Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen, стр. 5

Wie viele Male hatte es Bolitho in dieser Zeit gereizt, schnell einmal von Falmouth heruberzukommen, um Herrick bei den letzten Arbeiten zuzuschauen. Aber Herrick hatte das vielleicht als einen Mangel an Vertrauen gedeutet. Mehr als einmal hatte Bolitho jetzt schon zur Kenntnis nehmen mussen, da? das einzelne Schiff ihn direkt nichts mehr anging. Er schwebte daruber wie seine Flagge. Ein freudiger Schauer lief ihm uber den Rucken, als er die ubrigen Einheiten seines Geschwaders musterte; vier Linienschiffe, zwei Fregatten und eine Korvette. Ingesamt fast dreitausend Offiziere, Seeleute und Soldaten, und alles, was darin inbegriffen war.

Das Geschwader mochte neu sein, aber von den Gesichtern waren ihm viele altvertraut. Er dachte an Keverne und Inch, an Neale und Keen, und an den jungen Kommandanten der Korvette, Matthew Veitch. Er war Herricks Erster Offizier gewesen. Admiral Sir George Beauchamp hatte sein Versprechen gehalten. Jetzt war es an ihm, sich zu bewahren.

Mit Mannern, die er kannte und denen er vertraute, mit denen er so viel erlebt und geteilt hatte.

Trotz der augenblicklichen Erregung lachelte er bei dem Gedanken an die Reaktion seines neuen Flaggleutnants, als er versucht hatte, ihm seine Gefuhle deutlich zu machen.

Der Leutnant hatte gesagt:»Aus Ihrem Mund klingt es sehr bedeutend. Wie schon der Dichter sagt: >Wir Auserwahlten<.»

Vielleicht war er damit der Wahrheit naher gewesen, als er ahnte.

Das Admiralsboot drehte auf, fiel in ein Wellental hinab und wurde wieder hochgehoben, als der Leutnant auf die glitzernde Bordwand des Flaggschiffs zuhielt.

Dann waren sie langsseits. Rote Uniformrocke und wei?e Kreuzbander, das Blau und Wei? der Offiziersrocke, die Menge der Seeleute dahinter. Und uber ihnen, wie um sie zu beschutzen und einzuhullen, die drei gro?en Masten und die Rahen, die Masse der Wanten, Stage und des laufenden Guts, ein unfa?bares Gewirr fur jede Landratte, aber Burge der Geschwindigkeit und Beweglichkeit eines Schiffes. Mit der Benbow war jedenfalls zu rechnen.

Die Riemen federten wie auf einen Schlag in die Senkrechte, und der Bugmann hakte in die Kette des Rusteisens ein.

Bolitho ubergab Allday seinen Mantel und druckte den Hut fest in die Stirn.

Alles ging ganz ruhig vonstatten; abgesehen von dem Tidenstrom zwischen dem Schiff und dem dumpelnden Boot wirkte die Szene fast friedlich.

Auch Allday war aufgestanden und hatte seinen Hut abgenommen. Nun stand er wartend da, bereit Bolitho zu helfen, wenn er den Absprung aufs Fallreep verpassen sollte.

Bolitho fa?te Fu? und zog sich zur Einla?pforte hoch.

In diesem Augenblick nahm er laute Befehle war, die Gerausche prasentierter Waffen und den Einsatz der Spielleute, die das >Heart of Oak< intonierten.

Wie durch einen Schleier sah er Gesichter, die auftauchten und sich naherten, als er das Deck betrat. Und wahrend die Bootsmannsmaatenpfeifen und die Kommandorufe verstummten, nahm Bolitho seinen Hut ab und salutierte nach achtern, zur Flagge hin, und dann vor dem Kommandanten des Schiffes, als er auf ihn zuschritt, um ihn zu begru?en.

Herrick nahm ebenfalls seinen Hut ab und schluckte heftig.»Willkommen an Bord, Sir!»

Beide schauten nach oben, als die Flaggleine vom Signalgasten straff geholt wurde.

Da war es, Symbol und Aussage: Bolithos eigene Flagge wehte nun vom Besanmast wie ein Banner.

Die Nachststehenden hatten gern ein besonderes Zeichen gesehen, als der jungendliche Admiral seinen Hut wieder aufsetzte und ihrem Kommandanten die Hand reichte.

Aber das war alles, was sie zu sehen bekamen. Denn was Bolitho und Herrick in diesem Augenblick miteinander verband, war fur jeden anderen unsichtbar.

II Das Flaggschiff

Bei Anbruch des nachsten Tages hatte der Wind abermals betrachtlich zugenommen, und der Solent war wieder mit zornigen Wellenkammen bedeckt. An Bord des Flaggschiffes, wie auch auf den ubrigen Schiffen von Bolithos kleinem Geschwader, war es recht ungemutlich, denn die Fahrzeuge dumpelten stark und zerrten an ihren Ankertrossen, als waren sie entschlossen, auf Grund zu treiben.

Als das erste schwache Licht den glitzernden Schiffsleibern Farbe verlieh, sa? Bolitho in seinem Arbeitsraum im Heck der Benbow und las noch einmal seine sorgfaltig formulierten Instruktionen durch. Gleichzeitig versuchte er, die Gedanken von den bei Tagesanbruch an Deck ublichen Gerauschen loszurei?en. Er wu?te, da? Herrick seit Beginn der Dammerung oben war und da? es die Vorbereitungen zum Ankerlichten auf der Benbow und den anderen Schiffen nur durcheinandergebracht hatte, wenn er hinaufgegangen und sich zu ihnen gesellt hatte.

Die Lage konnte sich jeden Augenblick verschlechtern. Der Krieg hatte schlimme Lucken unter Schiffen, Material und erfahrenen Leuten hinterlassen. Am meisten aber fehlte es an geubten Mannschaften. Auf einem neuen Schiff, in einem neugebildeten Geschwader, war dieser Mangel fur Bolithos Kommandanten und Offiziere besonders schlimm.

Bolitho mu?te einfach an Deck gehen. Um einen klaren Kopf zu bekommen, um das Fluidum seiner Schiffe zu spuren, um ein Teil des Ganzen zu sein.

Ozzard schaute nach ihm und glitt leise uber den mit schwarz-wei? gewurfeltem Segeltuch bespannten Fu?boden, um ihm Kaffee nachzu-schenken.

Bolitho wu?te noch immer nicht viel mehr uber seinen Diener als damals, da er ihn auf Herricks Lysander kennengelernt hatte. Selbst in seiner adretten blauen Jacke und der gestreiften Hose ahnelte er eher dem Sekretar eines Anwaltburos als einem Seefahrer. Es hie?, er sei nur dadurch dem Galgen entronnen, da? er sich zur Flotte gemeldet hatte, aber hier hatte er sich durch Zuverlassigkeit und seine zuruckhaltende Intelligenz vielfach bewahrt.

Die andere Seite seiner Fahigkeiten war zutage getreten, als Bolitho ihn mit auf seinen Besitz in Falmouth genommen hatte. Die Fulle der Gesetze und Steuervorschriften war mit jedem Kriegsjahr komplizierter geworden, und Ferguson, Bolithos einarmiger Verwalter, hatte zugeben mussen, da? die Bucher nie besser in Ordnung gewesen waren, als nachdem Ozzard sich ihrer angenommen hatte.

Der Ehrenposten vor dem Kajutvorhang stie? seine Muskete kurz aufs Deck und meldete:»Ihr Schreiber, Sir!»

Ozzard flitzte zur Tur, um Bolithos Neuerwerbung, Daniel Yovell, einzulassen. Ein munterer Mann mit einem roten Gesicht und dem breiten Dialekt der Leute von Devon, ahnelte er mehr einem Bauern als einem Schiffsschreiber, aber seine Handschrift, rund wie der ganze Mann, war gut; au?erdem war er unermudlich gewesen, als Bolitho ihm seine Befehle bei der Ubernahme des Geschwaders diktiert hatte.

Der Schreiber legte seine Papiere auf den Tisch und schaute unauffallig auf die beiden Heckfenster. Sie waren mit Wasserspritzern und angetrocknetem Salz bedeckt und lie?en die anderen Schiffe wie Schemen erscheinen, unwirklich und verzerrt.

Bolitho blatterte in den Papieren. Schiffe und Manner, Kanonen und Pulver, Lebensmittel und sonstige Vorrate, die fur Wochen, vielleicht fur Monate reichen mu?ten.

Yovell sagte bedachtig:»Ihr Flaggleutnant ist an Bord gekommen, Sir, in der kleinen Jolle. «Er verbarg ein Grinsen.»Nun mu? er sich erst etwas Trockenes anziehen, bevor er nach achtern kommt. «Das schien ihn zu amusieren.

Bolitho lehnte sich im Stuhl zuruck und starrte zu den Decksbalken auf. Es kostete viel Papier, ein Geschwader in Marsch zu bringen. Taljen knarrten auf dem Huttendeck uber ihm, und Blocke quietschten im Gleichklang mit trampelnden Fu?en. Verzweifelte Maate drohten und fluchten im Flusterton, wohl wissend, da? das Oberlicht der Ad-miralskajute offenstand.

Die andere Tur zur Kajute offnete sich lautlos, und Bolithos Flaggleutnant trat leichtfu?ig uber das Sull. Nur ein feuchter Schimmer auf seinem braunen Haar zeugte noch von seiner bewegten Uberfahrt, ansonsten war er — wie stets — untadelig gekleidet.