Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta, стр. 8

«Aufhoren!«rief Keen scharf. Er spurte Stayt neben sich, wandte aber den Blick nicht von der Szene. Um sich herum und uber sich horte er Protest, der wie Gebell klang. Das Publikum war wutend und enttauscht, es hatte sich auf die Auspeitschung gefreut., «Mr. Stayt!«sagte Keen in die plotzliche Stille hinein.

«Wenn dieser Mann die Peitsche auch nur hebt, erschie?en Sie ihn!»

Stayt, der die Pistole bereits gespannt in der Hand hatte, trat vor. Er hob den Arm, aber nicht wie ein Mann, der in die Schlacht geht, sondern wie ein Duellant, der seine Waffe fur den einzigen, entscheidenden Schu? ausrichtet.

Ein korpulenter Mann in blauem Rock drangte sich mit vor Emporung bibbernden Hangebacken zu Keen durch. Keen musterte ihn gelassen, obwohl ihn die kalte Wut fur alles andere blind machte — abgesehen von dem Wunsch, diesem Kapitan ins Gesicht zu schlagen.

«Verdammt, was machen Sie da?«Der Mann konnte sich vor Wut und Trunkenheit kaum artikulieren.

Keen erwiderte seinen zornigen Blick.»Ich bin der Flaggkapitan des Admirals. Sie mi?brauchen Ihre Macht, Sir. «Zu seiner Erleichterung horte er die Seesoldaten an Bord klettern — endlich! Inch hatte seine Manner offenbar vor dem Sturm abgezogen. Einen Augenblick spater, und er, Stayt und die anderen waren uberwaltigt worden.

Leutnant Ord schien unfahig, auf die Lage zu reagieren, doch Blackburn, sein stammiger Wachtmeister, schnarrte:»Bajonett pflanzt auf! Wer sich ruhrt, wird niedergestochen!«Blackburn traute keinem, der nicht den roten Rock der Royal Marines trug.

Der klirrende Stahl schien den ha?lichen Kapitan zu schockieren.

«Sie ist eine verdammte Diebin«, sagte er beschwichtigend.»Nichts als eine gewohnliche Hure. Auf meinem Schilf herrscht Ordnung und Disziplin! Wenn es nach mir ginge.»

Er verstummte, als Keen befahl:»Schneidet sie los und deckt sie zu.«»Sie ist ohnmachtig, Sir«, rief ein Matrose. Keen zwang sich, zur Grating hinuberzugehen. Er sah, wie sie in ihren Fesseln hing, wie das Blut ihr Ruckgrat entlangrann. Ihre Bruste waren gegen das Gitter gepre?t, und er konnte ihr Herz schlagen sehen. Sie war ohnmachtig geworden, aber der Schmerz wurde geduldig auf sie warten.

Hogg erschien an Deck, und Keen horte, wie er sein Entermesser in die Scheide steckte. Er mu?te mit dem Schlimmsten gerechnet haben, um die Gig im Stich zu lassen und ungebeten an Bord zu kommen. Jetzt schnitt er die Fesseln durch und fing die Frau auf. Die Fetzen ihrer blutgetrankten Kleider verfingen sich an seinen Armen, als er ihren Korper dem Blick der stummen Zuschauer verbarg.

«Ich habe einen Arzt an Bord«, sagte der Kapitan gepre?t.

Keen musterte ihn.»Den kann ich mir vorstellen. «Auf Keens Blick hin wich der Mann zuruck, als hatte er darin gesehen, in welcher Gefahr er schwebte.

«Bringen Sie die Frau in die Gig und rudern Sie zuruck zum Schiff, Hogg. Sie begleiten ihn, Mr. Stayt. «Er entdeckte Groll in den dunklen Augen des Leutnants. Stayt wollte den Mann mit der Peitsche wohl erschie?en, wollte irgend jemanden toten. Keen kannte diesen Blick. Habe ich ihn vielleicht auch? fragte er sich.

«Also, Kapitan Latimer. «Keen war selbst uberrascht, da? er sich an den Namen dieses Mannes erinnerte, den er eben noch hatte niederschlagen wollen.»Sie werden nun Ihre besten Leute ein Notruder bauen lassen. Falls erforderlich, stelle ich Ihnen weitere Manner zur Verfugung, aber ab sofort wird keine Zeit mehr vergeudet, ist das klar?»

«Und das Madchen?«Wieder schimmerte bei Latimer die Wut durch.»Ich bin fur alle Seelen an Bord verantwortlich.»

Keen musterte ihn kalt.»Dann sei Gott ihnen gnadig. Kapitan Inch hat die Ehefrauen von Garnisonsoffizieren in Gibraltar an Bord. Sie werden sich um die Kleine kummern, nachdem mein Schiffsarzt sie untersucht hat.»

Der andere Mann wu?te, da? seine Autoritat von Sekunde zu Sekunde schwand.»Dafur werden Sie noch von mir horen, Kapitan.»

Keen hob die Hand und sah, wie der andere zusammenzuckte. Doch er fa?te sich nur an den blauen Aufschlag und antwortete:»Und Sie von mir, verlassen Sie sich drauf.»

Ein weiteres Boot kam langsseits, und er horte den Zimmermann der Argonaute mit seiner Gang an Bord klettern. Da wandte er sich ab. Er wurde an Bord des Flaggschiffs fur ein Dutzend Aufgaben gebraucht, doch ein letzter Einfall bewog ihn, sich umzudrehen.

«Falls Sie sich einbilden, Kapitan Latimer, da? es bis Australien ein langer Weg ist, dann mochte ich Ihnen doch versichern, da? Sie noch nicht mal Gibraltar zu sehen bekommen, wenn Sie Ihre Macht noch einmal mi?brauchen.»

Schweratmend kletterte er hinunter in seine Gig und vermutete, da? seine Hande zitterten. Der Midshipman starrte ihn an. Er mu?te fast alles beobachtet haben.

«Sie sind ja heute ganz Auge, Mr. Hext«, meinte Keen.

Hext, der erst dreizehn war, nickte und schluckte.»Verzeihung, Sir — aber ich, ich.»

«Heraus damit, Mr. Hext.»

Hext wurde knallrot, weil er wu?te, da? die Rudergasten ihn beim Pullen anschauten.

«Als ich das sah, Sir, wollte ich Ihnen beistehen.»

Keen, der die Aufrichtigkeit des Jungen ruhrend fand, lachelte. Wie es hie?, schrieb Hext oft an seine Eltern, obwohl sich nur selten Gelegenheit zum Postaufgeben bot.

«Haben Sie nie Angst, den Hilflosen zu helfen, Mr. Hext. Merken Sie sich das gut.»

Der Midshipman umklammerte die Pinne und starrte zu den turmhohen Masten des Flaggschiffs auf.

«Riemen hoch!«rief er mit heller Stimme.

Diesen Augenblick wurde er nie vergessen.

III Kein todlicherer Feind

Bolitho beugte sich aus einem der gro?en Heckfenster, als Keen mit der Mutze unterm Arm die Kajute betrat.

Achteraus lagen die anderen Schiffe mit rundgebra?ten Mars- und Bramsegeln auf Backbordbug. Etwas abseits, wenngleich noch mit ihrer Eskorte, kam die Orontes dank des Notruders nun besser voran, aber die Geschwindigkeit des Geschwaders war noch immer stark reduziert.

An Bord war es kalt und feucht. Bolitho dachte sehnsuchtig an das Mittelmeer und die Warme, die sie dort antreffen wurden.

Erst ein Tag war seit dem Zwischenfall auf der Orontes vergangen, und Bolitho konnte sich vorstellen, in welchen Spekulationen man sich an und unter Deck uber das Madchen im Krankenrevier erging.

Keen rausperte sich.»Sie wollten mich sprechen, Sir Richard?»

Es konnte Keen nicht entgangen sein, da? Ozzard und die anderen abwesend waren. Das Gesprach sollte unter vier Augen stattfinden.

«Ja. Orontes' Kapitan hat mir einen Brief geschickt.»

Keen nickte.»Mein Bootsfuhrer nahm ihn entgegen, Sir.»

«Darin beschwert er sich uber Ihr Verhalten, auch uber unser Verhalten, da Sie unter meinem Kommando stehen, und droht, es an hohere Stelle weiterzumelden.»

«Das tut mir leid«, sagte Keen leise.»Ich wollte Sie nicht hineinziehen.»

«Ich hatte von Ihnen kein anderes Verhalten erwartet, Val«, sagte Bolitho.»Die Drohungen dieses Dummkopfs storen mich nicht. Wenn ich bei seinen Vorgesetzten Entschadigung furs Abschleppen und seine Rettung verlangte, sa?e er ein fur allemal auf der Stra?e. Er und seinesgleichen sind Abschaum, sie arbeiten fur Blutgeld wie Sklavenfahrer.»

Keen wartete ab; fast uberraschte es ihn, da? Bolitho ihn wegen seiner Einmischung nicht zurechtgewiesen hatte.

Bolitho fragte:»Haben Sie mit diesem Madchen gesprochen?»

Keen zuckte die Achseln.»Nein, Sir. Ich hielt es fur besser, sie dem Arzt zu uberlassen, bis sie sich erholt hat. Sie hatten die Peitsche sehen sollen und den Riesen, der sie schwang.»

Bolitho dachte laut.»Eine Frau sollte sich um sie kummern. Auf Ihren Vorschlag hin erwog ich Inchs Schiff, bin mir aber inzwischen nicht mehr so sicher. Offiziersfrauen und ein Strafling, der in die Verbannung geschickt wird — fur welches Verbrechen auch immer —, das pa?t nicht zusammen. Ich werde Latimer bitten, mich uber den Grund ihrer Verurteilung zu informieren.»