Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos, стр. 41

Falmouth aus. Die Aufenthalte zum Pferdewechsel folgten einander regelma?ig. Humpen mit Ale wurden von der Hand frecher Frauenzimmer in den verschiedenen Kutscherkneipen serviert, dazu schwere Mahlzeiten von Kaninchenragout bis zum besten Rinderfilet, damit die Passagiere ihre schmerzenden Muskeln auf angenehme Weise entspannen konnten. Je mehr sie sich von der See entfernten, desto weniger war vom Krieg zu spuren.

Die Kutsche legte einen letzten Halt vor einem Gasthaus in Ripley, Grafschaft Surrey, ein. Bolitho ging die schmale Stra?e hinunter, die Uniform unter dem Umhang verborgen. Die Luft war warm und erfullt von Blumenduft.

England, mein England, dachte er.

Die dampfenden Pferde wurden zur Nacht in die Stalle gefuhrt. Bolitho seufzte. Morgen wurde er vor dem» George «in Southwark, London, aussteigen. Dort wurde ihm Catherine seine Zuversicht wiedergeben. Zwischen Passanten stehend, ohne eine Uniform in Sicht und inmitten des Gelachters aus dem Inn, wurde er es laut sagen durfen:»Kate, ich liebe dich.»

XII Der Einbeinige

Admiral Sir Owen Godschale wartete, bis sein Diener eine Karaffe Rotwein auf das Tischchen gestellt und sich zuruckgezogen hatte. Drau?en vor den hohen Fenstern schien die Sonne, war die Luft hei? und staubig. Von fern kam der Larm des Londoner Stra?enverkehrs.

Bolitho nahm sich Zeit, den Claret zu schlurfen; es uberraschte ihn, da? er sich in der Admiralitat noch immer unbehaglich fuhlte und auf der Hut war. Dabei hatte sich fur ihn doch alles geandert. Man hatte ihn und Adam in eine kleine, gut ausgestattete Bibliothek gefuhrt, die vollig anders war als die gro?en unbequemen Empfangsraume von fruher. Diese waren mit Marineoffizieren vollgestopft, meistens mit nervosen Kapitanen, die einen hoheren Offizier erwarteten oder dessen Lakai, um ihre

Wunsche vorzutragen, ein neues Kommando zu erbitten, ein anderes Schiff. Wie auch ich fruher, dachte Bolitho. Er konnte sich noch nicht an den Respekt gewohnen, den man ihm zo llte, an die Unterwurfigkeit der Admiralitatsdiener und Wachposten.

Der Admiral war ein gutaussehender, kraftig gebauter Mann, der sich im Kampf gegen die amerikanische Revolution ausgezeichnet hatte. Ein Altersgenosse von Bolitho, aber von dem jungen verwegenen Fregattenkapitan war wenig ubriggeblieben. Godschale wirkte weich und schlaff, sein Gesicht und seine Hande waren so bla?, als ware er seit Jahren nicht mehr auf See gewesen.

Er hatte seine hohe Position noch nicht lange inne; deshalb war zu erwarten, da? er alles bekampfen wurde, was seinen Eintritt ins Oberhaus verzogern oder gefahrden konnte.

Nun sagte er gestelzt:»Es warmt einem das Herz, von Ihren kuhnen Unternehmen zu lesen, Sir Richard. Wir in der Admiralitat fuhlen uns viel zu oft vom Geschehen drau?en abgeschnitten. Wir konnen es nur planen und mit Gottes Hilfe zu einem siegreichen Ende fuhren.»

Bolitho machte es sich bequemer. Er dachte an Nelsons Kommentar uber die Kriege, die hier mit Worten und Papier ausgefochten wurden. Adam sa? neben ihm, ohne sein Glas anzuruhren. War es Hoflichkeit oder Teil des Komplotts, Adam in dieses Gesprach einzubeziehen?

Godschale erwarmte sich am Thema.»Das Schatzschiff war ein solch gutes Ende, obwohl — «, er betonte das Wort, >» es einige gibt, die andeuten konnten, da? Sie sich personlich dabei ubernommen haben. Ihre Aufgabe ist es, zu fuhren und Erfahrung beizutragen. Aber das ist Vergangenheit. Wir mussen an die Zukunft denken.»

«Warum bin ich herbestellt worden, Sir Owen?»

Der Admiral lachelte und spielte mit seinem leeren Glas.»Um Sie wissen zu lassen, was in Europa vor sich geht, und als Lohn fur tapferen Einsatz. Es hat Seiner Majestat beliebt, Sie ehrenhalber mit dem Rang eines Oberstleutnants der Royal Marines zu beleihen.»

Bolitho besah seine Hande.»Danke. «Wann kam Godschale zur Sache? Dieser Ehrentitel war nur nutzlich bei einer Auseinandersetzung zwischen Heer und Navy. Naturlich war es eine Auszeichnung, aber kaum ein Anla?, ihn von seinem Geschwader hierher zu holen.

Godschale erlauterte weiter:»Wir glauben, da? die Franzosen ihre Flotte an verschiedenen Orten zusammenziehen. Die Entsendung nach Malta wird es Ihnen ermoglichen, das Geschwader am zweckma?igsten einzusetzen.»

«Man sagt, die Franzosen seien bei Martinique, Sir Owen. Nelson erklart.»

Der Admiral lachelte wie ein listiger Fuchs.»Auch Nelson ist nicht uber jeden Irrtum erhaben. Er mag des Volkes Liebling sein, aber gegen eine Fehleinschatzung ist er nicht gefeit. «Zum erstenmal wandte sich der Admiral Adam zu.»Ich bin ermachtigt, Ihrem Neffen mitzuteilen, da? er mit Wirkung zum ersten Juni zum Kapitan befordert ist. «Er lachelte selbstzufrieden.»Der glorreiche Erste Juni, was, Commander?»

Adam starrte von einem zum andern.»Ich danke sehr, Sir Owen.»

Der Admiral wackelte mit dem Finger.»Sie haben Ihre Beforderung mehr als verdient. Wenn Sie so weitermachen, sehe ich keinen Grund, weshalb Ihre Karriere nicht weiter aufwarts fuhren sollte.»

Bolitho beobachtete auf Adams sonnverbranntem Gesicht den Widerstreit der Gefuhle. Drei Jahre noch, dann konnte er auf die Planstelle eines Vollkapitans vorrucken, die Hoffnung und der Traum eines jeden jungen Offiziers.

Aber war das Belohnung oder Bestechung? Dem neuen Dienstgrad wurde ein neues Kommando folgen, vielleicht sogar eine Fregatte, von der Adam immer sprach. So war es seinem Onkel ergangen und auch seinem Vater, nur da? Hugh auf der falschen Seite gekampft hatte.

Godschale wandte sich wieder an Bolitho.»Es tut gut, mit Ihnen beisammen zu sein, Sir Richard. Es war ein langer, langer Aufstieg seit den Saintes Anno zweiundachtzig. Ich frage mich aber, ob allen klar ist, wie leicht man die Gunst des Schicksals verlieren kann, manchmal gar nicht durch eigene Schuld. «Er mu?te die Kalte in Bolithos Augen gesehen haben und beeilte sich fortzufahren:»Bevor Sie London verlassen, um nach Gibraltar zuruckzukehren, mussen Sie bei mir dinieren. «Er streifte Adam mit einem fluchtigen Seitenblick.»Sie naturlich auch. Sie wissen schon: mit Ehefrauen, Freunden, netten Gesprachen, alles ganz zwanglos.»

In Wahrheit ist es keine Bitte, dachte Bolitho, es ist ein Befehl.»Ich bin nicht sicher, ob sich Lady Belinda noch in London befindet. Ich hatte noch keine Zeit, um…»

Godschale schaute vielsagend auf die verzierte Tur.

«Ganz recht, Sie sind ein vielbeschaftigter Mann. Aber keine Sorge, meine Frau sah sie erst gestern. Sie werden einander gute Gesellschaft leisten, wahrend wir beide uns uber den schmutzigen Krieg unterhalten. «Er lachte still in sich hinein.»Dann ist ja alles klar.»

Bolitho erhob sich. Er wurde Belinda ohnehin sehen mussen. Aber warum lie? Godschale kein Wort uber Catherine fallen? Bolitho war gegen Adams Rat allein zu ihrem Haus gegangen, aber nicht weiter als bis zum Eingang gekommen. Ein selbstbewu?ter Lakai hatte ihm versichert, da? sein Besuch dankend zur Kenntnis genommen wurde, aber da? Viscount Somervell im Dienst des Konigs das Land bereits verlassen habe. Ihre Ladyschaft sei wahrscheinlich bei ihm.

Der Mann wu?te eine Menge mehr, als er sagte. Und Godschale auch. Sogar die billige Herablassung Adam gegenuber hatte einen Haken. Die Beforderung war sein gutes Recht, er hatte sie auch ohne jede Bevorzugung verdient.

Au?erhalb des Admiralitatsgebaudes schien ihm die Luft reiner. Er fragte Adam:»Was haltst du von alledem?»

Adam zuckte die Achseln.»Ich bin nicht so dumm, da? ich die Drohung nicht erkenne, Onkel.»

«Du konntest in meinen Fall verwickelt werden, Adam.»

Sein Neffe grinste, und die Spannung fiel wie eine Maske von ihm ab.»Ich bin aber schon hineinverwickelt, Sir!»

«Gut denn. Wir werden in dem Haus wohnen, das ich schon erwahnte. «Er lachelte in der Erinnerung.»Mein ehemaliger Flaggleutnant Browne hat es mir zur Verfugung gestellt. «Nach dem Tod seines Vaters hatte Browne — »mit einem e am Ende«-dessen Titel geerbt und langst seinen Sitz im Oberhaus eingenommen, im Gegensatz zu Godschale.