Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen, стр. 42

Swinburne zwinkerte Browne zu.»Also erledigt. Sie fahren zu diesen Eierkopfen von der Admiralitat, wenn Sie mussen. Aber seien Sie rechtzeitig zum Fest wieder hier. «Er rieb sich die Hande.»Es wird wieder ganz wie in alten Zeiten. «Als Bolitho zuruckkam, wu?te er, da? es zwecklos war, zu protestieren oder zu streiten. Manchmal war Nachgeben besser. Schicksal? Herricks beruhmte Fortune. Wie man es auch nennen wollte: irgend etwas hatte entschieden, da? er die Ben-bow so fruh wie moglich verlassen sollte. Irgend etwas hatte Browne eingegeben, die bequeme Kutsche auszuleihen, statt den Dienstwagen nach London zu nehmen. Wenn er auf letzterem bestanden hatte, waren sie eine andere, starker benutzte Stra?e gefahren.

Er versuchte, seine lacherliche Hoffnung zu unterdrucken, bevor sie ihn vernichtete.

Swinburne sagte laut:»Verdammt noch eins, naturlich: Bolitho! Mir ist bis jetzt nicht eingefallen, da? Sie es sind! Ich habe von Ihnen in der Gazette und in der Times gelesen. «Er drohte Browne mit der Faust.»Sie sind ein noch gro?erer Dummkopf als Ihr Vater, Oliver. Mir nichts zu sagen! Gottverdammmich, Mann!«Er war au?er sich vor Vergnugen. Browne sagte sanft:»Sie haben mir kaum Gelegenheit dazu gelassen, Mylord.»

Ein Diener ri? die Tur auf, und Lady Swinburne rauschte mit der imposanten Wurde eines Linienschiffs herein, um ihre Gaste zu begru?en. Sie nickte Browne zu.»Ah, Oliver!«war alles, was sie sagte, doch Bolitho vermutete, da? es viel mehr bedeutete. Dann nahm sie Bolithos Hand und musterte ihn neugierig. Sie war eine sehr gro?e Dame, gut einen Kopf gro?er als ihr Mann.

«Konteradmiral Bolitho, Sie sind herzlich willkommen. Sie sehen so aus, wie mein Sohn jetzt wohl ausgesehen hatte. Er fiel bei der Schlacht in der Chesapeake-Bucht.»

Swinburne sagte:»Qual' dich nicht damit, Mildred. Es ist lange her.»

Bolitho druckte ihre Hand.»Nicht fur mich, Mylady. Ich war dabei.»

Sie nickte.»Das dachte ich mir, da Sie gleichaltrig sind. «Ein Lacheln wischte ihre plotzliche Trauer beiseite. Sie sagte:»Oben liegt ein junge Dame, die Sie zu sehen wunscht. Um Ihnen zu danken. «Lady Mildred sah, da? der Arzt kurz den Kopf schuttelte, und bemerkte den Blutfleck auf Bolithos Hose, den auch der Alkohol des Arztes nicht ganz beseitigt hatte.»Na schon, dann eben spater. «Sie warf den anderen einen strahlenden Blick zu.»Ein verwundeter Seeheld und eine Dame in Not, kann es bessere Voraussetzungen fur ein schones Weihnachtsfest geben?»

XI Eine alte Rechnung

Bolitho stand unentschlossen am frisch entfachten Kaminfeuer und lauschte auf das Prasseln des Graupelregens gegen die Fenster. Es war Abend und er, soweit er wu?te, fast allein in dem gro?en Haus. Sie hatten ihm ein kleines Zimmer im Erdgescho? eingeraumt und ihn nicht einmal zum Mittagessen geweckt.

Als er schlie?lich aufgewacht war, hatte er seine Kleider sauber zurechtgelegt gefunden und seine Kniehosen wie neu und ohne eine Spur der Blutflecken.

Das Haus mu?te sehr alt sein, stellte er fest, und viele Generationen von Swinburnes hatten immer wieder daran gebaut. Sein Zimmer war mit hohen Regalen ausgestattet, in denen offenbar vielbenutzte Bucher standen. Es erinnerte ihn an den Raum in Kopenhagen, in dem ihn der Kronprinz empfangen hatte. Auch das schien jetzt Teil eines Traumes zu sein. Nur die schmerzhafte Erinnerung an seine Wunde burgte fur die Realitat.

Er versuchte, die Frau aus der Kutsche als vollig Fremde zu sehen, wie es selbstverstandlich gewesen ware, wenn sie anders ausgesehen hatte. Ihm war, als trate er von einem Gemalde zuruck, dessen Einzelheiten ihn fasziniert hatten, um es nun als Ganzes zu betrachten.

Die Tur offnete sich leise, und er wandte sich um und dachte, es sei Browne oder einer von Swinburnes aufmerksamen Dienstboten.

Sie stand da — umrahmt vom Licht aus dem Nebenraum — , Gesicht und Arme vom Feuerschein des Kamins angeleuchtet.

Bolitho wollte ihr entgegengehen, aber sie sagte:»Nein, bitte bleiben Sie, wo Sie sind. Ich habe von Ihrer Verwundung gehort. Sie haben Ihr Leben riskiert, als Sie auf der Stra?e halfen, meines zu retten.»

Sie naherte sich dem vollen Licht des Kaminfeuers, und ihr Kleid schleifte dabei uber den Fu?boden. Es war wei? mit gelbem Blumenmuster. Ihr langes, kastanienbraunes Haar war mit einem Band der gleichen Farbe zuruckgebunden. Sie bemerkte, da? er sie anstarrte, und erklarte:»Das Kleid gehort mir nicht. Lady Swinburnes Tochter hat es mir geliehen. Mein Gepack habe ich schon nach London geschickt. «Sie zogerte und streckte dann die Hand aus.»Ich bin in Ihrer und Ihrer Freunde Schuld.»

Bolitho nahm ihre Hand und suchte hilflos nach den rechten Worten.»Gut, da? wir zur rechten Zeit kamen.»

Behutsam machte sie ihre Hand frei und setzte sich.»Sie sind Konteradmiral Bolitho. «Sie lachelte leicht.»Und ich bin Mrs. Belinda Laidlaw.»

Bolitho sa? ihr gegenuber. Ihre Augen glichen Cheneys uberhaupt nicht. Sie waren dunkelbraun.

Er sagte:»Wir waren auf dem Weg nach London zur Admiralitat. Wir kamen gerade von See. «Er bemuhte sich, nicht auf sein Bein zu schauen.»Ich hatte das Pech, mich in einem Augenblick aufzurichten, in dem ich mich besser gebuckt hatte.»

Sie ging auf seinen mageren Witz nicht ein.

«Auch ich bin gerade nach England zuruckgekommen. Aus Indien. Mir scheint hier alles ganz anders. «Sie schuttelte sich.»Nicht nur das Klima, alles. Der Krieg ist so nahe, da? ich den Feind fast sehe, der auf der anderen Seite des Kanals wartet, um bei uns zu landen.»

«Ich wu?te einige gute Grunde, warum die Franzosen nie kommen werden. «Er lachelte verlegen.»Obwohl sie es versuchen.»

«Das nehme auch ich an. «Sie sah gedankenverloren aus.

Bolitho vermutete, da? die Erschutterungen und Prellungen doch schlimmer gewesen waren, als der Arzt festgestellt hatte. Er fragte vorsichtig:»Kam Ihr Gatte mit Ihnen?»

Ihre Augen verdunkelten sich, wahrend sie zur geschlossenen Tur sah.»Mein Mann ist tot.»

Bolitho sah sie an.»Das tut mir leid. Es war taktlos von mir, so neugierig zu fragen. Bitte verzeihen Sie.»

Ihr Blick war prufend.

«Sie meinen es ehrlich. Aber ich bin schon uber das Schlimmste hinweg. Er war bei der Ostindischen Handelsgesellschaft und beschaftigte sich mit kaufmannischen Angelegenheiten, um den sich ausweitenden Handel auszubauen. Ursprunglich war er Soldat, aber er war zu weich dafur und froh, als er wieder Zivilist werden konnte.»

Sie zuckte kurz mit der Schulter, und diese Bewegung beruhrte Bo-litho tief.

«Dann wurde er krank. Auf einer Mission ins Landesinnere hatte er sich ein Fieber geholt. «Ihre Augen waren traumerisch wie ihr Ton, als riefe sie sich jeden Augenblick in die Erinnerung zuruck.»Es wurde schlimmer und schlimmer, bis er schlie?lich das Bett nicht mehr verlassen konnte. Ich habe ihn drei Jahre lang gepflegt. Es war Teil meines Lebens geworden, etwas, das ich tragen mu?te, ohne Mitleid oder Hoffnung. Dann, eines Morgens, starb er. Ich wu?te nicht, da? er auch einige Geschafte auf eigene Rechnung gemacht hatte, schlechte Geschafte. Wenige Stunden nach seinem Tod stellte ich fest, da? ich ohne Geld und vollig allein dastand.»

Bolitho versuchte sich vorzustellen, wie es fur sie gewesen sein mu?te. Und doch sprach sie ohne Bitterkeit oder Groll. Vielleicht hatte sie wahrend der langen Krankheit ihres Mannes gelernt, die Dinge so zu nehmen, wie sie waren.

Er sagte:»Wenn ich irgend etwas tun kann…»

Sie hob die Hand, lachelnd uber seinen Eifer.»Sie haben genug getan. Sobald die Stra?e wieder befahrbar ist, werde ich in London ein neues Leben beginnen.»

«Darf ich fragen, was Sie vorhaben?»

«In Bombay hatte ich ein einziges Mal gro?es Gluck. Ich traf zufallig einen leitenden Herrn der Handelsgesellschaft, und zu unser beider Erstaunen stellten wir fest, da? wir verwandt sind. «Sie lachelte bei der Erinnerung.»Sehr entfernt nur, aber es war wie eine rettende Hand, die sich einem Ertrinkenden entgegenstreckte.»