Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen, стр. 50

Der gro?e Mann drehte sich zu seinen Gefahrten um und sagte hamisch:»Obwohl man annehmen sollte, da? Mr. Pascoe sich an einem Ort wie diesem zu Hause fuhlt, nicht wahr, Jungs?«Sie lachten, und einer buckte sich, um Babbage festzuhalten, der davonzukriechen versuchte. Er hatte einen blutverschmierten Mund und war offenbar geschlagen worden.

«Ich befehle Ihnen, mir diesen Mann auszuhandigen, wer Sie auch sind!»

«Er befiehlt! Dieses Jungelchen, das sich als Offizier verkleidet hat, befiehlt mir!»

Die Hausbesitzerin zwangte sich durch die Zuschauer hindurch und stellte sich zwischen die drei und Pascoe. Argerlich sagte sie:»La?t ihn in Ruhe, verdammt noch mal. Er hat nichts Boses im Sinn.»

«Oh, ganz sicher, Ruby! Mr. Pascoes Mutter war ja auch eine Hure und sein verdammter Vater ein Landesverrater. Was konnte er also Boses tun?»

Pascoe war von den beleidigenden Worten des Mannes wie betaubt. Wut und Ha?t packten ihn derart, da? er zitterte. Das konnte nicht sein, das gab es doch nicht! Nicht nach so langer

Zeit und nach allem, was geschehen war.

Die Frau sah ihn angstlich an.»Sie hauen besser ab, und zwar schnell. Ich will hier keinen Arger. Davon hatte ich schon genug.»

Pascoe zwangt sich an ihr vorbei und sah nur das uber ihm stehende, grinsende Gesicht auf der Treppe.

«Nun, Mr. Pascoe!?«Der Kerl geno? die Szene.»Deckt Ihr Onkel immer noch den Fehltritt seines Bruders?»

Pascoe machte einen Sprung vorwarts und schlug in das Gesicht des Mannes. Er sah Uberraschung darin und fuhlte, da? seine Faust von dem Schlag schmerzte, aber das Gesicht war immer noch da, wenn sich auch etwas Blut auf der Lippe zeigte.

«Sie haben mich geschlagen!«Der Gro?e tupfte das Blut von seinem Mund, seine Augen lagen im Dunkeln.»Wenn man von Leuten wie Ihnen beruhrt wird, ist es, als bekame man die Pest. Aber die Angelegenheit la?t sich regeln, das hei?t, wenn Sie gelernt haben, so zu tun wie ein Ehrenmann.»

Pascoe akzeptierte die Drohung mit plotzlicher Gelassenheit — oder war es Resignation?

Er horte sich selber sagen:»Auf Sabel?»

«Wohl kaum. «Der andere Mann betupfte immer noch seine Lippe und beobachtete Pascoe.»Pistolen waren besser. Doch bevor wir auseinandergehen.«, er schnippte mit dem Finger, und im selben Augenblick fuhlte Pascoe, da? seine Arme festgehalten wurden,». erteile ich Ihnen eine Lektion in guten Manieren.»

Pascoe fuhr herum, als er bemerkte, da? Babbage den Augenblick nutzte und — den Kopf mit den Handen schutzend — an ihnen vorbeischo? und zur Tur rannte. Mit einer verzweifelten Anstrengung ri? er sie auf und war drau?en.

Der gro?e Mann hob die Faust.»Den sehen wir nie wieder.»

Pascoe straffte sich, um den Schlag, der auf seine Magengrube zielte, aufzufangen.

Nur schwach horte er etwas wie Rennen, ein scharfes Kommando und den plotzlichen Knall einer Muskete.

Major Clinton stand im Eingang und schwang lassig sein schwarzes Stockchen, als er sagte:»Das war Babbage. Meine Leute riefen ihn an, aber er wollte fliehen. «Er wartete, bis die Kerle Pascoes Arme freigegeben hatten.»Sie kamen wohl zu spat, Mr. Pascoe. «Er nickte dem Mann mit der gespaltenen Lippe zu.»Aber Sie waren rechtzeitig da,

Mr. Roche, nehme ich an?»

Der Mann, den Clinton mit >Roche< angesprochen hatte, zuckte die Achseln.»Hohere Eingebung, Major. Es ist uns nicht verboten, hierher zu kommen.»

Clinton antwortete scharf:»Sie verschwinden jetzt! Und es ist mir gleich, ob Sie zum Stab des Admirals gehoren. Ich habe den Verdacht, da? Ihr Mut kaum fur ein Gefecht auf See ausreichen wurde.»

Die drei Manner holten ihre Rocke und verlie?en das Haus. Pascoe bemerkte, da? Roche wie die beiden anderen die Leutnantsuniform der Marine trugen.

«Tut mit leid, da? ich Sie da hineingezogen habe, Sir. «Pascoe folgte dem Major auf die regennasse Stra?e. Marston, Clintons Leutnant, und eine Gruppe von Seesoldaten standen um einem am Boden liegenden Korper. Fur Babbage war alles voruber.

«Ich kann dazu jetzt nichts weiter sagen. «Clinton schaute auf seine Manner.»Seht zu, da? ihr den Leichnam loswerdet. «Dann fiel er neben Pascoe in Schritt und sagte:»Roche gehort zum Stab des Ha-fenadmirals. Er wird nie befordert werden, denn er taugt zu nichts. Aber er ist ein gefahrlicher Mann. Hat er Sie beleidigt?»

«Daruber kann ich nicht sprechen, Sir.»

Clinton erinnerte sich an Herricks Gesichtsausdruck und dachte sich sein Teil.

XIII Noch drei Minuten zu leben

Bolitho stand unschlussig auf dem hubschen kleinen Platz und studierte das Haus. Er war von seiner derzeitigen Unterkunft zu Fu? hierhergekommen, aus verschiedenen Grunden: einmal, um sein ladiertes Bein zu trainieren, zum anderen, um sich in Ruhe auf das vorzubereiten, was er sagen wollte.

Er hatte Browne gefragt, ob dieser Belinda Laidlaw gesehen hatte, als er den Brief abgab, aber Browne hatte den Kopf geschuttelt.»Nur einen Diener, Sir. Es war so finster wie in einem Grab.»

Bolitho konnte Brownes kurze Beschreibung jetzt verstehen. Das Haus war au?erlich ein Ebenbild seines Nachbarn: gro?, elegant und wohlproportioniert. Aber das war auch die einzige Ahnlichkeit. Es sah kalt und abweisend aus und machte den Eindruck, als beobachtete es ihn, wie auch der ganze Platz den Atem anzuhalten schien, um zu beobachten, was ein Besucher hier wolle. Nach seinem Spaziergang, vorbei am geschaftigen und lauten Treiben der vielen Laden und Weinhandlungen, fuhlte sich Bolitho weniger selbstsicher.

Aber das war lachhaft. Er ging die wenigen Stufen hinauf und griff nach dem Glockenzug, aber die Tur offnete sich vor ihm wie durch Zauberei. Ein griesgramig aussehender Diener musterte ihn neugierig.

«Sir?»

Bolitho war nicht in der Stimmung fur langere Erklarungen. Er loste seinen Umhang am Hals und ubergab ihn dem Diener, anschlie?end auch den Hut.

«Mein Name ist Richard Bolitho. Mrs. Laidlaw erwartet mich.»

Als er seine Erscheinung in einem gro?en gerahmten Spiegel uberprufte, sah Bolitho, da? der Diener sich in einen Seitengang der Eingangshalle zuruckzog und dabei ehrfurchtig uber Hut und Mantel zum Besucher zuruckschaute. Bolitho schlo? daraus, da? sich nur selten ein Gast hierher verirrte, und ganz gewi? kein Flaggoffizier. Er strich seinen Uniformrock glatt und wandte sich dem Raum zu. Alles darin sah alt und gediegen aus. Es mu?te Leuten gehort haben, die schon lange tot waren, dachte er.

Der Diener kam mit leeren Handen zuruck. Bolitho bemuhte sich, gleichmutig zu bleiben und seine Erleichterung zu verbergen. Er hatte befurchtet, Belinda wurde ablehnen, ihn zu empfangen, und sei es nur, um neue Verwirrung zu vermeiden.

Der Diener sagte klaglich:»Hier entlang, Sir.»

Sie kamen zu einer Doppeltur aus schonem, eingelegtem Holz. Der Diener offnete feierlich beide Flugel und schlo? sie, nachdem Bolitho eingetreten war, lautlos hinter ihm.

Der Raum war ebenfalls sehr gro? und mit schweren Mobeln ausgestattet. An den Wanden hingen imposante Gemalde, durchweg Portrats hoher Richter.

In einem vergoldeten Sessel neben dem Kamin sa? die Frau des Richters. Sie mu?te es wohl sein, dachte Bolitho grimmig, denn sie war so imposant und gut gepolstert wie ihre Mobel. Ihr blasses Gesicht druckte deutlich Mi?fallen aus.

In ihrer Nahe, mit einem aufgeschlagenen Buch auf dem Scho?, sa? Mrs. Belinda Laidlaw. Sie trug ein schlichtes taubenblaues Kleid, das einer Uniform ahnelte, und sah ihn so ruhig an, als ob ein Zeichen von Gemutsbewegung oder gar Freude das Haus erschuttern wurde.

Bolitho sagte:»Ich bin vorubergehend in London, Ma'am. «Er sah die Richtersgattin an, seine Worte waren aber an die junge Frau gerichtet.»Ich bat darum, Sie aufsuchen zu durfen, denn in meinem Beruf wei? man nie, wann man das nachste Mal wieder an Land kommt.»

Es klang schwerfallig und hochtrabend, ganz dem Raum entsprechend. Vielleicht hatte er diese Wirkung auf Besucher, uberlegte Bo-litho.