Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen, стр. 18

Inskip betrachtete ihn ernst.»Der Zar mag seine Idee einer bewaffneten >Neutralitat des Nordens< wieder aufleben lassen. Er hat schon fruher gedroht, alle britischen Schiffe in seinen Hafen zu beschlagnahmen. Das ware ein kriegerischer Akt und wurde Danemark in die vorderste Kampflinie rucken.»

Bolitho nickte.»Danke, da? Sie mir das ohne Beschonigung erklart haben. Dies sind Tatsachen, an die ich mich halten kann. Napoleon wird sicher dafur gesorgt haben, da? dem Zaren mehrere Kuriere gesandt worden sind. Da? wir das Gluck hatten, einen davon zu schnappen, wird noch nicht bekannt sein.»

Inskip sah ihn nachdenklich an.»Moglicherweise haben Sie recht. Aber das ist dann Ihre Angelegenheit, nicht meine, dem Himmel sei Dank.»

Drei Stunden spater kam Browne vom Schiff zuruck. Die Ajax lag immer noch vor Anker und tat nichts, was Verdacht erregt hatte. Ihr Kommandant war an Land gegangen, wahrscheinlich um dem Hafen-admiral seinen Abschiedsbesuch zu machen. Ebensogut konnte er sich aber aufgemacht haben, um Informationen uber Bolitho einzuholen.

In dieser Nacht, in der Bolitho versuchte, sich an die Gro?e seines Bettes und die ungewohnte Stille zu gewohnen, dachte er noch einmal uber das nach, was Inskip gesagt hatte. Was die Russen betraf, so hing sehr viel vom Wetter ab. Er lauschte auf den Wind, der um den Dachfirst pfiff, und spielte mit dem Gedanken, das Haus zu verlassen, ohne jemandem etwas zu sagen. Er konnte eine der gerauschvollen Kneipen aufsuchen, die er auf der Herfahrt gesehen hatte, und in der Menge fur eine kostbare Stunde oder mehr untertauchen.

Er mu?te eingeschlafen sein, denn als nachstes kam ihm zu Bewu?tsein, da? Inskip, mit einer langen Zipfelmutze wie ein Kobold aussehend, ihn am Arm schuttelte, wahrend aus einem offenbar mit Menschen gefullten Korridor Licht hereinfiel.

«Was ist los?»

Er sah Allday, grimmig und wachsam, als erwarte er einen Uberraschungsangriff, und Ozzard, der seine Seekiste uber den Fu?boden zog wie ein Strandrauber seine Beute.

Inskip stie? hervor:»Ich habe es gerade erfahren: Der Franzose ist Anker auf gegangen, obgleich nur Gott wei?, wie weit er kommen wird. Es schneit verteufelt stark.»

Bolitho war im Nu auf den Fu?en und griff schon nach seinem Hemd, als Inskip nuchtern hinzusetzte:»Ein Schoner brachte noch schlimmere Neuigkeiten: Mehrere britische Schiffe sind von den Russen beschlagnahmt worden. Jetzt werden die Danen, ob sie wollen oder nicht, in den Krieg hineingezwungen.»

Browne drangte sich durch die Gruppe der Diener und Lakaien. Er war uberraschenderweise komplett angezogen.

Bolitho rief ihm zu:»Holen Sie einen Wagen!»

Browne antwortete ruhig:»Ich habe die Neuigkeiten gehort, Sir, und schon einen besorgt. Er wartet unten.»

Inskip stand zwischen Bolitho und dem aufgeregten Ozzard.»Sie kennen die Spielregeln. Sie durfen erst segeln, wenn ein Tag vergangen ist!»

Bolitho sah ihn ernst an.»Wo werden die britischen Handelsschiffe festgehalten, Sir?»

Inskip war einen Augenblick nicht auf der Hut.»Bei der Insel Got-land, soviel ich wei?.»

Bolitho sa? auf der Bettkante und zwangte seine Fu?e in die Stiefel.

«Ich werde dahin segeln, nicht zuruck zu meinem Geschwader. Und was Spielregeln angeht: Ich habe oft erfahren, da? sie Befehlen gleichen. «Er packte Inskips Arm.»Sie mussen den augenblicklichen Gegebenheiten angepa?t werden.»

Als sie zusammengequetscht im Wagen sa?en und die Rader lautlos uber den immer dicker werdenden Schneeteppich rollten, sagte Browne:»Ich gehe jede Wette ein, da? auch der Franzose uber die britischen Schiffe Bescheid wei?, Sir. Er wird sie sich holen wollen, ohne da? jemand den Finger ruhrt, ihn daran zu hindern.»

Bolitho lehnte sich im Sitz zuruck und sammelte seine Gedanken.»Au?er uns, Mr. Browne. Au?er der Styx.»

V Zuversicht

Bolitho packte die Achterdecksreling und schaute nach vorn uber das Oberdeck der Fregatte, wobei er wegen des eiskalten Windes und des Schnees die Augen zukneifen mu?te.

Es war ein geisterhaftes, fast unwirkliches Schauspiel, als die Matrosen bei ihren verschiedenen Tatigkeiten wie trunken vor der Kulisse der schneebedeckten Takelage und Kanonen herumschlitterten.

Er versuchte, nuchtern zu planen, seine Gedanken auf das zu konzentrieren, was kommen konnte. Aber von dem Augenblick an, als sie Anker gelichtet und sich in einer Schneebo aus dem Hafen hinausgestohlen hatten, hatte das Wetter jedem vorausschauenden Denken Einhalt geboten.

Sie waren jetzt zwolf Stunden unterwegs, und von Rechts wegen hatte Tageslicht herrschen sollen. Auf ihren Kurs nach Sudosten, auf dem sie sich — von einem scharfen schwedischen Wind ubel gezaust — muhsam vorwartsgekampft hatten, waren ihre Bewegungen immer krampfhafter, ihre Manover bei jedem Wachwechsel langsamer geworden. Und wahrend der ganzen Zeit waren die Schneemassen auf stehendem und laufendem Gut angewachsen.

Bolitho hatte Muhe zu verhindern, da? seine Zahne klapperten. Trotz seines dicken Wachmantels fror er bis ins Mark. Dabei dachte er an die unglucklichen Ausguckposten im Mastkorb, die zwar nach weniger als einer Stunde abgelost wurden, aber dann gro?e Muhe hatten, herunterzuklettern und sich unter Deck wieder aufzuwarmen.

Angenommen, es war alles umsonst? Sein Zweifel wuchs mit jeder muhsam zuruckgelegten Meile. Bolitho nahm an, da? — je mehr der Tag sich in die Lange zog — jeder Mann an Bord seinen Namen verfluchte. Angenommen, der Franzose war ganz woanders hingefahren? Er konnte schon langst vor Herricks Kanonen geraten sein.

Kapitan Neale kam muhsam ubers Achterdeck zu ihm, das pausbak-kige Gesicht knallrot vor Kalte.»Darf ich vorschlagen, da? Sie nach unten gehen, Sir? Die Leute wissen doch, da? Sie an Bord sind und an ihrer Seite, was auch geschehen mag.»

Bolitho beobachtete schaudernd, wie der Gischt, der am Bug hochgeschleudert wurde, auf den Netzen zu Tausenden glitzernder Edelsteine gefror. Neale hatte die Stuckpforten des Oberdecks an der Leeseite offnen lassen, denn wenn das uberkommende Wasser nicht sofort abflo?, sondern sich vor den Speigatten staute und dort gefror, konnte es gefahrlich werden. Schon manches Schiff, auch gro?er als eine Fregatte, war unter einer durch Eis entstandenen Schlagseite gekentert.

Er fragte:»Wo stehen wir jetzt?»

«Der Master versicherte mir, da? wir die Insel Bornholm in Lee haben, etwa funf Meilen entfernt. «Neale wischte sich mit den Fingern die Nasse aus dem Gesicht.»Ich mu? mich auf ihn verlassen, Sir, denn wir konnten auch sonstwo sein, wenn Sie mich fragen.»

Neale ging auf seinen Ersten Offizier zu, der sich zu ihm vorkampfte, und Bolitho rief ihm nach:»Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken, Captain Neale. Der kalte Wind verschafft mir wenigstens einen klaren Kopf.»

Er dachte an ihren schnellen Aufbruch von Kopenhagen und hatte gern gewu?t, ob jemand ihr Auslaufen beobachtet hatte. Er bezweifelte es. Aber bei Tagesanbruch hatte Mr. Inskip sicher ein paar peinliche Fragen beantworten mussen.

Browne hatte sich so unverblumt geau?ert, wie er sich traute:»Ich glaube, es ist falsch, da? Sie selber den Franzosen jagen. Sie konnen die Styx schicken, das genugt. Kapitan Neale kennt das Risiko, und Sie konnen ihn decken, wenn die Dinge schieflaufen. Aber wenn Sie mit dabei sind: wer deckt Sie?»

Einige Zeit spater, als die Styx sich muhsam von der schwedischen Kuste freigesegelt hatte, horte Bolitho, wie Pascoe in argerlichem Ton mit dem Flaggleutnant flusterte.

«Sie verstehen das nicht! Der Admiral ist schon in sehr viel schlimmeren Lagen gewesen. Er hat es immer geschafft, sich aus einer Falle freizukampfen.»

Browne hatte betrubt geantwortet:»Damals war er Kommandant. Verantwortung ist zweischneidig: Sie kann nach beiden Seiten verletzen. «Man horte, wie er die Hand auf Pascoes Schulter legte.»Aber ich bewundere Sie fur Ihre Treue, glauben Sie mir.»