Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos, стр. 67

Bolitho zog seinen Degen. Diese Spanier hatten uberhaupt keine Chance, wenn ihnen nicht der andere Zweidecker zu Hilfe kam. Doch den nahm jetzt einer aus Bolithos Geschwader, wahrscheinlich Crusader, unter Feuer und bestrich ihn mit einer Breitseite von hinten bis vorne. Rauch und Trummer wirbelten in die Luft und flogen sogar bis auf die Decks der Hyperion.

Hier aber wurde kraftig gefochten. Ein Leutnant fuhrte die kleine Gruppe der Spanier an. Als er Bolitho erblickte, zuckte er seinen Degen und machte einen Ausfall. Jenour behauptete seinen Platz, aber der Spanier war ein guter Fechter. Er bog Jenours blaue Klinge wie ein Rohr zur Seite, drehte sie mit seinem Handschutz und lie? sie davonfliegen. Er drangte nach, balancierte sich fur den Todessto? aus — und starrte entsetzt auf einen Spie?, der durch die Leiter zum Achterdeck zuckte. Der Seemann dahinter stie? nach und bohrte das Mordinstrument mit einem irrsinnigen Schrei in den Bauch des Leutnants.

Bolitho sah sich einem anderen Spanier gegenuber, der mit einem schweren Entersabel bewaffnet war. Er schrie:»Ergebt euch endlich, verdammt!»

Aber ob er begriff oder nicht, der fremde Seemann gab nicht auf. Die breite Klinge beschrieb einen gro?en Bogen. Bolitho sprang mit Leichtigkeit beiseite, sturzte aber beinahe, als ein Sonnenstrahl durch den Rauch fiel und sein krankes Auge traf. Er war wie schon einmal mit Blindheit geschlagen.

Parris brullte:»Stoppt den Mann!»

Bolitho konnte nur mutma?en, was sich ereignete, und erwartete die brennende Qual des Entersabels, den er nicht sah. Jemand schrie auf, und zusatzliche Rufe verrieten ihm, da? mehr von Keens Leuten herzukamen, um die letzten Angreifer zuruckzuschlagen.

Alldays Verstand setzte aus, als der Spanier gegen Bolitho ausfiel, der sich anscheinend nicht wehren konnte. Alldays Klinge traf ihn flach am Kopf und glitt ab, aber sie hatte die ganze Kraft des Bootsteurers hinter sich. Der andere Mann taumelte, blinzelte in die plotzliche Helle und sah Allday auf sich zukommen.

Jenour, der in den blutbefleckten Speigatten seinen verlorenen Degen suchte, horte nur Alldays nachsten Hieb. Doch Parris, von einem Schlag auf seine verletzte Schulter gelahmt, sah, wie der Entersabel des Spaniers Unterarm abhackte. Im nachsten Augenblick lag er, noch mit dem Sabel daran, an Deck. Allday schnaubte:»Und das ist fur mich, du Hund!«Er unterbrach den Schrei des Mannes mit einem letzten Hieb ins Genick.

Dann fa?te er nach Bolithos Arm.»Alles in Ordnung, Sir Richard?»

Bolitho atmete mehrmals tief durch, seine Lungen brannten wie Feuer.»Ja. Ja, alter Freund… Die Sonne…»

Dann sah er, da? sich Jenour verfarbte, und hielt ihn zunachst fur verwundet. Vom Deck des langsseit liegenden Spaniers und aus dem Durcheinander seiner Takelage ertonte wilder Jubel. Ein Windsto? blies den Rauch fort, und Bolitho erkannte die Ursache fur Jenours Besturzung.

Das spanische Flaggschiff San Mateo hatte sich des

Nahkampfes enthalten oder so lange gebraucht, um zu wenden. Uber seinem hohen Spiegelbild schien es zu strahlen. Es hatte weder eine Schramme noch einen Fleck an seinem Rumpf, auch kein Einschu?loch in den eleganten Segeln, und bewegte sich sehr langsam. Bolitho sah viele Manner auf seinen Rahen. Offenbar bereitete es sich erneut zum Wenden vor, fort von der Schlacht.

Bolitho zitterten die Glieder, als ob sie niemals aufhoren wollten. Er horte Parris entsetzten Schrei:»Herr Jesus, sie feuert gleich!»

Die San Mateo hatte alle ihre Geschutze ausgefahren. Bei einer Entfernung von nur funfzig Metern mu?te jeder Schu? sitzen, auch wenn jetzt noch zwei ihrer eigenen Schiffe dazwischen standen.

Bolithos Verstand straubte sich, die Absicht des spanischen Dreideckers zu akzeptieren. Es war Hyperion selbst, die der Spanier vernichten wollte, das trotzig herausfordernde britische Schiff mit der Vizeadmiralsflagge noch am Vormast, welches irgendwie ihre Linie durchbrochen hatte und die anderen begeistert mitri?. Er sah sich nach Allday um, aber der starrte ebenfalls das feindliche Flaggschiff an. Am Handgelenk baumelte sein Entermesser.

Der Spanier feuerte. Der Larm war uberwaltigend, das volle Gewicht seiner Breitseite schmetterte in die stilliegende Hyperion. Bolitho fuhlte, wie sich das Deck emporbog, als ob das Schiff seinen Schmerz teilte. Er wurde zur Seite geschleudert. Seine Ohren waren taub vom Krachen der brechenden Masten, vom Weinen und Kreischen der Getroffenen, bevor die zerrissene Takelage sie wie ein gro?es Netz uber die Seite zerrte.

Bolitho kroch zu Fahnrich Mirrielees, packte ihn an der Schulter und wollte ihn auf den Rucken drehen. Aber dessen Augen waren fest geschlossen, und unter den Lidern quoll es wie Tranen hervor. Er war tot. Allday kauerte mit weit offenem Mund an Deck. Ihre Augen trafen sich, und Allday grinste gequalt. Bolitho fuhlte, da? ihn jemand auf die Fu?e stellte. Seine Augen waren blind im Sonnenlicht, das die Zerstorung offenlegte.

Dann senkte sich Pulverdampf uber die Szene, und San Mateo verschwand von der Bildflache.

XIX Das letzte Lebewohl

Sir Piers Blachford stutzte sich auf den Behelfstisch, wahrend die Geschutze oben noch immer donnerten und das ganze Schiff erbebte. Er wischte sich den Schwei? vom Gesicht und sagte:»Nehmt diesen Mann fort, er ist tot.»

Die Gehilfen des Chirurgen ergriffen den nackten Leichnam und zerrten ihn in den Schatten des Orlopdecks. Blachford richtete sich auf und spurte die schweren Decksbalken dicht uber seinem Kopf. Wenn es wirklich eine Holle gab, dachte er, mu?te sie wie dies hier aussehen.

Das Licht der uber dem Tisch schwingenden Laterne machte alles noch schlimmer, sofern das uberhaupt moglich war. Sie warf Schatten auf die gewolbte Bordwand und legte die zusammengekauerten oder regungslosen Verwundeten blo?, von denen immer mehr ins unterste Deck des Schiffes gebracht wurden.

Sir Piers blickte seinen Kollegen an, George Minchin, den eigentlichen Chirurg der Hyperion, einen grobgesichtigen Mann mit sparlich sprie?enden grauen Haaren. Seine Augen hatten rote Rander, und das nicht nur vor Mudigkeit. Ein gro?er Krug Rum stand neben dem Tisch, um den Todeskampf oder die wachen Momente der jammernden Verwundeten zu lindern. Sie lagen auf den Tischen, entblo?t und gequalten Opfern gleich, bis das Werk vollbracht war. Minchin aber schien mehr als seinen Anteil zu trinken.

Blackford sah die furchterlichsten Verwundungen: Manner ohne Glieder, Gesicht und Leib verbrannt oder durch Splitter zerfetzt. Der ganze Raum, normalerweise Unterkunft der Fahnriche, wo sie schliefen, a?en oder aus Handbuchern im Halbdunkel ihrer Talglichter lernten, war mit Leidenden uberfullt. Es stank nach Blut, Erbrochenem und Schwei?. Jede drohnende Breitseite, jeder schauderhafte Einschlag einer Kugel verursachte Geschrei und Stohnen der auf Behandlung Wartenden.

Blachford konnte nur ahnen, was sich oben, im hellen Tageslicht, abspielte. Nach hier unten, ins Orlop, verirrte sich nie ein Strahl Sonne. Unterhalb der Wasserlinie gelegen, war es der sicherste Platz fur das grausige Werk. Dennoch emporte es ihn.

Er deutete auf die gra?lichen Behalter unter dem Tisch, die mit amputierten Gliedma?en gefullt waren: eine brutale Warnung fur die nachsten Verwundeten, was ihnen bluhte. Das erhohte ihre Marter so sehr, da? ihnen der Tod wie eine Erlosung vorkommen mu?te.»Tragt das fort.»

Der Senior-Chirurg lauschte dem Hammern im schmalen Zimmermannsgang, der unterhalb der Wasserlinie um die Bordwand lief wie ein enger Steg zwischen den Schiffsabteilungen und der Au?enhaut. Von diesem Gang aus dichteten der Zimmermann und seine Gehilfen Einschu?locher und Leckagen ab, die der Feind wieder und wieder in die Bordwand drosch.

Unmittelbar uber ihren Kopfen gab es ein langgezogenes Gerumpel, und Blachford stierte an den Balken empor, als erwarte er, eingeschlossen zu werden. Eine angstliche Stimme rief aus den Schatten:»Was war das, Toby?»