Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta, стр. 26

Bolitho mu?te sich die Lage nicht erst von Stayt beschreiben lassen. Er erkannte ihre Hoffnungslosigkeit, als sahe er sie mit Hallowes' Augen. Nur eine Meile weiter, und sie hatten den Kanonen der Fregatte entkommen konnen. Doch nun lagen sie trotz der leicht veranderten Windrichtung noch immer vor einer Leekuste, und beide Schiffe liefen auf einen unsichtbaren Treffpunkt zu. Diesmal gab es kein Entkommen.

«Hei?t Gefechtsflagge, Thomas!«rief Hallowes.»Kanonen laden und ausrennen!»

Als die Manner eilig gehorchten, wurde sich Bolitho der Stille bewu?t: kein Gebrull, keine Drohungen und ganz bestimmt keine Hochrufe. Die Manner, die dem sicheren Tod ins Auge sahen, arbeiteten zwar noch gut, waren aber im Geiste anderswo.

«Bankart!»

«Zur Stelle, Sir.»

«Geh unter Deck und hole mir Hut und Rock.»

Er mochte schmutzig und blutverschmiert sein, war aber immer noch ihr Admiral. Er konnte nicht zulassen, da? sie ihn schon jetzt geschlagen sahen.

Ein dreifaches Krachen. Die Fregatte hatte mit ihren Buggeschutzen bereits das Feuer eroffnet. Aber die Kugeln warfen noch weit entfernt Fontanen auf.

Bolitho horte Okes murmeln:»Werden Sie sich zum Kampf stellen, Sir?»

«Soll ich vielleicht die Flagge streichen?«Hallowes schien ganz ruhig. Oder war er schon jenseits aller Emotionen?

Weitere Schusse lie?en die Luft erzittern. Bolitho horte eine Kugel diesmal in der Nahe einschlagen und Wassertropfen wie Schrot durch die Wanten prasseln.

«Einen Strich anluven, Mr. Okes!«Hallowes zog seinen Degen. Bolitho dachte an seinen und fragte sich, was aus ihm werden wurde. Er beschlo?, ihn ins Wasser zu werfen, wenn er noch genug Zeit und einen Funken Leben im Leib hatte.

Eine Serie von Explosionen lie? Stayt unterdruckt fluchen. Eine Kugel fetzte durch ein Segel und zertrennte ein Stag wie Nahgarn.

«Feuern in der Aufwartsbewegung!»

«Wir haben noch keine Chance, Sir!«sagte Stayt heftig.»Diese Spielzeugkanonen tragen nicht weit genug!»

«Das ist eben Hallowes' Art«, versetzte Bolitho.»Es gibt keinen anderen Weg.»

«Feuer!»

Die Vierpfunder kamen im Rucklauf auf ihren Lafetten binnenbords, aber ihre Explosionen verhallten fast unge-hort, als die Fregatte erneut feuerte. Das Deck baumte sich auf, und Holzsplitter flogen uber die geduckten Englander hinweg.

Dann fuhr eine zweite Salve in die Takelage, und ein Mann fiel schreiend ins Meer. Supreme machte trotz des gerissenen Segels so viel Fahrt, da? er bald weit achteraus versank.

«Wie sieht's aus?»

«Es wird heller, Sir«, sagte Stayt tonlos. Weitere Kugeln schlugen dichtbei ins Meer, und eine traf mit einem Ruck, der durch das ganze Schiff ging, den Bug. Zerfetztes Gut segelte aus der Takelage herab oder baumelte von den Rahen wie schabige Banner.

Die Stuckmannschaften schauten nicht nach oben, sondern wischten aus, rammten frische Ladungen in die Rohre, schoben Ladepropfe ein — taten, was sie gelernt hatten.

Weitere Kugeln trafen den Rumpf.»Viel kann sie nicht mehr einstecken«, sagte Bolitho.

«Schiff in Luv, Sir!»

Manner reagierten verstandnislos, waren bei dem ohrenbetaubenden Larm unfahig, die Lage einzuschatzen.

«Es ist die Rapid, Sir!«Stayt schuttelte Bolitho am Arm.»Sie kommt gerade in die Sonne und hat ein Signal gesetzt! Bei Gott, das Geschwader mu? hinter der Kimm sein!»

Weitere Treffer erschutterten das Deck, Manner schrien auf, als sie von Splittern niedergemaht wurden. Aber jemand rief:»Der Franzose dreht ab! Die Kerle laufen weg! Denen haben Sie's gezeigt, Kapt'n!»

Doch Stayt sagte bitter:»Hallowes hat's erwischt, Sir. «Er nahm Bolithos Arm.»Bei dieser letzten verdammten Breitseite.»

«Fuhren Sie mich zu ihm.»

Die Matrosen verfielen in Schweigen, als ihr blinder Ad-miral zu Hallowes geleitet wurde, den Okes und der Steuermannsgehilfe festhielten.

«Wie schlimm steht es?«murmelte Bolitho.

Stayt schluckte.»Beide Beine weggerissen, Sir.»

Bolitho stand nun neben Hallowes.

Hallowes sagte fest:»Ich habe nicht gestrichen. Nur eine kleine Chance…«Er verstummte und schrie dann auf:»Helft mir!«Aber der Tod war schneller.

Bolitho hatte seine Hand gehalten und spurte, wie das Leben aus ihr wich. Jetzt legte er sie aufs Deck und sagte:»Nur eine kleine Chance, und er hat sie genutzt. Daran la?t sich der Mut dieses Mannes ermessen. «Man half ihm auf und drehte ihn, bis er Okes gegenuberstand.

«Die Supreme gehort jetzt Ihnen, Mr. Okes. Sie haben sie mehr als verdient. Ich werde dafur sorgen, da? Ihre Beforderung bestatigt wird, und wenn das mein letzter Befehl sein sollte.»

«Rapid dreht bei, Sir«, meldete Stayt. Doch das gehorte irgendwie nicht hierher. Hier gab es nur diesen Augenblick und den Schmerz des Verlustes.»Fuhren Sie das Schiff gut.»

«Das werde ich, Sir. Aber ich habe nicht gewollt, nicht erwartet.»

Bolitho bemuhte sich um ein Lacheln.»Es ist Ihre Chance, Mr. Okes. Ergreifen Sie sie. «Wieder bohrte sich der Schmerz in seine Augen, aber Bolitho zwang sich weiterzusprechen, da er wu?te, da? er von allen beobachtet wurde.»Keine Sorge, Mr. Okes. Supreme hat einen vorzuglichen neuen Kommandanten und wird wieder kampfen.»

Okes starrte dem blinden Admiral nach, der von Stayt und Sheaffe ans Schanzkleid gefuhrt wurde.

Dann sagte er mit gebrochener Stimme:»Aye, und Sie auch, Sir, so Gott will.»

VIII Noch brennt das Feuer

Als die Ankertrosse der Argonaute steifkam, setzten die Manner bereits die Boote aus, wahrend aus anderen ein Landungstrupp gebildet wurde. Auch Icarus war vor Anker gegangen. Selbst ohne Teleskop konnte Keen die Geschaftigkeit auf ihrem Deck sehen.

Die Insel sieht so friedlich aus, dachte er. Da die Sonne in einer Stunde untergehen wurde, wollte er bald ein Landungskommando der Royal Marines zusammen mit einer Truppe von Houstons Schiff an Land setzen fur den Fall, da? dort noch Franzosen waren.

Er nahm den Hut ab und rieb sich die Stirn. Konnte sich an einem einzigen Tag so viel ereignen?

Er schaute hinuber zu der verankerten Brigg Rapid, an der mit Schlagseite der Kutter vertaut lag.

Warum hatte er Rapid losgeschickt, Bolitho zu suchen? Hatte ihm sein Instinkt das befohlen, hatte er die Gefahr gespurt? Es ware fast zu spat gewesen. Als man ihm die Szene beschrieb, sah er ihren jungen Kommandanten vor sich. Die Fregatte hatte in dem Augenblick abgedreht, in dem es nur noch eine weitere Breitseite gebraucht hatte, um ihr Zerstorungswerk zu vollenden. Aber Quarrell hatte schlicht erklart:»Da ich den Kampf mit dem uberlegenen Feind nicht aufnehmen konnte, setzte ich — wie fruher einmal Sir Richard — das Signal >Feind in Sicht<. Der Franzmann nahm an, das Geschwader folge mir auf dem Fu?e, und verzog sich. Und das war gut so, denn andernfalls lagen Supreme und mein eigenes Schiff jetzt auf dem Grund. «Seine Stimme wurde harter.»Ich hatte genausowenig wie der arme Hallowes unter den Augen unseres Admirals die Flagge gestrichen.»

Keen erinnerte sich an sein Erschrecken, als Bolitho auf einem Bootsmannsstuhl an Bord gehievt wurde. Das ganze Schiff hatte den Atem angehalten, oder so war es ihm zumindest vorgekommen. Er hatte auf ihn zulaufen, ihn umarmen wollen, spurte aber im letzten Augenblick, da? Bolitho ohnehin an dieser Ruckkehr fast zerbrach.

Der Empfang fiel Allday zu, der an den Seesoldaten und zuschauenden Offizieren vorbeiging, Bolitho am Ellbogen nahm und fast unbeschwert sagte:»Willkommen an Bord, Sir. Wir haben uns ein bi?chen gesorgt, aber jetzt, wo Sie wieder da sind, ist ja alles in Ordnung.»

Doch als die beiden an ihm vorbeigingen, hatte Keen gesehen, da? Allday nur schauspielerte.

Den ganzen Tag uber waren die Boote mit Trinkwasserfassern zwischen den Schiffen und dem Land hin- und hergefahren, und die Arzte des Geschwaders hatten auf der Supreme ihr moglichstes getan.