Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos, стр. 48

«Aber zwei Dutzend Hiebe, Sir! Ich konnte ihnen auch eine Woche Extraarbeit geben. Die Disziplin wurde aufrechterhalten, und Mr. Priddie konnte daraus etwas lernen.»

«Aha, Sie wollen nun den jungen Leutnant tadeln. «Er lachelte, und Parris fuhlte, wie ihn die Spannung fast zerri?.»Die Manner werden frech, und Mr. Priddie soll daran schuld sein. Gott verdamme Ihre Augen, Sir! Ich spucke auf Ihre Ansichten. Hier kommandiere ich, und man hat meinem Gehei? zu folgen. Habe ich mich klar ausgedruckt?«brullte er.

«Das haben Sie, Sir«, erwiderte Parris.

«Freut mich zu horen. «Haven beobachtete ihn, seine Augen waren wie Schlitze im Halbschatten.»Ihre Rolle bei dem Handstreich wird der Admiralitat ohne Zweifel zur Kenntnis gebracht werden. Aber Sie konnen an den Rockscho?en Ihres Admirals hangen, so lange Sie wollen, ich werde schon dafur sorgen, da? Ihre Unehrlichkeit und Ihre verdammte Arroganz voll berucksichtigt werden, wenn Sie wieder zur Beforderung anstehen!»

Parris fuhlte die Kajute schwanken.»Haben Sie mich unehrlich genannt, Sir?»

Haven kreischte fast:»Jawohl, Sie wollustiges Schwein, das habe ich!»

Parris glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Er sah, da? sich der helle Spalt unten an der Tur durch den Schatten fremder Fu?e verdunkelte. Manner standen da drau?en und lauschten. Mein Gott, dachte er verzweifelt, welche Chance haben wir noch nach alldem, wenn es einmal zum Gefecht kommen sollte? Er entgegnete:»Sir, ich glaube, wir haben uns wohl beide im Ton vergriffen.»

«Wagen Sie ja nicht, mich zurechtzuweisen! Ich vermute, da? Sie nachts in Ihrer Koje liegen und beim Gedanken an mich hohnisch lacheln — wegen der Gemeinheit, die Sie begangen haben. Na? Antworten Sie, verfluchter Hund!»

Parris wu?te, da? er einen anderen Offizier hatte holen lassen sollen, weil er sonst Haven in den nachsten Sekunden niederschlagen wurde. Etwas in seinem Unterbewu?tsein warnte ihn, seinen Zorn und sein gekranktes Ehrempfinden uberzubewerten. Er will, da? ich ihn schlage, dachte er. Er will mich als sein nachstes Opfer!

Haven lie? sich in seinen Stuhl zuruckfallen, als hatten ihn Kraft und Wut verlassen. Aber als er wieder aufschaute, loderte erneut der Ha? in seinen Augen. Beinahe beilaufig fragte er:»Dachten Sie, ich wurde es nicht herausbekommen? Sind Sie wirklich so dumm?»

Parris hielt den Atem an, sein Herz pochte. Und er hatte gemeint, da? ihn nichts mehr erschuttern konne!

Haven fuhr fort:»Ich kenne Ihre Eitelkeit, Ihre Eigenliebe. O ja, ich bin ja noch bei Verstand und habe Augen im Kopf. «Er zeigte auf das Portrat seiner Frau, behielt aber Parris im Auge und sagte heiser:»Die Schuld liegt klar zu Tage — auf Ihrem Gesicht!»

Wieder glaubte Parris, sich verhort zu haben.»Ich bin der Lady einmal begegnet, aber.»

«Wagen Sie es nicht, in meiner Gegenwart von ihr zu sprechen!«Haven torkelte auf die Fu?e.»Sie mit Ihrer glatten Zunge und den geschniegelten Manieren. Genau jene Sorte, der sie zuhoren wurde.»

«Sir! Sprechen Sie bitte nicht weiter, wir konnten es beide bedauern!»

Haven ging nicht darauf ein.»Sie haben sie verfuhrt, als ich mit diesem Schiff vollauf zu tun hatte. Ich arbeitete mich krank, um diesen verdammten Pobel zu einer Mannschaft zu machen. Dann hi?ten sie darauf die Flagge eines ganz ahnlichen Weiberhelden, der denkt, da? er jede haben kann, die er will!»

«Ich darf das nicht mehr mit anhoren, Sir. Es ist nicht wahr. Ich sah…«Parris zogerte und schlo?:»Ich habe Ihre Frau niemals angeruhrt, das schwore ich bei Gott!»

Doch Haven horte nicht zu, er sagte klaglich:»Und das nach alldem, was ich ihr gab.»

«Sie haben unrecht, Sir. «Parris schaute zur Tur. Kam da nicht endlich jemand? Das ganze Achterdeck mu?te doch den Wortwechsel horen.

Haven brullte plotzlich los:»Es ist dein Kind, du verfluchter Beschaler!»

Das war es also. Parris ballte die Fauste.»Ich gehe jetzt, Sir. Ich habe genug von Ihren Beleid igungen. Und was Ihre Frau betrifft, so kann ich nur sagen, da? sie mir leid tut.»

Er drehte sich um und wollte gehen, als Haven kreischte:»Du gehst nirgendwohin, Gott verdammich!»

Der Knall der Pistole in dem engen Raum war ohrenbetaubend. Und wie der Schlag mit einer Eisenstange. Dann fuhlte Parris den Schmerz, die hei?e Nasse des Blutes, als er zu Boden fiel. Dunkelheit hullte ihn ein, Rauch und Nebel, die nur einen klaren Fleck freilie?en: darin versuchte der Kommandant eine neue Ladung in seine Pistole zu zwangen.

Ehe der Schmerz ihn uberwaltigte, drang noch in Parris' gequaltes Bewu?tsein, da? Haven lachte. Er lachte, als konne er nie mehr aufhoren.

XIV Fur oder gegen

Am fruhen Morgen eines schonen Junitages hi?te Bolitho aufs neue seine Flagge auf der Hyperion und bereitete das Geschwader vor, den Hafen zu verlassen.

Wahrend der schnellen Passage nach Gibraltar, an Bord der Firefly, hatten Bolitho und Keen viel zu erortern. Falls die Tatsache, da? er Flaggkapitan eines Geschwaders geworden war, ohne es zu kennen, Keen verunsichert hatte, so zeigte er es kaum. Fur Bolitho war es die Ruckkehr eines Freundes, der ihn hervorragend erganzte.

Auf Ersuchen des Hafenkommandanten hatte er Haven in seiner Haft an Land aufgesucht. Er hatte erwartet, ihn im Schock vorzufinden oder bereit, eine Erklarung vorzubringen, warum er Parris kaltblutig niedergeschossen hatte. Doch ein Arzt der Garnison teilte Bolitho mit, da? Haven sich an nichts erinnere und alles verdrange — oder sich nicht darum schere — , was vorangegangen war.

Als Bolitho Havens Zelle betrat, war dieser aufgestanden und hatte gemeldet:»Das Schiff ist bereit, Sir Richard. Ich habe Schritte unternommen, damit Hyperion, ob alt oder nicht, mit ihrer Artillerie jedem Franzosen ebenburtig ist, wenn es dazu kommt.»

Bolitho hatte erklart:»Sie sind abgelost. Ich schicke Sie nach England.»

Haven hatte ihn fixiert.»Abgelost? Ist meine Beforderung da?«Da war er wortlos gegangen.

Bei der Ruckkehr an Bord war Bolitho ein an Haven adressierter Brief ausgehandigt worden, den das Postschiff eben von Spithead gebracht hatte. Unter den gegebenen Umstanden entschlo? sich Bolitho, ihn zu offnen. Vielleicht konnte er jemandem in England die bittere Wahrheit uber Haven ersparen, bis die Fakten beim unvermeidlichen Kriegsgerichtsverfahren offenbart wurden.

Hinterher war Bolitho doch nicht sicher, da? er ihn hatte lesen sollen. Der Brief kam von Havens Ehefrau. Fast beilaufig besagte er, da? sie ihn verlassen hatte, um mit einem reichen Spinnereibesitzer zu leben, der Uniformen furs Militar herstellte. Sie und sein Kind waren dort gut aufgehoben. Also sah es aus, als ob der Betreffende auch Vater des Neugeborenen war, jedenfalls stammte es gewi? nicht von Parris. Falls Haven schlie?lich wieder zu Verstand kam, wurde das fur ihn am schwersten zu ertragen sein.

Der Erste Leutnant war wohl unter einem glucklichen Stern geboren. Die fur sein Herz bestimmte Pistolenkugel war im Halbdunkel zu hoch gezielt gewesen, hatte den Knochen zersplittert und lag in der Schulter eingebettet. Er mu?te entsetzliche Schmerzen gelitten haben, als Minchin sie zu entfernen versuchte.

Keen fragte Bolitho:»Mochten Sie ihn an Bord behalten? Die Wunde braucht Wochen, um zu heilen, und ich furchte, er wurde stumperhaft behandelt. «Er entsann sich wahrscheinlich noch des gro?en Splitters in seiner Leiste. Statt ihn einem betrunkenen Chirurgen zu uberlassen, hatte Allday das gezackte Holz selbst herausgeschnitten.

«Parris ist ein erfahrener Offizier, ich hoffe auf seine Beforderung. Gott wei?, da? wir geschickten Nachwuchs in den Kommandostellen brauchen konnen.»

Keen hatte zugestimmt.»Es durfte auch die anderen Leutnants anspornen.»

Und so begab sich das Geschwader auf die Reise ins Mittelmeer, das so viele Gefechte gesehen hatte und in dem Bolitho fast gestorben ware.