Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen, стр. 54

Bolithos Schuhe quietschten im Gras, als er sich umdrehte und den rechten Arm senkte. Uber den glatten Lauf sah er deutlich Roches Hand und erkannte, da? seine Arme herunterhingen und die Pistolenmundungen auf die Erde zeigten.

Roche rief heiser:»Ich kann nicht auf Sie schie?en, Sir! Bitte!»

Sein Sekundant, der es gewohnt war, da? umgekehrt das Opfer Ro-che anflehte, bevor er es niederscho?, wandte sich erstaunt zu ihm um.

Bolitho hielt die Pistole weiter auf ihn gerichtet, obwohl sie ihm so schwer wie ein Kanonenrohr vorkam.

Er sagte:»Wenn Sie mich erledigen, Mr. Roche, glauben Sie, da? dann derjenige, der Sie dafur bezahlte, meinen Neffen zu toten, zu Ihnen halten wird? Bestenfalls wird man Sie auf Lebenszeit deportieren. Aber ich schatze, da? viele alles darum gaben, Sie am Galgen baumeln zu sehen, wohin ein gemeiner Verbrecher wie Sie auch gehort.»

Die Pistole in Bolithos Hand wurde so schwer, da? er sich wunderte, wie ruhig er sie trotzdem hielt. Er rief:»Wenn ich andererseits Sie tote, ist die Sache erledigt, denn Ihr Auftraggeber wird kaum zugeben, da? er daran beteiligt war.»

Der Sekundant rief unsicher:»Ich mu? doch bitten, meine Herren!«Ein Taschentuch erschien uber seinem Kopf.»Wenn ich dieses Tuch senke, feuern Sie!»

Bolitho nickte.»Ich bin bereit.»

Roches Umri? wurde schmaler, da er Bolitho jetzt die rechte Seite zuwandte. Er hob die Pistole, die nun genau auf Bolitho zeigte.

Es hatte nicht gewirkt. Wie lange noch? dachte er. Drei Sekunden?

Das Taschentuch bewegte sich, und im gleichen Augenblick fiel Roche auf die Knie und warf beide Pistolen ins Gras.

«Bitte! Bitte, haben Sie Erbarmen!»

Bolitho ging langsam auf ihn zu, wobei ihm jeder Schritt durch seine schmerzende Wunde Qualen bereitete. Aber der Schmerz stachelte ihn eher an, als da? er ihn lahmte. Er lie? den Blick nicht von dem knienden, wimmernden Leutnant, bis er weniger als einen Meter von ihm entfernt stand.

Roche hatte aufgehort zu stammeln und blickte starr in die schwarzen Mundungen.

Bolitho sagte eiskalt:»Ich habe bessere Manner als Sie aus geringerem Anla? sterben gesehen. Mein Neffe, den Sie beleidigten und ohne Grund verhohnten, hat Taten vollbracht, die Leute Ihres Schlages nicht einmal in der Zeitung zu lesen sich die Muhe machen. Sie widern mich an, und ich wu?te keinen zwingenden Grund, warum ich Sie noch einen Augenblick langer leben lassen sollte.»

Sein Finger straffte sich am Abzug, doch da horte er Clinton ruhig sagen:»Wenn es Ihnen recht ist, Sir, lege ich die Waffen jetzt zuruck. «Er nahm Bolitho die Pistolen aus den Handen und setzte hinzu:»Mr. Roches Heldentat wird bis zum Mittag in ganz Portsmouth bekannt sein. Und niemand kann sagen, wo die Geschichte morgen erzahlt wird«, er drehte sich zu dem vollig niedergeschmetterten Roche um,»und zwar mit Genu?, worauf Sie Gift nehmen konnen!»

Bolitho nickte dem Sekundanten zu und begab sich dann zu seinem Wagen.

Clinton marschierte neben ihm, und sein Atem hing wie Dampf in der kalten Luft.

«Gesindel, Sir! Ich habe trotzdem Blut und Wasser geschwitzt.»

Bolitho sah hinunter auf die Blutspur auf seiner Kniehose. In dem truben Licht wirkte sie wie ein Farbfleck.

«Ja, Major. Gesindel. Aber das Schlimme war: Ich wollte ihn toten. Wenn Sie nicht gewesen waren. «Er schuttelte den Kopf.»Nun werde ich nie wissen, ob ich es getan hatte.»

Clinton lachelte erleichtert.»Er auch nicht, Sir.»

XIV Belinda

Edmund Loveys, Schiffsarzt der Benbow, straffte die schmalen Schultern und betrachtete Bolitho so vorwurfsvoll, wie seine Dienststellung es erlaubte.

«Sie haben all meine Muhe fast zunichte gemacht, Sir. «Er buckte sich und tupfte die offene Wunde mit einem Lappen ab, wobei er seinen Arger kaum verbergen konnte.»Es grenzt an ein Wunder, da? Sie bei Ihrem Ritt keinen Wundbrand bekommen haben; von dem, was beim Duell passieren konnte, ganz zu schweigen.»

Bolitho legte sich auf der Sitzbank unter den Heckfenstern zuruck und blickte durch die salzverkrusteten Scheiben. In dem Ma?e, wie er seine Gefuhle wieder unter Kontrolle brachte, erkannte er die Torheit seiner Tat. Er hatte London verlassen, ohne die Admiralitat zu informieren. Sogar jetzt noch konnte eine Konferenz zusammengerufen werden, um die kunftige Strategie zu besprechen. Au?erdem hatte er sein Beauchamp gegebenes Versprechen gebrochen, als er Roche zum offenen Kampf stellte. Doch selbst das war ihm im Augenblick unwichtig erschienen.

Er sagte:»Ich bitte um Entschuldigung, aber es war wichtig.»

Loveys schmollte.»Das habe ich langst gehort, Sir. Die Geschichte von Ihrem Duell mit Leutnant Roche ist in ganz Portsmouth bekannt.»

Bolitho setzte sich langsam auf. Das war zu erwarten gewesen. Derlei Dinge blieben in der Marine nicht lange geheim.

Er sah auf seinen Schenkel nieder, auf das fahle Fleisch um den dikken Verband, den Loveys wieder einmal anlegte. Seltsam, dachte er, als junger Leutnant hatte er es nie fur moglich gehalten, da? ein Kapitan oder gar ein Flaggoffizier auch sterblich war; nun sa? er hier, nackt wie am Tag seiner Geburt, nur mit einer Decke uber den Schultern. Herrick hatte ofter nach ihm gesehen als notig, und das wohl vor allem, um ihn bei guter Stimmung zu halten. Die Benbow war fast wieder einsatzbereit. Ihre Lasten, Magazine und Wassertanks waren bis oben gefullt, aber Herrick hatte noch eine Menge zu tun. Neue Leute mu?ten verpflichtet und vereidigt werden, ein Leutnant namens Oughton war eingetroffen, der Pascoe ersetzen sollte — all diese Dinge gingen eigentlich nur Herrick an, er trug sie aber Bolitho vor, um ihn vom Grubeln abzuhalten.

Bolitho fragte sich, wie Pascoe wohl auf der Relentless zurechtkommen mochte. Die Fregatte mu?te jetzt gerade aus dem Kanal in die Nordsee segeln. Es war eine andere Welt auf solch einem Schiff, aber Pascoe wurde bald dazugehoren. Schade, da? er ihn vor dem Auslaufen nicht mehr hatte sehen konnen. Er hatte es sogar verpa?t, die Fregatte Segel setzen zu sehen, weil er gerade zu der Zeit seinen Plan schmiedete, wie er Roche bluffen oder — seiner heroischen Geste wegen — sterben wurde.

Loveys sagte:»Versuchen Sie, jetzt etwas zu ruhen, Sir, sonst werden Sie zeitlebens hinken, wenn nicht noch Schlimmeres eintritt.»

«Verstehe. Vielen Dank.»

Bolitho kam stohnend auf die Fu?e. Ozzard stand mit dampfendem Kaffee bereit und verzog keine Miene — das hatte er inzwischen gelernt — , als Bolitho einige Schritte zum Tisch taumelte. Die Wunde brannte wie Feuer, als ware er doch bei dem Duell getroffen worden.

Er fragte sich, was Allday jetzt wohl machte. Er hatte inzwischen mit dem geborgten Wagen in Portsmouth sein mussen. Wieder sah er sein flehendes Gesicht vor sich und fuhlte, da? er ihn hier brauchte, und sei es nur, um ihn aufzuheitern und ihm zu beweisen, da? er wirklich noch lebte.

Herrick trat ein und registrierte Bolithos Nacktheit, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

«Ich mochte unseren Ankerplatz morgen nach Spithead verlegen, Sir, sobald wir die Proviantubernahme beendet haben. Der Wind ist gunstig, und ich mag nicht langer im Innenhafen liegen.»

«Dann benachrichtigen Sie den Hafenadmiral, Thomas. Ich wurde gern moglichst bald zum Geschwader zuruckkehren. Hier halt mich nichts mehr. «Er besann sich im gleichen Augenblick.»Verzeihen Sie, ich habe nur an mich selber gedacht. «Er zuckte die Achseln.»Wieder einmal.»

Herrick lachelte.»Verstehe. Ich habe zwar noch nie im Leben ein solches Gluck erlebt wie mit Dulcie, aber ich will es nicht konservieren, indem ich hierbleibe. Ein neues Jahr ist angebrochen, vielleicht bringt es den Frieden. Zwar deuten alle Anzeichen darauf hin, da? der Feind sich wieder in den Kanalhafen sammelt, aber Ihre Gefechte mit Ropars und der Ajax haben einen gleichzeitigen Angriff aus der Ostsee zumindest verzogert, wenn nicht vereitelt. Selbst die undankbaren Tolpel in der Admiralitat mu?ten das erkennen.»