Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen, стр. 57

Sie fuhr erschreckt auf.»Ihre Wunde! Was machen Sie da?«Er strich ihr mit einer Hand ubers Gesicht und spurte ihre Tranen.

«Die kann warten. Im Augenblick fuhle ich mich verletzbarer als auf meinem Achterdeck.»

Er sah, wie sie die Augen hob und ihre bisherige Abwehr fiel, als ob sie sich vor ihm entblo?e.

Leise sagte sie:»Ich kann Sie lieben. «Dann legte sie den Kopf an seine Schulter und verbarg ihr Gesicht.»Es gibt einfach keine Rivalen, keine bosen Erinnerungen mehr. «Sie nahm seine Hand und offnete sie in ihrer.»Ich bin nicht haltlos, aber meine Empfindungen beunruhigen mich selber. «Damit pre?te sie seine Hand auf ihre Brust und hielt sie dort fest, wahrend sie langsam den Blick zu ihm hob.

«Spurst du es klopfen? Das ist meine Antwort.»

Unten im Gastzimmer sa? Browne mit einem Glas Portwein vor sich auf dem Tisch und einem Packen Schriftstucke neben sich. Es wurde langsam dunkel. Angestellte entzundeten Kerzen oder trafen Vorbereitungen fur die abendlichen Besucher, die mit dem Postwagen aus London kommen wurden, und den ublichen Schub von Offizieren auf der Werft.

Browne schaute hin und wieder auf die hohe, wurdevolle Uhr und lachelte in sich hinein.

Er sa? hier schon seit Stunden. Aber was ihn betraf, wie auch die Schriftstucke, die Benbow und sogar den ganzen Krieg: Sie konnten alle noch eine Weile warten, bevor er das Paar oben storen ging.

XV Gebannte Geister

Seiner Majestat Linienschiff Benbow zerrte und stampfte heftig an der Ankertrosse, Gischt spruhte uber seine Decks und Laufbrucken. Der Solent war mit wei?en Wellenkammen uberzogen, und der Wind pfiff durch die Takelage und muhte sich, die festgezurrten Segel loszurei?en.

Bolitho unterschrieb den letzten Brief und sah zu, wie sein Schreiber ihn zu den ubrigen legte. Um ihn herum achzten und stohnten die holzernen Spanten und Planken, als ob sie spurten, was die Verlegung ihres Ankerplatzes aus dem sicheren Hafen hinaus auf die Reede von Spithead bedeutete.

Yovell sagte:»Ich werde diesen Packen mit dem Boot an Land bringen lassen, Sir. «Er musterte Bolitho neugierig von der Seite, als ob er von dessen verandertem Benehmen beunruhigt sei.

Yovell war nicht so beschrankt, da? er den Grund nicht erahnte. Zuerst hatte er geglaubt, es sei die Erleichterung uber den Ausgang des Duells. Denn wenn Roche nicht gekniffen hatte, ware Bolitho jetzt vielleicht tot gewesen, und das hatte Folgerungen fur alle an Bord gehabt, auch fur einen untergeordneten Schreiber.

Bolitho sagte:»Gut. Der Dienst auf See mag hart sein, aber er hat seine Vorzuge fur Menschen, die es hassen, Berichte abzufassen, besonders solche, die nachher doch niemand liest.»

Es klopfte an die Tur, und Herrick trat ein. Seine Uniform schimmerte feucht vom Spritzwasser.

«Wir sind klar zum Ankerlichten, Sir. Sobald auch Sie soweit sind?»

Bolitho machte Yovell ein Zeichen, der daraufhin die Schriftstucke in eine Segeltuchtasche stopfte und eilends den Raum verlie?.

«Sehr schon, Thomas. Wir werden zum Geschwader sto?en und wieder unsere alte Aufgabe ubernehmen. «Bolitho tippte auf die Schublade seines Tisches:»Ich habe einen Haufen Instruktionen von Admiral Beauchamp erhalten. Er ist offenbar so sehr darauf bedacht, uns wieder hinaus auf See zu bekommen, da? er sich nicht einmal die Zeit nimmt, mich noch einmal zu sich zu bestellen. «Er lachelte etwas schief.»Aber ich darf mich nicht beklagen. Er ist mehr als geduldig gewesen.»

Herrick rief:»Geduldig, Sir? Nach all dem, was Sie geleistet haben? Das war doch das mindeste, was man erwarten konnte, meine ich.»

Bolitho rief nach Ozzard und sagte:»Ich freue mich uber Ihre Loyalitat, Thomas. Aber ohne unsere Erfolge und die Informationen uber die danischen Ruderkanonenboote, die ich in meinem Bericht geben konnte, hatte mich auch Beauchamps Einflu? nicht retten konnen.»

«Also zuruck zum Geschwader!«Herrick beobachtete, wie Ozzard zwei Glaser Madeira einschenkte.»Es wird fur Sie diesmal anders als sonst sein.»

Bolitho nickte.»Es war sehr nett von Ihrer Frau, da? sie so hilfreich einsprang.»

«Nett?«Herrick grinste.»Sie liebt es, arme Seefahrer und deren Angehorige zu bemuttern. So ist sie auch geradezu erpicht darauf, die Hochzeit meiner Schwester auszurichten. «Er wurde wieder ernst.»Die kunftige Mrs. Bolitho ist wunderschon, Sir. Sie werden glanzend zueinander passen.»

Bolitho lie? seine Gedanken schweifen. Diese wenigen Tage hatten sein ganzes Leben verandert. Belinda hatte ihre Stellung bei der Richtersgattin aufgegeben und das Angebot von Mrs. Herrick angenommen, einstweilen zu ihr zu ziehen.»Aber nur wenn Sie erlauben, da? ich Ihnen als Gegenleistung im Haushalt helfe«, hatte sie gesagt.

Dulcie Herrick hatte gelacht.»Du meine Gute, Liebste, meine Einfalle und Launen werden Sie bald murbe machen.»

Aber beide schienen von der Vereinbarung begluckt zu sein.

Bolitho hatte nur eine Sorge, die er aber unterdruckte: da? Belinda, wenn er erst einmal wochenlang, ja vielleicht monatelang in See war, ihre Entscheidung bedauern und wegziehen konne. Denn, wie Herrick gesagt hatte: sie war wunderschon und begehrenswert.

Als diese Befurchtung wieder in ihm aufstieg, sagte er, um sich abzulenken:»Ich bin dankbar und stolz, Thomas. Ich habe versucht, ihr das alles zu schreiben, aber es brauchte zwei Anlaufe, bevor ich die rechten Worte fand. Trotzdem sind sie nichts im Vergleich zu dem, was ich fur sie empfinde. «Er sah seinen Freund an.»Ich rede wie ein verliebter Seekadett, aber es hat mich eben gepackt.»

Herrick trank sein Glas aus.»Man sieht es Ihnen an, Sir, aber es steht Ihnen gut. «Er erhob sich.»Sobald das Boot zuruckkommt, konnen wir ankerauf gehen. «Am Schott blieb er noch einmal stehen.»Es beruhigt mich irgendwie, da? die beiden einander Gesellschaft leisten, wahrend wir bei diesem verdammten Blockadedienst sind.»

Bolitho sa? noch lange gedankenverloren da. Es gab eine Menge, von dem Herrick nichts wu?te. Zum Beispiel, da? Damerum wieder das Oberkommando auf ihrer Station hatte, und da? bei ihm die Entscheidung lag, wo Bolithos Geschwader postiert wurde. Nein, es war besser fur Herrick, wenn er so lange wie moglich davon verschont blieb. Wer sich stets nach einem feindseligen Vorgesetzten umschauen mu?te, statt seine volle Aufmerksamkeit dem Feind zu widmen, begab sich in Lebensgefahr.

Zwei Stunden spater, als ihr gro?er Anker vom Grund loskam, trieb die Benbow zunachst mit flatternden Segeln leewarts, bis sich die Leinwand fullte und das Ruder Wirkung zeigte. Danach pflugte sie mit dichtgeholten Brassen und Schoten verachtlich durch das erste tiefe Wellental.

Bolitho stand in Lee auf dem Achterdeck und achtete weder auf die uberkommenden Spritzer noch auf die eifrig hin und her rennenden Matrosen. Er lie? sich ein Teleskop vom Midshipman der Wache geben und suchte damit langsam die Befestigungsanlagen von Ports-mouth ab. Sie schimmerten, als waren sie aus Metall und nicht aus Stein, und lagen schon weit zuruck, au?er Reichweite ihrer Kanonen.

Etwas bewegte sich am Rande des Objektives, und er stellte die Sehscharfe genau darauf ein.

Sie war es, aber zu weit weg, als da? er ihr Gesicht erkennen konnte. Doch sie trug denselben blauen Umhang wie in der umgesturzten Kutsche und winkte mit ihrem Kopftuch; ihr Haar wehte frei im Wind,

Bolitho ging ein paar Schritte weiter nach achtern, als eine vorspringende Mauer des Forts sie seinen Blicken zu entziehen drohte. Er kletterte sogar die Treppe zum Huttendeck hinauf und winkte — das Glas immer noch vor dem Auge — mit seinem Hut, obwohl es unwahrscheinlich war, da? sie ihn sehen konnte.

Als er wieder an die Finknetze trat, war der Abstand zum Ufer schon so gro? geworden, da? der kleine blaue Punkt mit dem kastanienbraunen, wehenden Haar daruber nicht mehr zu erkennen war. Die Erinnerung an ihr letztes Beisammensein, an ihren willigen Korper in seinen Armen, uberkam ihn.»Belinda…»