Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen, стр. 10

Er schmunzelte.»Ich glaube, damals habe ich das gleiche gesagt.»

Nachdem Bolitho im Achterschiff verschwunden war, ging Pascoe langsam auf der Luvseite auf und ab, die Hande genauso auf dem Rucken verschrankt, wie er es oft bei Bolitho gesehen hatte.

Pascoe hatte nie etwas von seinen Wunschen gegenuber Herrick oder gar Bolitho geau?ert. Aber er hatte wissen sollen, da? er nichts vor ihnen verbergen konnte.

Er beschleunigte die Schritte, wahrend seine Gedanken ihm weit vorauseilten in eine Zukunft, die nicht langer ein eitler Traum zu sein schien.

III Der Brief

Es verging noch ein ganzer Tag, bevor Bolithos Ausguck Admiral Damerums Geschwader sichtete, und da es bereits kurz vor Dunkelheit war, mu?ten sie auch noch die Nacht verstreichen lassen, bevor sie den Kontakt herstellen konnten.

Wahrend sein Schiff am folgenden Morgen Kurs auf die gro?ere Gruppe nahm, beobachtete Bolitho das Geschwader des Admirals durch ein starkes Fernrohr und fragte sich, welchen Sinn es habe, eine solch gewaltige Streitmacht in dieser Art zu beschaftigen. Von den britischen Flotten wurde erwartet, da? sie Sommers wie Winters die hollandischen Kriegsschiffe vor der niederlandischen Kuste, die spanischen in Cadiz und — selbstverstandlich — die starken franzosischen Stutzpunkte Brest und Toulon blockierten. Abgesehen davon hatte man ihnen den Schutz der lebenswichtigen Handelswege nach Ost-und Westindien vor Angriffen der Feindmachte, vor Kaperfahrern und gewohnlichen Piraten ubertragen. Eine fast unlosbare Aufgabe.

Hier an den Ostseeeingangen wurden nun andernorts dringend benotigte Geschwader nutzlos festgehalten, nur weil Zar Paul von Ru?land wenig fur Britannien und desto mehr fur Napoleon ubrig hatte und vielleicht seine Neutralitat aufgeben wollte.

Herrick trat zu Bolitho und sagte:»Das dritte Schiff, Sir, mu? das von Sir Samuel Damerum sein.»

Bolitho richtete sein Fernglas auf das Schiff, das den Union Jack an seiner Gro?marsstenge fuhrte. Er war sich des Unterschieds zwischen den nur langsam segelnden Schiffen Damerums und seinem eigenen kleinen Geschwader bewu?t. Mit ihren vielfach geflickten Segeln, ihren von Wind und Wetter mitgenommenen Schiffsrumpfen, auf denen quadratmeterweise die Farbe weggewaschen war, bildeten sie einen starken Gegensatz zu Bolithos neu ausgerusteten Zweideckern.

Weit hinter den schwereren Schiffen machte Bolitho die Bramsegel einer Fregatte aus, die dort als >Auge des Admirals< patrouillierte. Deren Ausgucks konnten wahrscheinlich die danische Kuste sehen.

«Lassen Sie bitte mein Boot klarmachen, Thomas. Wir werden in spatestens einer Stunde bei ihnen sein. Und sorgen Sie dafur, da? gleichzeitig die Vorrate fur den Admiral mit einem anderen Boot hinubergeschickt werden.»

Es war immer ein seltsames Gefuhl, wenn Schiffe einander bege gneten. Die einen, schon lange in See, waren immer erpicht auf Neuigkeiten von zu Hause. Die Neuankommlinge dagegen waren voller Unruhe, da sie nicht wu?ten, was sie erwartete.

Sein Flaggleutnant kam mit langen Schritten uber das Achterdeck, das Gesicht verkniffen wegen der Kalte.

Bolitho sagte:»Da ist das Flaggschiff des Admirals. Ein Linienschiff zweiter Klasse.»

Browne nickte.»Die Tantalus, Sir. Captain Walten. «Es klang, als ginge es ihn nichts an.

«Sie werden mit mir hinuberfahren. «Bolitho lachelte grimmig.»Um sicherzustellen, da? ich nicht etwas Unbesonnenes tue.»

Herrick sagte:»Es mag alles schnell vorbeigehen. Vielleicht sind wir eher wieder in Spithead, als Sie ahnen.»

Bolitho war in seiner Kajute dabei, seine Depeschen aus dem Safe zu holen, als das Geklapper von Blocken und das Knattern schlagender Leinwand ihm sagten, da? die Benbow in den Wind drehte und Segel wegnahm, damit das Admiralsboot sicher zu Wasser gebracht und langsseit geholt werden konnte.

Als er an Deck kam, hatte das Bild sich erheblich verandert. Die Schiffe des Admirals bewegten sich unter backgebra?ten Marssegeln nur ganz langsam vorwarts, und es schien, als wolle die Benbow ihre Linie wie in der Schlacht durchbrechen. Man konnte es sich jedenfalls leicht so vorstellen, und wenn auch viele Leute auf der Benbow noch nie einen im Ernst abgefeuerten Schu? gehort hatten, so doch Bolitho, Herrick und einige andere um so ofter.

«Boot langsseit, Sir. «Herrick eilte zu ihm, das Gesicht gezeichnet von der Verantwortung, die er fur sein Schiff und — wahrend der Abwesenheit Bolithos — fur das ganze Geschwader trug.

«Ich mache so schnell ich kann, Thomas. «Bolitho druckte sich den Hut fest auf den Kopf und sah dabei die Seesoldaten der Ehrenwache antreten und die Bootsmannsmaaten ihre Trillerpfeifen an die Lippen fuhren, bereit, ihn vorschriftsma?ig zu verabschieden.»Der Admiral wird mich wohl kaum als unfreiwilligen Gast bei sich behalten wollen, wenn der Seegang wieder zunimmt, nicht wahr?»

Ein Midshipman, ungewohnlich sauber und ordentlich angezogen, stand im heftig dumpelnden Boot; neben ihm, auf seinem angestammten Platz an der Pinne, Allday. Er mu?te sich mit seiner Ansicht durchgesetzt haben, da? der Konteradmiral lieber seinen Bootssteurer am Ruder sah als einen Schiffsleutnant. Wenn es nach Allday ginge, ware das nachstemal auch kein Midshipman mehr dabei, dachte Bo-litho. Leutnant Browne allerdings war mit im Boot. Er hatte es wieder geschafft, nahezu elegant auszusehen.»Boot Achtung!»

Wahrend die Bootsmannsmaatenpfeifen noch trillerten, sprang Bo-litho in dem Augenblick vom Fallreep auf die Hecksitze des Bootes hinuber, als dieses gerade von einer Welle an der glanzenden Bordwand der Benbow hochgehoben wurde.

«Absetzen vorn! Riemen bei! Rudert an!»

Als das Boot aus dem Windschutz des Zweideckers herauskam, begann es wie ein Delphin heftig auf- und niederzuhupfen. Bolitho warf einen Blick auf den Midshipman, dessen Gesicht aschfarben geworden war. Er hie? Graham und war siebzehn, einer der alteren >jungen Herren<. Seine Chancen auf Beforderung zum Leutnant konnten sich verringern, wenn er in dem Boot seines Admirals seekrank wurde.

«Setzen Sie sich, Mr. Graham. «Bolitho sah, da? der Junge ihn verwirrt anstarrte, weil er von einem so hohen Dienstgrad angesprochen wurde.»Es ist etwas bewegt heute.»

«D-d-danke, Sir. «Graham lie? sich erleichtert nieder.»Ich bin gleich wieder in Ordnung.»

Uber die Schultern grinste Allday dem Schlagmann zu. Nur jemand wie Bolitho machte sich Gedanken uber einen kleinen Midshipman. Das Komische an der Sache war, da? der ungluckliche Graham — was Allday wu?te — nur kurz vorher von einer Pastete gekostet hatte, die er seit England aufbewahrte. Die Pastete war zweifellos schon leicht angeschimmelt gewesen, als er sie an Bord brachte. Nach Tagen auf See, in der feuchten, schlecht gelufteten Kadettenunterkunft, mu?te sie sich nahezu in Gift verwandelt haben.

Bolithos Ankunft auf Damerums Flaggschiff verlief nicht weniger gerauschvoll als die Abfahrt von seinem eigenen.

Er sah fluchtig: blitzende Bajonette, unbewegte Offiziersgesichter, aber vor allem den Admiral selber, der vortrat, um ihn zu begru?en.

«Kommen Sie mit nach achtern, Bolitho. Mein Gott, diese Kalte la?t einem das Mark in den Knochen gefrieren.»

Die Tantalus war ein gutes Stuck gro?er als die Benbow und Damerums Quartier deshalb uppiger eingerichtet, als Bolitho es je auf einem Kriegsschiff gesehen hatte. Waren die Schiffsbewegungen und die gedampften Gerausche nicht gewesen, so hatte man sich in einer luxuriosen Landwohnung fuhlen konnen. Was aber wurde passieren, wenn das Schiff einmal eilends gefechtsklar gemacht werden mu?te? Dann mu?ten die schonen Vorhange und die kostbaren franzosischen Mobel gro?en Schaden nehmen.

Damerum wies auf einen Stuhl, wahrend ein Diener Bolitho Hut und Mantel abnahm.

Bolitho setzte sich. Sir Samuel Damerum, Ritter des Bath-Ordens, Admiral der Nordseeflotte, stand schatzungsweise im funfzigsten Jahr. Er hatte eine frische, lebhafte Art zu sprechen und sich zu bewegen, aber sein graumeliertes Haar und die leichte Rundung in Taillenhohe, die auch eine makellos geschneiderte Weste nicht kaschieren konnte, machten ihn alter.