Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik, стр. 71

Bolitho schuttelte den Kopf.»Nein, M'sieu. Sie verdienen, ihn zu behalten.»

Damit wandte er sich ab und schritt zum Schanzkleid hinuber, wahrend ihm Jubel- und Hurrageschrei in den Ohren gellte.

Viele Hande packten zu und halfen ihm auf das trummerubersate Deck von Achates hinuber, wo er als erstes Fahnrich Ferrier und Bootsmann Rooke gewahrte, die strahlend ihre Hute schwenkten.

Wenn sie doch nur damit aufhoren wurden!

Er lie? den Blick uber die stummen Gestalten schweifen, die auf dem Batteriedeck hingestreckt lagen. Wie war es bestellt um die Ruhe dieser Tapfersten von allen? Und wie um die Verwundeten, die jetzt im Orlopdeck den Preis fur seinen Sieg entrichteten?

Er wandte sich um, als er Alldays schleppenden Schritt naherkommen horte, und sah, da? sein alter Bootsfuhrer Joberts Flagge uber der Schulter trug.

Bolitho packte ihn am Arm.»Alter Halunke! Wirst du denn nie tun, was man dir sagt?»

Alldays Atem ging pfeifend, aber er schuttelte grinsend den Kopf.»Kaum, Sir. Alter Hund lernt keine neuen Tricks.»

Mit feuchten Augen trat Bolitho an die Reling, wo Keen in einem abgesplitterten, blutbefleckten Stuhl lehnte, wahrend Tuson seine Wunde untersuchte.

Heiser sagte Keen:»Wir haben's also geschafft, Sir. Wie ich hore, ist das Schiff, das auf uns zuhalt, ein 74er. «Und mit dem Schatten eines Lachelns:»Auf ihm konnen Sie Ihre Flagge setzen und lange vor uns zu Hause sein.»

Die Jubelrufe wollten immer noch nicht verstummen, stellte Bolitho fest. Drei gegen einen hatte es gestanden. Aber sie hatten gesiegt, und das wurde man bald in ganz England erfahren.

Leise sagte er:»Nein, Val. Meine Flagge bleibt auf Ihrem Schiff. Wir segeln gemeinsam nach Hause. Und zwar«, schlo? er mit einem melancholischen Lacheln,»auf dem alten Kathchen.»

Epilog

Bolithos Heimkehr wurde ein gro?eres Fest, als er wahrend der langen Monate seiner Abwesenheit zu hoffen gewagt hatte. Und doch, wie vorausgeahnt, stimmte es ihn auch traurig. Das Abschiednehmen in Plymouth war ebenso bewegend wie der Willkomm, als die narbenbedeckte, arg mitgenommene Achates den Anker hatte fallen lassen; ihre Prise, die Argonaute, wurde sofort ins Trockendock ubernommen.

Fur das Schiff mu?te es ein stolzer Augenblick gewesen sein, uberlegte Bolitho, auch wenn alle Pumpen mit Hochstleistung arbeiteten — wie jeden Tag und jede Stunde seit dem Gefecht. Selbst mit dem zusammengebastelten Behelfsrigg schaffte es das alte Kathchen, noch ke? und unternehmungslustig auszusehen, auch wenn die Nationale nur auf der Halfte ihrer vorgeschriebenen Hohe auswehte. Achates' Anblick trieb die Menschen in Scharen auf dem Ufer zusammen.

Adam hatte Bolitho mit ernstem Gesicht von der zerschossenen Hutte herabsteigen gesehen, um sich von den Mannern zu verabschieden, die ihm seit ihrem Aufbruch vor einem Jahr so vertraut geworden waren: Scott und Trevenen, Hawtayne und der junge Ferrier. Dann Tuson, der Schiffsarzt, der Keen einen daumengro?en Metallsplitter aus den Rippen geschnitten hatte. Und auch der kleine Evans, aus dem so fruh ein Mann geworden war.

Aber Bolitho dachte auch an jene, die er niemals wiedersehen wurde, die den Triumph der Heimkehr nicht mit ihnen teilen konnten.

In wenigen Monaten wurde das eroberte Linienschiff unter britischer Flagge segeln, eine hochwillkommene Verstarkung der dezimierten Flotte. Aber Achates hatte das Gefecht schlechter uberstanden als vermutet. Die blauen Gewasser der Karibik wurde sie kaum wiedersehen, sondern ihre Tage als abgetakelte Hulk, als Unterkunft fur durchreisende Seeleute beschlie?en.

Die Ruckfahrt durch den Kanal war langsam und muhsam gewesen, und sie hatten sich so dicht unter der Kuste Cornwalls halten mussen, da? Adam in die Besansaling aufgeentert war, um mit dem Fernrohr Ausschau zu halten.

Als er wieder unten stand, sagte er nur:»Ich habe ein Stuck vom Haus gesehen, Onkel. «Jetzt erst begriff er, wie nahe er daran gewesen war, es nie mehr wiederzusehen.»Das Vorland ist schwarz vor Menschen, sie stehen bis nach St. Anthony.»

Trotz des warmen Fruhjahrswindes kamen sie nur so langsam voran, da? Bolitho eine Kutsche nach Plymouth entgegengeschickt wurde.

Er war dankbar, da? Belinda nicht selbst gekommen war, denn wenn sie gesehen hatte, wie sein beschadigtes Schiff in den Hafen hinkte, ware sie vor Sorge au?er sich gewesen.

Ein letztes Mal hatte Keen ihn in der Barkasse an Land begleitet. Die Menschenmenge am Kai jubelte und warf ihre Hute in die Luft, die Frauen hoben ihre kleinen Kinder hoch, damit sie Bolitho sehen konnten. Die Nachricht von seinem Sieg war ihm weit vorausgeeilt. Aber Bolitho bemerkte auch, da? unter den Zuschauern nur wenige junge Manner waren.

Denn wieder einmal lag England im Krieg mit seinem alten Feind, und wen die Werber ubriggelasen hatten, den hatten die Pre?kommandos bei dieser Gelegenheit nur zu schnell aufgegriffen.

Auch von Tyrrell hatte er sich verabschiedet, mit mehr Ruhrung als erwartet. Aber Tyrrells verbissene Halsstarrigkeit machte eine Trennung unumsto?lich.

Tyrrell hatte Bolithos Hande in beide Pranken genommen und gesagt:»Ich schaue mich erst ein bi?chen um, Dick. Mal sehen, ob es mir hier gefallt.»

Bolitho beharrte:»Trotzdem, kommen Sie bald in Falmouth vorbei. Und vergessen Sie uns nicht.»

Tyrrell warf sich den Seesack uber die Schulter.»Vergessen hab' ich Sie nie, Sir. Und werd's auch jetzt nicht tun.»

Seitdem war schon eine Woche vergangen. Bolitho stand am Fenster, blickte hinaus auf den schattigen, blumenubersaten Garten und konnte es kaum glauben.

Bei ihrem ersten Wiedersehen hatten sich Freude und Ruhrung die Waage gehalten.

Belinda pre?te die Stirn an seine Brust und flusterte:»Ich habe Ferguson uberredet, mit mir zum Vorland zu fahren. Da sah ich dich vorbeisegeln. Das arme kleine Schiff! Ich war ganz entsetzt, aber auch sehr stolz auf dich. «Sie hob den Blick zu seinem Gesicht, suchte darin die Spuren des Uberstandenen.»Und alles war voll jubelnder

Menschen. Sie wu?ten naturlich, da? du sie nicht horen konntest, aber sie wollten dich trotzdem willkommen hei?en.»

Bolitho sah, da? Allday sich im Garten mit einem Lakai unterhielt; er brachte ihn zum Lachen, wohl mit einem alten Seemannsgarn. Auch mit Allday war ein Bild verbunden, das er nicht so schnell vergessen wurde: wie sein alter Bootsfuhrer steif aus der Kutsche geklettert war und sich bemuht hatte, auf der Stein treppe nicht zu hinken.

Belinda war ihm entgegengekommen, hatte ihm die Arme um den Hals gelegt und leise gesagt:»Danke, Allday, da? Sie mir meine Manner heimgebracht haben. Ich wu?te, Sie wurden es schaffen.»

So hatte sie ihn langsam wieder zum Leben erweckt — wie das alte Haus, dachte Bolitho. Ihre heitere Gegenwart war uberall fuhlbar.

Die Woche war im Nu vergangen, obwohl sie keine Besuche gemacht oder empfangen hatten. Ihre Einfuhlsamkeit, ihre leidenschaftliche Liebe hatte sie einander noch naher gebracht.

Dabei fiel ihm wieder der Augenblick ein, als er seine Tochter zum erstenmal auf den Arm genommen hatte.

Halb lachend, halb weinend hatte Belinda ihn ermutigt:»Nimm sie hoch, Richard! Sie ist doch nicht aus Glas!»

Elizabeth. Ein ganz neuer Mensch. Belinda hatte den Namen allein ausgesucht, so selbstverstandlich, wie sie auch das ganze Hauswesen allein gefuhrt hatte.

Fur Bolitho hatte alles au?erhalb seiner Familie an Bedeutung verloren. Rivers war in derselben Kutsche wie Jobert nach London gebracht worden. Der franzosische Admiral wurde eines Tages bestimmt ausgetauscht werden, aber fur Rivers sah die Zukunft viel ungewisser aus.

Wieder warf Bolitho einen Blick aus dem Fenster, aber Allday war verschwunden. An den Gedanken, da? sich England wieder im Krieg befand, konnte er sich nur schwer gewohnen. Wodurch war der Frieden verspielt worden?