Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer, стр. 83

Nancys Kinder waren erwachsen, fast in Adams Alter. Es war eine andere Welt. In Falmouth hing die Luft jetzt bestimmt voller

Blutenduft. Kuhgebrull, Pferdewiehern, Schafsbloken und die Kneipen voll lachender Menschen, die sich freuten, weil die We ide- und Fischgrunde wieder so ausgiebig gewesen waren.

Er schrieb weiter: >… und der junge Adam ist gesund und munter; er macht seinen Dienst mit einem Schwung, uber den sich Vater gefreut hatte.

Es ist noch nicht ganz sicher, liebe Nancy, aber ich glaube, Thomas hat endlich die Richtige getroffen. Ich hoffe es wirklich sehr, denn einen besseren Ehemann konnte es kaum geben.<

Oben beim Skylight horte er Schritte und Stimmen. Er blickte hoch. Aber sie entfernten sich, und er zermarterte sich den Kopf, was er seiner Schwester noch schreiben konnte. Jedenfalls nichts von der Kehrseite der Medaille. Von den Gesichtern der Mannschaft, wenn sie sich unbeobachtet glaubten und an ihre eigenen Familien dachten, von denen sie sich mit jeder Stunde immer weiter entfernten. Ebensowenig konnte er ihr erklaren, was er vorhatte, und wie gering die Erfolgschancen waren. Dennoch wurde sie sich das eine oder andere denken konnen. Schlie?lich war sie die Tochter eines Kapitans und Enkelin eines Admirals. Nancy wurde Bescheid wissen.

>. Du wirst Dich an Francis Inch erinnern<, schrieb er weiter, >seit er Sir Horatio Nelson gesehen hat, fuhlt er sich dreimal so gro? und dreimal so bedeutend. Er war machtig beeindruckt; ich habe allerdings den Verdacht, er hat sich Our Nel als eine Art Riesen vorgestellt und nicht als einen eher kleinen, schmachtigen Mann mit nur einem Arm und dem Temperament eines Kohlenschiffers!

Liebe Gru?e an Dich und die Kinder, auch von Adam, der immer noch denkt, Du bist so eine Art Engel. Er kennt Dich eben nicht so gut wie ich.<

Lachelnd stellte er sich vor, wie Nancy diese Stelle des Briefes freuen wurde. Damals, als er auf See gewesen und Adam plotzlich unbekannt und hilflos aus dem Nichts aufgetaucht war, war er zu ihr gekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte keiner in der Familie, nicht einmal sein Vater Hugh gewu?t, da? Adam uberhaupt existierte. Unehelich geboren, hatte er bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr bei seiner Mutter in Penzance gelebt, und als sie gestorben war, hatte er sich zu Fu? auf den Weg gemacht, zu der Familie, der er in Wirklichkeit angehorte. Ja, an diese Tage wurde sich Nancy erinnern, wenn sie den Brief las. Er schlo?: >Denke manchmal an uns! Dein Dich liebender Bruder Dick.<

Da trat Allday ein und sah ihn neugierig an.»Moffitt hat Ihre Befehle fur die Harebell fertig Sir. «Er sah zu, wie Bolitho seinen Brief versiegelte und adressierte.»Nach Falmouth, Sir?»

«Ja. Ich habe meiner Schwester geschrieben, da? Sie so widerborstig sind wie immer.»

Ozzard kam herein, und Allday fuhr herum.»Na?»

Ozzard zog sich zuruck.»Wunscht der Kommodore noch etwas zu essen oder zu trinken?»

Bolitho stand auf, ging unschlussig zur Schottwand und betastete seinen Degen.

«Legen Sie mir morgen meine Gala-Uniform zurecht, Ozzard. «Langsam drehte sich Allday zu ihm um.»Dann glauben Sie also.»

Bolitho sah an ihm vorbei.»Ja. Ich spur's in den Knochen. Morgen oder nie.»

«Auf diese Nachricht brauche ich einen Rum, damit ich schlafen kann. «Aber er grinste.»Mehrere, hochstwahrscheinlich.»

Noch bis eine Stunde nach Mitternacht lief Bolitho in der Kajute auf und ab, dachte an allerlei Menschen und daran, was er mit ihnen gemeinsam erlebt hatte.

Endlich gab er der Deckwache Order, ihn morgen bei Sonnenaufgang zu wecken, und legte sich in die Koje.

Uberraschenderweise fuhlte er sich ruhiger als jemals seit seinem Fieberanfall, und kaum hatte er die Augen geschlossen, da schlief er auch schon ein.

Eine Hand an seiner Schulter weckte ihn. Herrick stand mit einer abgeblendeten Laterne vor ihm. Das Skylight ergluhte im rotlichen Schein.

«Was ist, Thomas?»

Ganz schwach kam es wie ein Echo uber die See: Hurrarufe. »Harebell hat beim ersten Licht signalisiert, Sir«, sagte Herrick ernst. »Feindin Sicht.»

XVIII Im Schlachtgetose

Zusammen mit Herrick schritt Bolitho uber das Achterdeck. Schattenhafte Gestalten wichen ihnen aus, und Grubb meldete:»Kurs Ost zu Nord, Sir.»

Veitch, der die Wache hatte, kam ihnen entgegen und fa?te gru?end an den Hut. »Harebell hat eben wieder signalisiert, Sir: Schiffe in Nordwest.«Mi?billigend blickte er zu den Signalgasten hinuber.»Mr. Glasson hat seine Manner nicht richtig im Schwung; ich furchte, ein paar Signale sind uns entgangen.»

Bolitho nickte.»Die Schiffe, die Inch gesehen hatte, waren zweifellos die Vorhut eines gro?eren Verbandes. Sonst waren sie naher herangekommen.»

Er spahte zu seinem Stander empor. Der glanzte im Licht des neuen Tages, wahrend die unteren Rahen und Wanten noch im Schatten lagen.

«Also — Signal an Geschwader: Vorbereiten zum Gefecht. Haben Ihre Leute gefruhstuckt, Mr. Veitch?»

«Aye, Sir. «Mit einem Blick auf Herrick stotterte er:»Jemand hat mir erzahlt, der Kommodore hatte wegen heute so ein Gefuhl. Da habe ich sie eine Stunde fruher wecken lassen.»

Bolitho rieb sich das Kinn.»Ich gehe mich jetzt rasieren und Kaffee trinken, wenn noch welcher da ist. «Die Leinen schnurrten, die Signalflaggen stiegen hoch.»Ich hoffe, die auf der Nicator schlafen nicht und geben das Signal an Javal weiter.»

Er wandte sich um und schaute nach dem schlanken Rumpf der Harrebell aus, doch sie zeigte ihnen nur das Heck und ihre gerefften Marssegel, die sich hell vom Himmel abhoben.

«Wir mussen die Schiffe moglichst vorteilhaft verteilen, Thomas. Andern Sie gleich den Kurs auf genau Nord und segeln Sie uber Steuerbordbug.»

Uber die bewegte See drang das Stakkato der Trommeln an sein Ohr: Matrosen und Marine-Infanteristen des Geschwaders rannten auf Gefechtsstationen.

Herrick nickte.»Aye, Sir, das ist ratsam. Ich lasse signalisieren, sowie die Nicator das letzte Signal bestatigt hat.»

«Hat schon bestatigt, Sir!«Glassons sonst so scharfe Stimme klang gedampft.

«Melden Sie's gefalligst sofort, Mr. Glasson«, schnauzte Veitch ihn an.»Sonst bleiben Sie fur immer Stellvertretender!»

Bolitho horte diesen Wortwechsel nicht, er dachte nach. Wie stark auseinandergezogen mochte die feindliche Flotte segeln? Hatte sie nur ein Flaggschiff oder mehrere?

«Lassen Sie die Barkasse aussetzen, Captain Herrick«, sagte er.»Sie soll die Depeschen zur Harebell bringen… Und Briefe nach England, falls jemand welche hat.»

Rufe hallten uber das Deck, die Bootsmannschaft rannte nach achtern, von Yeo, dem Bootsmann, und seiner machtigen Stimme angetrieben.

Nochmals sah Bolitho nach seinem Stander. Es war jetzt heller, doch immer noch ziemlich windstill. Auf dem neuen Kurs und Bug wurden sie etwas mehr Fahrt machen, aber es konnte trotzdem noch eine Ewigkeit dauern, bis sie Feindberuhrung hatten.

Pascoe, den schweren Depeschenbeutel unterm Arm, kam herbeigerannt.»Boot ist klar, Sir.»

«Dann ab mit dir, Adam. Halte dich druben nicht auf und sage Commander Inch, er soll versuchen, die Flotte so schnell wie moglich zu erreichen.»

«Werden wir uns die Luvposition sichern konnen?«- fragte Herrick.

«Das la?t sich noch nicht sagen, Thomas. «Bolithos Magen zog sich zusammen. Hunger? Angst? Er war sich nicht daruber klar.»Aber wenn der Verband so ist, wie ich ihn mir vorstelle, dann ist er bestimmt so gro?, da? wir ihn rechtzeitig sehen.»

Veitch kam wieder nach achtern.»Boot hat abgelegt, Sir. Die pullen wie die Teufel.»

«Danke. «Er zog die Uhr.»In funfzehn Minuten konnen Sie gefechtsklar machen lassen. Inzwischen geben Sie Signal an Geschwader: Kurs Nord. Und wenn der Befehl ausgefuhrt ist, neues Signal: Gefechtslinie formieren.»