Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen, стр. 61

«Das kannst du noch nicht. Du glaubst, dein Vater sei ein Verrater gewesen und in Schande gestorben. «Er drehte sich, den plotzlichen Schmerz mi?achtend, abrupt um und sagte sehr deutlich:»Der Steuermannsmaat auf der Hyperion, der angebliche Mr. Selby, der sein Leben verlor, als er deines rettete, war Hugh, dein Vater.»

Pascoe prallte zuruck, als hatte Bolitho ihn geschlagen. Doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr dieser umbarmherzig fort:»Ich glaubte, damit sei alles begraben und vergessen. Hugh hatte bis dahin nichts von deiner Existenz gewu?t, aber als er es erfuhr, war er sehr stolz, das kann ich dir versichern. Ich nahm ihm das Versprechen ab, dir gegenuber das Geheimnis zu wahren. Sonst hatte es ihn das Leben gekostet, und ich wei? nicht, ob du damit fertig geworden warst. Als es dann geschah, starb er tapfer und fur einen guten Zweck.»

Bolitho bemerkte, da? Pascoe aufgestanden war und sich gegen die Bewegungen des Schiffes stemmte, als hatte er die Selbstbeherrschung verloren.

Pascoe sagte leise:»Daruber mu? ich erst nachdenken. «Er sah sich so verzweifelt in der Kajute um wie ein gefangenes Tier.»Ich — ich wei? nicht, was ich sagen soll. Mr. Selby… Ihn mochte ich sehr gerne. Wenn ich gewu?t hatte…»

«Ja.»

Bolitho sah, wie verwirrt und verzweifelt sein Neffe war, und fuhlte seine Hoffnung wie Sand in einem Stundenglas verrinnen. Er schaute zum Oberlicht auf, als er uber sich Schritte horte. Das Geschwader machte sich zum Treffpunkt vor der Einfahrt zum Sund auf.

Pascoe sagte plotzlich:»Ich sollte jetzt besser auf mein Schiff zuruckfahren, Sir. Ich kam an Bord, um Kapitan Herrick wegen dieses Babbage und des Fahnrichs Penels zu sprechen. «Er sah zu Boden.

«Und um Sie zu besuchen, naturlich.»

«Dafur danke ich dir, Adam.»

Pascoe zogerte, die Hand an der Turklinke.

«Werden Sie mir eines Tages noch mehr von meinem Vater erzahlen? Da ich jetzt die Wahrheit wei??»

Bolitho durchquerte den Raum und packte Pascoe fest bei den Schultern.»Selbstverstandlich werde ich das tun, hast du daran gezweifelt?»

Pascoe stand ganz still und blickte Bolitho gerade in die Augen, als er antwortete:»Und du, Onkel, hast du an meinen Gefuhlen gezweifelt? Glaubst du nach allem, was du fur mich getan hast, und was wir an Gefahren und Freuden geteilt haben, da? ich keine Liebe mehr fur dich empfinden wurde?»

Sie traten beide etwas zuruck, und keiner wu?te, was er noch sagen sollte. Schlie?lich brach Bolitho das Schweigen.»Gib acht auf dich, Adam. Ich werde an dich denken.»

Pascoe strich sich eine Haarstrahne aus der Stirn und druckte dann seinen Hut auf.»Und ich werde deiner Flagge Ehre machen, Onkel. «Dann drehte er sich abrupt um und stie? dabei fast mit Allday zusammen, der vor der Tur gewartet hatte.

Allday fragte direkt:»Wei? er's endlich, Sir?»

«Aye. Er wei? es.»

Allday suchte hinter Bolithos Rucken nach einem sauberen Glas. Dann sagte er:»Er platzte ja beinahe, platzte vor Freude, meine ich. «Er nickte zur Bekraftigung.»Immerhin, sein Gluck, da? er anerkannt hat, was Sie fur ihn getan haben. Hatte er anders reagiert, hatte ich den jungen Teufel — ob Leutnant oder nicht — personlich ubers Knie gelegt.»

Bolitho nippte an dem Getrank, ohne zu bemerken, was es war. In zwei oder drei Tagen wurden sie um ihr Leben kampfen. Aber die bosen Geister waren nun gebannt. Ein fur allemal.

XVI» Alle anderen sind tot!»

Leutnant Oliver Browne lie? sein Fernglas sinken und meldete:»Signal von Elephant: >Ostsee-Geschwader nach eigenem Ermessen ankern<.»

Bolitho hatte ebenfalls ein Glas am Auge, aber er richtete es auf die langen, einander uberlappenden Vorsprunge der Kuste. Sie schienen uberhaupt nicht naher zu kommen, bargen aber eine stumme Drohung, als ob das ganze Land auf ihre erste Bewegung in Richtung Einfahrt zum Sund lauerte.

Die Verantwortung lastete in diesen engen Gewassern besonders schwer auf den einzelnen Kommandanten, aber bei einem Befehlshaber wie Nelson war ihnen etwas von der Sorge abgenommen. Es wurde keine unnotigen Signale geben und keine Zeitvergeudung. Bolitho nahm an, da? der Held von Abukir Admiral Hyde Parker erheblich bearbeitet hatte, bevor dieser sich zu einem derart schnellen Angriff entschlo?. Wahrend des ganzen Tages, als die Geschwader und ihre vorausgeschickten Aufklarer durch das Kattegatt sudwarts segelten, war Bolitho sich der Endgultigkeit dieser Entscheidung bewu?t. Querab lagen die Kusten von Danemark und Schweden, und wenn sie auch zeitweise au?er Sichtweite kamen, so wurde man doch nie das Gefuhl los, man fuhre in den Sack eines riesigen Treibnetzes.

Selbst jetzt, da Briggs und Schiffskutter unter Segel zwischen den massigen Leibern der Zweidecker herumflitzten, gab es unsichtbare Augen, die jede ihrer Bewegungen verfolgten. Nelson hatte die ganze Flotte ankern lassen, obwohl er wu?te, da? Bolithos Geschwader sich bei anbrechender Dunkelheit schon wieder auf den Weg machen mu?te. Er verga? selten etwas. So hatte er auch seine Flagge auf der Elephant gesetzt, weil sie kleiner war als sein machtiges, achtundneunzig Kanonen tragendes Flaggschiff St. George und einen geringeren Tiefgang hatte, so da? sie naher ans Ufer herankonnte, ohne auf Grund zu laufen.

Bolitho lie? sein Glas sinken und schaute in die vertrauten Gesichter der Deckswache.

Der alte Grubb machte sich mit seinen Steuermannsmaaten am Peilkompa? zu schaffen. Wolfe schaute zum Gro?topp hinauf, wo einige Seesoldaten hinter dem Schutzschild auf der Marssaling mit dem leichten Schwenkgeschutz, der Drehbasse, exerzierten. Und Browne stand bis zu den Knien in bunten Flaggen, da sein Midshipman und dessen Gasten gerade eine Reihe langerer Signale von der Rah niedergeholt hatten.

Schlie?lich Herrick, der uberall zu sein schien, wie immer.

Bolitho sagte:»Ankern Sie, wie es Ihnen pa?t. «Er warf einen Blick zum Wimpel am Gro?topp hinauf.»Der Wind hat etwas abgeflaut. Fur unser Vorhaben scheint er hervorragend zu sein.»

Herrick nickte und ging zum Steuermann hinuber, der sich nahe am Ruderrad aufhielt.»Klar zum Ankern im Verband, Mr. Grubb. «Wolfe rief er zu:»Nehmen Sie Fahrt aus dem Schiff. Lassen Sie Bram- und Gro?segel bergen!»

Pfeifen zwitscherten, Kommandos drohnten, und Manner eilten auf ihre Stationen, um die Segelflache der Benbow zu verringern.

Bolitho beobachtete, wie sie zu den Bramrahen aufenterten oder Schlage von Belegnageln losten, wahrend sie auf den nachsten Befehl vom Achterdeck warteten. Es gab kaum noch Unsicherheiten, auch nicht unter den jungsten Matrosen und den gepre?ten Leuten. >Man-ner, nicht Schiffe kampften.< Herricks Ausspruch von vor sechs Monaten ging Bolitho nicht mehr aus dem Sinn.

Er bemerkte Midshipman Penels an den Kreuzwanten, fast hinter einem Bootsmannsmaaten und einigen Matrosen versteckt. Er bewe gte sich wie eine Marionette und zeigte wenig Interesse an den Vorgangen rundum. Herrick hatte Bolitho uber den Inhalt seines Gespraches mit Pascoe unterrichtet, der versucht hatte, Penels zu verteidigen. Was dabei richtig oder falsch war, schien unwichtig im Vergleich zu dem, was ihnen in den nachsten Tagen bevorstand. Nur der ungluckliche Tod von Babbage war eine nicht wegzudiskutierende Tatsache.

Herrick war in der Angelegenheit Penels ungewohnlich hart gewesen.»Ungeeignet als kunftiger Offizier. Ein Muttersohnchen. Ich hatte ihn nie einstellen sollen.»

Bolitho verstand Herricks Haltung ebenso wie Pascoes impulsiven Entschlu?, den Deserteur zuruckzuholen. Herrick hatte es nicht leicht gehabt im Leben. Er kam aus einer unbemittelten Familie und hatte sich seinen Aufstieg ohne Protektion selber erkampfen mussen. Weil er es geschafft hatte, liebte er die Marine, aber er war unerbittlich gegen andere, die nicht so zielbewu?t und hart gegen sich selbst waren.