Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik, стр. 15

«Das ist es. «Adam stellte fest, da? ihm dieser Wunsch von Herzen kam.

Aus dem Fenster der Bibliothek sah Bolitho Adam und Robina die Terrasse uberqueren. Ihr Anblick ruhrte ihn, denn in seinen Augen war es hochste Zeit, da? Adam ein bi?chen Freude am Leben fand — und sei es nur vorubergehend. Seit er sich zu Fu? von Penzance nach Falmouth durchgeschlagen hatte, in der Hoffnung auf einen Platz in der Familie Bolithos, hatte er nur Krieg und den harten Dienst in der Marine kennengelernt. Noch immer sah Bolitho den dunnen, eingeschuchterten Jungen von damals vor sich: furchtsam, aber mit der trotzigen Unruhe eines Fohlens. Nun glaubte er, Robina lachen zu horen. Ja, er gonnte Adam diese Ablenkung.

Ein Lakai offnete beide Turflugel, und ein hochgewachsener Mann in flaschengrunem Rock und wei?en Strumpfen betrat die Bibliothek.

«Und hier ist nun Samuel Fane aus Washington«, stellte Chase ihn vor.

In Fanes schmalem, unbewegtem Gesicht schien sich das Leben ganz in die tiefliegenden, funkelnden Augen zuruckgezogen zu haben, die dicht an der kraftigen Hakennase sa?en.

«Und Sie sind Vizeadmiral Bolitho«, nickte er statt eines Gru?es.»Also, kommen wir zur Sache.»

Bolitho lie? den schon ausgestreckten Arm sinken. Vielleicht mochte Fane nicht mit einem alten Feind einen Handedruck tauschen. Verstandlich, aber trotzdem ein Affront.

Seltsamerweise lie? ihn das irgendwie gelassener werden: die innere Ruhe vor einem Duell, wenn man sich damit abgefunden hat, da? jede Hoffnung auf eine einfache Losung nur Selbsttauschung ware.

Im gleichen trockenen Ton fuhr Fane fort:»San Felipe. Wurden Sie mir bitte erklaren, Admiral, weshalb Ihre Regierung sich fur berechtigt halt, diese Insel und ihre Bevolkerung wie etwas Wertloses we g-zuwerfen? Woher nimmt sie dieses Recht?»

«Beruhigen Sie sich, Sam«, mahnte Chase unbehaglich.»Sie wissen doch, da? die Sache anders liegt.»

«We i? ich das?«Die tiefliegenden scharfen Augen lie?en Bolitho keine Sekunde los.

Bolitho lachelte andeutungsweise.»So wurde es beim Friedensschlu? vereinbart. Und das wissen Sie sicherlich. Ich darf doch annehmen, da? die franzosische Regierung Sie uber Amiens ins Bild gesetzt hat?»

Chase mischte sich argerlich ein.»Naturlich hat sie das. Sagen Sie's ihm, Sam, und kommen Sie von Ihrem hohen Ro? herunter. Der Krieg ist aus, vergessen Sie das nicht.»

Fane warf ihm einen kalten Blick zu.»Das kann ich schon deshalb nicht vergessen, weil ich standig daran erinnert werde, wie gut manche aus dem Blut der Opfer Geld zu machen verstanden.»

Bolitho sah Chases Blick wutend aufflackern.»Ich dachte, Frankreich sei Ihr Freund und Verbundeter?«wechselte er das Thema.

Fane zuckte die Schultern.»So war es. Vielleicht wird es auch kunftig so sein. Aber was San Felipe betrifft, das im Suden vor unserer Haustur liegt, so gilt das nicht.»

«Die Menschen auf San Felipe sind britische Untertanen«, stellte Bolitho fest.

Chase grinste.»Das waren auch die meisten von uns. Fruher.»

Fane schien ihn nicht gehort zu haben.»Vor einiger Zeit erhielt ich eine Depesche des Gouverneurs von San Felipe. Die Uneinsichtigkeit der britischen Regierung bereitete ihm naturgema? Sorgen. Er ist nicht geneigt, die ihm aufgezwungene Losung zu akzeptieren, das hei?t, eine bluhende Insel vor den Franzosen zu raumen oder — von ihnen geduldet — unter franzosischer Flagge dort weiterzuwirken.»

«Das verstehe ich.»

«Wirklich, Admiral? Das la?t mich hoffen. Aber wie dem auch sei, die Regierung der Vereinigten Staaten ist nicht gewillt, tatenlos zuzusehen, wenn Menschen wie afrikanische Sklaven von einer Hand in die andere verschachert werden.»

Bolitho war aufgesprungen und horte sich zu seiner eigenen Uberraschung wutend erwidern:»Dann ist es sinnlos, da? Sie meine Zeit verschwenden, Mr. Fane. Oder ich die Ihre!»

Hastig sagte Chase:»Aber nicht doch, meine Herren! Schockschwerenot, Sam, der Admiral ist mein Gast. Ich dulde es nicht, da? ihr euch anfaucht wie zwei Wildkater!»

Fane milderte seinen Ton.»Dann werden wir einen Kompromi? finden mussen.»

Bolitho setzte sich wieder.»Welchen, zum Beispiel?»

«Wenn San Felipe den Wunsch au?ert, sich unter den Schutz der Vereinigten Staaten zu begeben, wird meine Regierung dies wohlwollend aufnehmen.»

«Kommt nicht in Frage.»

«Aber wenn die Franzosen einverstanden sind, Admiral? Waren Sie es dann auch?»

Bolitho blickte zu Chase hinuber, aber der starrte nur einen Walkiefer an.

Fur Chase war das nichts Neues, er hatte es langst gewu?t — wie alle hier: Es war kein Kompromi?, nicht die Spur davon. Es war Erpressung.

Bolitho zwang sich zur Ruhe.»Der Gouverneur war zu diesem Ersuchen nicht berechtigt, weder bei Ihnen noch anderweitig. Wir sind hier in einer tragischen Entwicklung der Geschichte befangen, konnen aber nichts daran andern.»

Fane musterte ihn unbewegt.»Das bleibt abzuwarten. «Schlie?lich fugte er hinzu:»Ihr Flaggschiff kann der Gastfreundschaft meiner Regierung sicher sein. Diese Angelegenheit la?t sich nicht so schnell bereinigen. Sie will gut bedacht werden.»

Bolitho nickte. Fane hatte ihn also nur testen oder provozieren wollen. Aber aus welchem Grund?

Er konnte es sich nicht verkneifen, Fane festzunageln.»Ihre Regierung hat auch einem anderen britischen Schiff ihre Gastfreundschaft zugesichert, Mr. Fane: der Sparrowhawk. Sie wird bald zu mir sto?en.»

«Ja, ich wei?«, knurrte Fane und schob die Hande unter seine Frackscho?e.»Ich mu? mich jetzt verabschieden. «Und mit einem kurzen Nicken:»Admiral…»

Chase begleitete den Gesandten aus der Bibliothek, und Bolitho trat wieder ans Fenster. Aber statt des blonden Madchens am Arm des jungen Offiziers sah er nur Dunkelheit.

Bolitho wandte sich um, als er Chases schweren Schritt zuruckkehren horte.

In gewisser Hinsicht war das eben schwieriger gewesen als ein Seegefecht, uberlegte er. Und viel unergiebiger.

V Der Schlachter

In den Wochen nach der Abendgesellschaft bei Chase wurde Bolithos Geduld auf eine harte Probe gestellt. Zwar setzten Jonathan Chase und einige andere reiche Bostoner Burger ihren Ehrgeiz darein, den Offizieren der Achates' Kurzweil und abendliche Einladungen zu bieten; aber trotzdem qualte Bolitho der Gedanke, da? zwischen dem Ausbleiben jeglicher Nachricht und der mangelnden Kooperationsbereitschaft Samuel Fanes irgendein Zusammenhang bestand.

Vielleicht, so grubelte er, hatte er den Zeitplan, den ihm seine Befehle vorschrieben, ignorieren und als erstes San Felipe anlaufen sollen, damit der Eroffnungszug nicht Captain Duncan von der Sparrow-hawk uberlassen blieb. Aber dieser Schritt hatte als Einschuchterung — oder Schlimmeres — ausgelegt werden konnen.

Uberhaupt — wo blieb die Sparrowhawk? Worauf war Duncan gesto?en, das wichtig genug war, sein Eintreffen in Boston zu verzogern?

An diesem Tag hatte Bolitho sein Mittagessen nicht angeruhrt. Obwohl Fleisch und Brot frisch waren, von Chase mit einem Boot als Geschenk an Bord geschickt, hatte er keinen Bissen davon herunterbekommen.

Auf allen Decks herrschte mittagliche Ruhe. Rumdufte schwangerten die hei?e Luft, weil in den Messen die Tagesration ausgegeben wurde.

Vielleicht hatte Sheaffe vorausgesehen, da? Bolithos Auftrag blo?e Zeitverschwendung sein wurde und nur zu scharfen Auseinandersetzungen mit den Amerikanern fuhren mu?te. Bolitho zupfte an seinem schwei?nassen Hemd, zwang sich aber, sitzenzubleiben, weil er sonst nur wieder ruhelos in seiner Kajute auf und ab getigert ware.

Belinda. Er wandte sich um und starrte durch die Heckfenster, bis seine Augen tranten. Inzwischen mu?te alles vorbei sein. Entweder hatten sie jetzt ein Kind, oder…

Es war Belindas erstes Kindbett. Da konnte alles mogliche passiert sein.

Achates schwojte an ihrer Ankertrosse und ruckte die fernen Hafengebaude in Bolithos Blickfeld. Er wollte lieber wieder auslaufen. Wollte etwas tun.