzdem wecken.»

Bolitho rieb mit dem Armel die Scheibe sauber. Keine brennende Sonne, kein bei?endes Morgenlicht. Aus dem hasigen Grau an Backbord schalte sich Land, Brecher leckten an Felsen hoch. Ihr fernes Rumoren blieb unhorbar.

«Du wei?t, wo wir sind, alter Freund? Ein perfekter Landfall! Um acht Glasen werden wir Falmouth querab haben.»

Er schritt in der Kajute auf und ab, dankbar dafur, da? Allday ihn geweckt hatte und er horen konnte, wie der Mann im Ausguck laut aussang:»Land in Lee!«Es war nicht irgendein Stuck Land, sondern Cornwall, das Kap Lizzard. Catherine wurde jetzt wohl noch schlafen, ahnungslos, da? Bolitho ihr so nahe war.

Allday holte die Kanne.»Noch etwas Kaffee?»

Er wurde nicht gehort. Bolitho hatte das Medaillon geoffnet und starrte auf Catherines Bild nieder. Grau sickerte der Morgen in die Kajute.

In der kleinen Kammer schlief Ozzard auf dem Boden, einen Arm uber das Brandyfa?chen gehakt. Vorsichtig schob Allday ihn zur Seite, hielt den Becher unter den Hahn und fullte ihn. Endlich wieder zu Hause! Darauf konnte man schon einen Becher Brandy leeren.

An Deck schrillten die Pfeifen und rissen die Besatzung in den neuen Arbeitstag.

Es wurde wirklich Zeit, da? sie heimkamen.

VIII Im Mondlicht

Bryan Ferguson wischte sich Schwei? von der Stirn und lehnte sich gegen den Zaunubertritt, bis er wieder ruhiger atmete. Der Seewind konnte nichts ausrichten gegen die starke Sonne, die auf Pendennis Castle niederbrannte und sich so grell auf dem Wasser spiegelte, da? man nicht lange aufs Meer schauen konnte.

Hier konnte er gar nicht oft genug stehen und den Ausblick genie?en. Er lachelte. Seit zwanzig Jahren schon war er Bolithos Gutsverwalter — wirklich so lange? Das Haus lag hinter ihm am Hang eines Hugels, uber den sich Acker hinzogen, deren Rander von Feldblumen uberquollen. Das hohe Gras daneben wogte wie Wellen im Wind. Er kniff die Augen zusammen. Ein Pfad fuhrte an der Klippe nach unten zum Strand, und auf halber Hohe stand dort die Frau an einer Biegung, an einem scharfen Knick, der gefahrlich war des nachts oder wenn man ausrutschte. Dann ware man unten nur noch tot angekommen.

Die Lady hatte ihn gebeten, oben beim Zaun zu bleiben. Wollte sie, da? er Atem schopfte, oder wollte sie allein sein? Bewundernd schaute er auf sie hinunter. Ihr Haar, nur locker zusammengebunden, wehte im Wind, der ihr das Kleid an den Korper pre?te. Sie sah aus wie eine Fee aus alten kornischen Sagen.

Bolithos Bedienstete hatten Catherine nur zogernd angenommen, doch mit niemandem im Ort uber ihren Status getratscht. Inzwischen war jeder bereit, sie so zu schutzen, wie es Bolitho angeordnet hatte. Allerdings hatten Ferguson und seine Frau, die den Haushalt fuhrte, erwartet, da? Bolithos Lady sich fernhielt von der Bewirtschaftung des Gutes. Doch kaum war sie nach Bolithos Abschied aus Portsmouth zuruckgekehrt, hatte sie gro?es Interesse an allem geau?ert, dabei jedoch immer gefragt, nie Befehle gegeben. Lady Belinda hatte es fruher genau umgekehrt gemacht.

Catherine war mit Ferguson sogar zu den umliegenden Katen geritten, die zum Gut gehorten. Dabei hatte er ihr verraten, da? der Besitz ursprunglich viel gro?er gewesen war, damals in den Tagen von Bolithos Vater. Aber um die Schulden von Richards Bruder Hugh zu decken, der aus der Royal Navy desertiert war und mit den Amerikanern gegen die Krone kampfte, hatte sehr viel Land verkauft werden mussen.

Der Wind spielte mit Fergusons leerem Armel. Den Arm hatte er in der Schlacht bei den Saintes verloren, auf der Fregatte Phalarope, unter Bolithos Kommando. Wie Allday war er seinerzeit in die Marine gepre?t worden, aber jetzt, zwanzig Jahre spater, immer noch bei Bolitho.

Oft war Catherine wie heute mit Ferguson zu Fu? unterwegs. Beim Gang uber die Felder hatte sie von ihm alles wissen wollen: Was wurde angebaut, was kostete Samen, auf welchen Markten wurden Getreide und Gemuse des Gutes verkauft? Nein, so eine Lady wie sie hatte Ferguson noch nie kennengelernt.

Schon in den ersten Tagen begriff er, was fur eine charakterstarke Frau sie war. Er hatte sie durch das alte Herrenhaus gefuhrt, vorbei an den nachgedunkelten Portrats von Bolithos Vorfahren. Kapitan Julius, der erste Bolitho, war in Falmouth gefallen, als er die Blockade der Cromwellschen Truppen bei Pendennis Castle sprengen wollte. Aufmerksam studierte sie ihn und alle anderen. In einem kleinen Schlafraum hing das verhullte Portrat Cheneys, die Bolithos erste Frau gewesen war. Catherine hatte Ferguson gebeten, es ans Fenster zu stellen, damit sie es besser sehen konnte. Das Bild beruhrte sie tief, Ferguson horte sie in der stillen Kammer laut atmen.»Warum hangt das Bild hier unter einem Tuch?«Er suchte eine Erklarung, doch sie unterbrach ihn:»Lady Belinda hat darauf bestanden, stimmt's?«Und nach kurzem Zogern beschlo? sie:»Wir werden das Bild reinigen lassen — und alle anderen auch. «Ihre Augen blitzten dabei, und er fuhlte sich wie ein mit ihr Verschworener.

Ja, Lady Catherine konnte gewi? jedem Mann den Kopf verdrehen, wenn sie nur wollte. Aber sie verstand es ebensogut, mit Pistolen, Pulver und Schrot umzugehen, wie Allday ihm verraten hatte.

Lady Cheney hatte Bolitho damals mit dem Portrat uberraschen wollen, wenn er aus dem Krieg zuruckkehrte. Doch als er schlie?lich heimkam, fand er nur noch das Portrat vor. Lady Cheney und ihr ungeborenes Kind waren bei einem Unfall mit der Kutsche ums Leben gekommen.

Als Ferguson ihr davon berichtete, ergriff Catherine seinen Arm.»Sie haben sie heimgetragen, ich wei?. «Sie sah auf seinen leeren Armel nieder.»Sie haben alles getan, was ein Mensch nur tun kann.»

Jetzt hing Lady Cheneys Bild wieder dort, wo es ursprunglich gehangen hatte, gegenuber dem Fenster, das auf die See blickte, die so grau war wie die Augen der ersten Mrs. Bolitho.

Lady Catherine kam den Pfad herauf, Ferguson reichte ihr die Hand und half ihr beim Zaunubertritt. Ihr Haar hatte sich gelost, am

Rocksaum sah er Staub und nassen Sand. Sie war gro?er als Ferguson, nicht viel kleiner als Bolitho. Er spurte ihren festen Handedruck, als sie fragte:»Warum liegt das Land da druben brach?»

«Zu viele Steine vom Hugel, da kommt kein Pflug durch. Und dann ist da noch das Dickicht. «Sie nickte.»Wir haben einfach nicht genugend Leute, Mylady. Die Pre?kommandos, wissen Sie? Entweder sind unsere Manner auf See oder bei den Soldaten. Nur Alte und Kruppel gibt's hier noch.»

Er war uberrascht uber die Warme in ihren Augen.»Sie sind aber kein Kruppel, Ferguson. Zusammen werden wir beide etwas aus diesem Land machen. «Ihre Stimme klang plotzlich hart.»Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie alle gut in diesem Land leben — nur Bolitho nicht. Sein Schwager, der Squire, scheint keine Probleme zu haben. Der hat immer genugend Manner auf den Feldern!»