Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya, стр. 18

Allday hielt ihm den Rock hin, und er schlupfte hinein. Als er

Neale einen Seufzer aussto?en horte, sagte er:»Keine Sorge, heute wird es keine Scharfschutzen geben.»

Der Admiralsrock tat sofort seine Wirkung. Einige Seeleute riefen hurra, und die Seesoldaten, die im Gro?mars die Drehbassen bemannten, schwenkten ihre Hute, als feierten sie ein besonderes Ereignis.

Leise sagte Neale:»Sie danken es Ihnen, Sir. Solche Beweise brauchen sie.«»Und Sie? Was brauchen Sie?»

Neales Gesicht uberzog ein breites Grinsen, das ebenso spontan hervorbrach wie eben noch das Jubelgeschrei.

«Ihre Flagge weht auf meinem Schiff, Sir. Das erfullt alle an Bord mit Stolz, ganz besonders aber mich. «Sein Blick blieb auf Bolithos glanzenden Epauletten haften.»Eine Menge Leute wurden heute gern mit mir tauschen.»

Bolitho schaute an ihm vorbei ins schaumende Wasser.»Dann also los. «Er sah Browne herzueilen, der seine Seekrankheit offenbar vollig uberwunden hatte.»Sind Sie soweit, Kapitan Neale?»

Neale legte beide Hande um den Mund und rief:»Klar zur Wende, Mr. Pickthorn! Kurs Sudost!»

Als die Rahen herumschwangen und der Rumpf unter dem starkeren Winddruck tiefer eintauchte, wandte Styx den Bug gehorsam nach Steuerbord, bis er auf die Mitte der Einfahrt zeigte. Von dem Manover uberrascht, zeigte die Yawl sich zum erstenmal in ganzer Lange, wie in der Bewegung erstarrt und vom Kluverbaum der Fregatte aufgespie?t.

«Sudost liegt an, Sir!»

«Setzen Sie die Royals, Mr. Pickthorn. Dann lassen Sie laden und ausrennen!»

Bolitho stand dicht an der Reling und sah die Insel wieder von Steuerbord herangleiten; uber ihr hing vom Wind zerfaserter Rauch: brennendes Unkraut oder eine Feueresse, in der schon Kugeln erhitzt wurden? Styx naherte sich dem Sund mit sehr schneller Fahrt, weil Royals und Bramsegel jetzt voll zogen. Auf ein Pfeifensignal hoben sich zu beiden Seiten die Klappen uber den Stuckpforten. Ein zweites Signal, und die Kanonen wurden ausgefahren. Die schwarzen Rohre schimmerten gefahrlich wie Hauer im Licht der schon tiefstehenden Sonne.

Trotz des warmen Uniformrocks frostelte Bolitho. Falls die Franzosen uber ihre Absichten bisher noch Zweifel gehegt hatten — jetzt mu?ten sie klarsehen.

Ohne sich nach ihnen umzuwenden, wu?te er Allday und Browne dicht hinter sich und Neale in seiner Nahe. Die beiden anderen Offiziere der Fregatte gingen hinter den Kanonen unten langsam auf und ab, ihre Sabel wie Spazierstocke geschultert. Das waren die Manner, die das Volk, das sie verteidigten, nie so zu Gesicht bekam. In der Admiralitat mochten Strategien und Einsatzplane entwickelt werden — in die Tat umgesetzt wurden sie von Mannern und Knaben wie diesen mit ihrem Kampfgeist. Bolitho lachelte in sich hinein, weil ihm einer seiner fruheren Kommandanten einfiel, der diesen Gedanken schon vor ihm formuliert hatte.

Einige der Umstehenden sahen des Admirals Lacheln und wu?ten, da? es ihnen galt. So wie dieser Tag ihnen gehorte.

V Auf sich allein gestellt

«Sieben Faden am Lot!«Den gespannt lauschenden Mannern auf dem Achterdeck klang das Aussingen des Lotgasten unnaturlich laut.

Bolitho blickte schnell nach oben, als das Gro?segel und die Breitfock sich in einer leichten Brise fullten und steifstanden. Wind konnte man das zwar nicht nennen, aber da alle Segel der Styx nun optimal zogen, brachte sie es immerhin auf acht bis neun Knoten Fahrt durchs Wasser.

Steuerbord voraus wurde die Insel langsam gro?er. In den letzten Minuten, so kam es Bolitho vor, war die Sonne daruber hinweggewandert, deshalb lag die vorderste Landzunge schon im Schatten.

Immer noch feuerten die Bugkanonen in regelma?igen Intervallen auf die franzosische Yawl, die weit vor Styx' Galion ihre Haken schlug, weil der Kapitan offenbar sein Schiff weiterhin fur das

Ziel der Fregatte hielt. Neale lie? sein Teleskop sinken.»Die Dammerung kommt fruh heute abend.»

Bolitho schwieg und konzentrierte sich auf die kleine Insel. Wahrend die Fregatte immer tiefer in den Sund vordrang, spurte er, wie die Spannung wuchs, und uberlegte, was die Franzosen dort jenseits des schmalen Fahrwassers wohl taten. Beschossen hatte man sie nicht mehr, deshalb fragte er sich mit nagender Sorge, ob er sich nicht doch verrechnet hatte und die Insel vollig unwichtig war.

Allday scharrte mit den Fu?en und murmelte:»Die schlafen wohl, das Pack!»

«Ich sehe Rauch«, meldete sich Browne.»Dort unten, dicht uberm Boden.»

Neale hastete herbei, stie? einen Midshipman zur Seite, als ware er ein leerer Sack.»Wo?«Wieder richtete er sein Fernrohr auf die Insel.»Verdammt, das ist nicht Rauch — das ist Staub!»

Bolitho schwenkte sein Teleskop in die von Neale angezeigte Richtung. Es war tatsachlich Staub, und zwar wurde er von einem Pferdegespann aufgewirbelt, das jetzt hinter niedrigem Gebusch hervorpreschte und ein Feldgeschutz auf einer Protze polternd hinter sich herzog, offenbar zur anderen Seite der Insel. Minuten spater folgte ein zweites Gespann mit einer Kanone, und die sinkende Sonne reflektierte kurz auf Uniform und Ausrustung der Vorreiter.

Bolitho schob das Fernrohr zusammen und bemuhte sich, sein Triumphgefuhl zu beherrschen. Also hatte er sich doch nicht geirrt! Die Franzosen fuhlten sich hier so sicher, da? sie sich auf Feldartillerie verlie?en, statt eine feste Kustenbatterie zu installieren. Wahrscheinlich wollten sie die Kanonen wieder aufs Festland schaffen, sobald die neuen Landungsboote erst zu ihrem endgultigen Ziel unterwegs waren.

Kein Wunder, da? Styx nach den ersten Warnschussen nicht mehr unter Feuer genommen worden war. Die Schu?folge war auch viel zu exakt gewesen, daraus lie? sich auf Artillerie schlie?en, die nur an den Krieg zu Lande gewohnt war. Ein Schiffskanonier hatte jedes Geschutz sorgsam gerichtet und abgefeuert, nur um ganz sicherzugehen und keine Munition zu verschwenden. Der begrenzte Munitionsvorrat an Bord stand einem Seemann immer vor Augen, er hatte auch an Land seine Technik nicht geandert.»An Deck!»

Neale wischte sich mit dem Handrucken uber den Mund und brummte:»Na, los doch, Mann, spuck's aus!»

Aber der Ausguckposten im Masttopp war viel zu gut gedrillt, als da? er sich von den ungeduldigen Kameraden da unten hatte irritieren lassen.

Als er sich seiner Sache sicher war, rief er:»Schiffe vor Anker — knapp hinter der Landspitze, Sir!»

Einer der Lotgasten vorn sang aus:»Funf Faden, abnehmend!«Aber bis auf Bundy, den Master, schien das keinen zu kummern. Einige starrten voraus, andere nach oben zum Ausguck, auf dessen nachste Meldung sie ungeduldig warteten.

«Da ankern ein Dutzend Schiffe oder mehr, Sir!«Trotz der Distanz war das unglaubige Staunen in der Stimme des Postens nicht zu uberhoren, als er hinzufugte:»Nein, Sir — sehr viel mehr!»

Neale schlug sich mit der rechten Faust in die linke Handflache.»Wir haben sie, bei Gott!»

Bundy meldete sich zu Wort.»Wir kommen aufs Flach, Sir. «Neale starrte ihn so wutend an, da? er erganzte:»Tut mir leid, Sir, aber das mussen Sie wissen.»

«Vier Faden!«Die Stimme des Lotgasten klang wie ein Trauergesang. Der Erste Offizier trat zu Bundy an die Seekarte.»Immer noch ablaufendes Wasser. «Vielsagend blickte er seinen Kommandanten an und sah dann zu den Rahen auf.

Neale reagierte endlich.»Setzen Sie die Leesegel. Wir wollen den Tidenstrom ausnutzen. «Mit einem Blick zu Bolitho fugte er hinzu:»Falls Sie einverstanden sind, Sir.»

«Gewi?. Im Augenblick ist Schnelligkeit fur uns am wichtigsten.»

Und dann verga? Bolitho die Rufe der Toppsgasten, die hoch oben die Leesegel ausbrachten, das Trommelfeuer der Befehle und

Knirschen der Hei?leinen, denn als das Schiff auf konvergierenden Kurs zur nachsten Landspitze einschwenkte, konnte er die ersten verankerten Landungsschiffe sehen. Kein Wunder, da? der Ausguck verblufft gewesen war. Dort lagen Dutzende und Aberdutzende, manche Seite an Seite, andere — wahrscheinlich die Morserboote oder Bombenwerfer — einzeln fur sich: eine wahre Armada kleiner Landungsfahrzeuge. Nur zu leicht konnte Bolitho sich vorstellen, wie sie franzosische Dragoner und Infanteristen auf die Strande Sudenglands spien.