Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik, стр. 43

Die britischen Marinesoldaten drangten mit grimmigen Gesichtern auf der dem Feind zugekehrten Seite an die Reling und schossen in das Gedrange auf dem Achterdeck; der Drill war vergessen, jeder feuerte, so schnell er konnte.

Und nun zog Hauptmann Dewar seinen Sabel.»Vorwarts, Soldaten!»

Die roten Uniformrocke mit den wei?en Brustriemen sturzten sich in die Rauchschwaden; auch wenn die Stiefel immer wieder im Blut ausrutschten, die Bajonette bahnten ihnen eine Gasse durch die Verteidiger, bis die Soldaten die erste Welle der Enterer auf dem Deck des Feindes erreicht hatten.

Keen war nach vorn gerannt, um seine Leute anzufeuern; trotz der Verluste im feindlichen Feuer horte Bolitho immer wieder Hurrageschrei, das noch anschwoll, als die ersten das Achterdeck erreichten.

Plotzlich stie? Achates' Bootsmann einen Warnruf aus:»Feuer! Sie haben Feuer an Bord!»

Im selben Augenblick sah Bolitho druben Rauchfaden aufsteigen.

Die Fauste um den Handlauf gekrampft, starrte Tyrrell zum Feind hinuber, wo die ersten bereits ihre Waffen wegwarfen und um Gnade flehten, hart bedrangt von den wie im Rausch fechtenden Englandern.

«Mr. Hawtayne!«rief Bolitho.»Lassen Sie den Trompeter zum Ruckzug blasen! Klar zum Loswerfen!»

Eine dumpfe Explosion erschutterte beide Rumpfe, aus dem Vordeck druben quoll jetzt dicker schwarzer Rauch. Wenn das Schiff in Flammen aufging, drohte Achates das gleiche Schicksal.

Sich den Schwei? vom Gesicht wischend, kehrte Keen zuruck und suchte mit den Blicken seine Offiziere und Maaten, als eine zweite Explosion den Ernst der Lage unterstrich.

Ihre Verwundeten hinter sich herzerrend und einige wenige Verfolger abwehrend, rannte Achates' Entermannschaft auf ihr eigenes Schiff zuruck.

Sobald die letzte Verbindungsleine gekappt war, begann der fremde Zweidecker hilflos nach Lee abzutreiben, da sein Ruder entweder entzweigeschossen oder unbemannt war. Leichen trieben im Wasser zwischen den beiden Schiffen, leblose Gestalten hingen in Webeleinen und Netzen, wie die Kugeln sie ereilt hatten.

«Setzt die Breitfock! Holt dicht den Kluver! Entert auf und setzt die Bramsegel!«Quantocks rauhe Stimme ubertonte das Chaos und sorgte fur zielgerichtetes Handeln.

Auf dem Batteriedeck des Feindes leckte eine gewaltige Feuerzunge gen Himmel und brachte herumliegende Pulverladungen zur Explosion. Wie betaubt rannten Manner zwischen Gefallenen und Trummern herum, niemand machte auch nur den Versuch, das Schiff zu retten.

Als Ruder gelegt wurde, wandte Achates sich langsam von dem geschlagenen Feind ab und entblo?te dabei dessen Wunden: Blutspuren an der Bordwand, weggeworfene Waffen und Kanonenrohre, die wie aus eigenem Antrieb immer noch qualmten.

Eine weitere Explosion drohnte ubers Wasser, brennende Holz- und Riggstucke schlugen gefahrlich nahe bei Achates ein; aber sie nahm jetzt mehr und mehr Fahrt auf, weil ihre durchlocherten und rauchgeschwarzten Segel sich mit Wind zu fullen begannen.

Mehrere kleinere Explosionen, gefolgt von einer Funkenfontane mittschiffs: Flammen zungelten an Masten und Segeln empor, bis die ganze Takelage ein Feuermeer war. Binnen weniger Sekunden wurden Leinen und Tuch zu Asche, Manner sprangen — manche selbst brennend — ins Meer, wo andere wild um sich schlagend schon nach Wrackteilen suchten, an die sie sich klammern konnten, wahrend das Schiff lodernd davontrieb.

Bolitho sah zu und dachte an Sparrowhawk, fuhlte aber keine Genugtuung. Jubelnd umarmten sich seine Leute. Sie hatten uberlebt — ein weiteres Mal. Fur viele war es das erste Gefecht gewesen.

Die spanische Fregatte, die sich wahrend der ganzen Zeit mit der Rolle des unbeteiligten Zuschauers begnugt hatte, segelte jetzt vorsichtig auf das brennende Wrack zu. Sie verdeckte Achates die Sicht auf ihr Opfer, wohl um sich unbeobachtet schuldig zu machen. Aber die Spanier sagten sich wahrscheinlich, da? Tote nichts mehr bezeugen konnten. Ein grelles Aufblitzen und eine gewaltige Detonation lie?en allen Jubel bei den Englandern wie abgeschnitten verstummen.

Das besiegte Schiff rollte sich auf die Seite, die brennenden Stuckpforten starrten wie zornrote Augen himmelwarts.

Ihre Verbande gaben wohl nach, denn sie sank jetzt sehr schnell.

Unter Deck mu?ten die losgerissenen Kanonen die Agonie der Eingeschlossenen noch verstarken.

Bolitho sah Midshipman Evans hinuberstarren auf das Ende; aber sein Gesicht war tranenna?, nicht schadenfroh, und Bolitho wu?te, warum.

Evans sah vor sich nicht die gerechtfertigte Vernichtung eines verha?ten Feindes, sondern durchlebte noch einmal den Untergang seiner

Sparrowhawk.

Leise sagte Bolitho:»Kummere dich bitte um Mr. Evans, Adam. Er macht jetzt eine Krise durch.«. Keen trat heran und griff gru?end zum Hut.

«Wie hoch ist der Blutzoll, den wir dafur bezahlen mu?ten?«fragte ihn Bolitho.

Aber beide fuhren herum, als die Luft unter einer letzten Explosion erbebte. Das feindliche Schiff drehte wie ein todlich getroffener Riesenwal den Bauch nach oben und versank.

Gedampft sagte Keen:»Nicht viel hat gefehlt, dann waren wir jetzt an deren Stelle.»

Bolitho reichte Allday seinen Sabel.»Ich verstehe, Val. Dann ist wohl der Blutzoll noch immer nicht ganz bezahlt.»

ХII Der Brief

Electras jugendlicher Kommandant, Kapitanleutnant Napier, hatte sich mitten in Bolithos Tageskajute aufgebaut, um seinen Bericht zu erstatten.

In Mi?achtung seiner Befehle war Napier mit seiner Brigg ausgelaufen, um dem ramponierten Zweidecker auf den letzten zwei Meilen bis zur Reede von San Felipe das Geleit zu geben.

So sehr er sich auch bemuhte, Napier hatte nicht verhindern konnen, da? seine Blicke neugierig umherschweiften, sowie er den Fu? an Bord gesetzt hatte, Zwischen den in alte Segel eingenahten Toten, die auf ihre Bestattung warteten, gingen die erschopften, abgerissenen Matrosen ihrer Arbeit nach und hoben kaum den Blick vom Splei?en, Nahen oder von den Taljen, mit denen sie Ersatzteile zu den Toppsgasten in den Rahen hinaufhievten.

Bolitho dachte wieder an die letzten Augenblicke seines Gegners. Immer noch wu?te er nicht den Namen des Schiffes. Doch bald wurde er ihn erfahren, ebenso den des Kommandanten. Auch wenn die spanische Fregatte so bemuht gewesen war, durch ihr Dazwischenkommen jeden Bergungsversuch Uberlebender zu verhindern.

Napier berichtete:»Es kreuzten doch tatsachlich zwei spanische Kriegsschiffe vor der Kuste auf. Sie wollten einen Landungstrupp auf der Missionsinsel absetzen.»

Er schien uberrascht, da? der Admiral ihn zu diesem Vorfall nicht naher befragt hatte. Aber Bolitho war so mude gewesen, da? er Na-piers sauber abgefa?ten Bericht lediglich uberflogen hatte.

Nun raffte er sich auf und ging zu den offenen Heckfenstern hinuber, wahrend Achates die Insel ansteuerte. Immer noch roch er Schwei? und Asche, den Gestank des Gefechts, den Todesatem.

«Wie haben Sie sich verhalten?»

Napier erinnerte sich stolzgeschwellt an seine schonsten Augenblik-ke als Gouverneur auf Zeit.

«Ich habe sie verscheucht, Sir. Lie? die Festungsbatterie einen Schu? abfeuern, um ihnen Beine zu machen.»

Ihnen Beine machen. Bolitho hatte gern daruber gelacht, aber er wu?te, da? er dann vielleicht nicht mehr aufhoren konnte.

Wann und wo wurde das alles enden? Tyrrell hatte ihn verraten, oder hatte es jedenfalls bis zum letzten Moment vorgehabt. Und jetzt gierten nicht nur die Franzosen nach der Insel, sondern auch die Spanier.

Keen betrat die Kajute.»Wir laufen in den Hafen ein, Sir«, meldete er.»Der Wind bleibt stetig aus Sudost. «Er wirkte uberanstrengt und so ausgelaugt, als fuhle er die Blessuren seines Schiffes am eigenen Leibe.

Seit dem Gefecht waren die Pumpen fast nicht mehr verstummt, denn Achates hatte zwei schwere Treffer nahe der Wasserlinie eingesteckt. Und ein >langer Neuner<, wie die Zweiunddrei?igpfunder genannt wurden, konnte auf einem 22 Jahre alten Schiff schrecklichen Schaden anrichten.