Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer, стр. 44

Farquhar schob die Lippen vor.»Dann sind wir unterbesetzt,

Sir.»

«Aber dafur haben wir Informationen. «Er konnte seine Erleichterung nicht langer verbergen.»Die Franzosen haben hier eine gro?e Flotte versammelt. Die Harebell mu? schleunigst aufbrechen, wenn irgend moglich noch vor Sonnenuntergang.»

Farquhar nickte.»Da hat Captain Probyn ja Gluck gehabt. Er wird sich freuen.»

«Vielleicht. «Bolitho mu?te an Probyns Gesicht denken. Da hatte er sich einen Feind geschaffen. Aber Probyn war vielleicht schon immer sein Feind gewesen, die ganzen Jahre lang.»Morgen«, sagte er,»setzen wir eine Dienstbesprechung an, wenn nichts dazwischenkommt.»

Er legte seinen Degen ab und reichte ihn Allday. Auf einmal merkte er, da? er wilden Hunger hatte, zum erstenmal seit vielen Tagen.

Im Gehen wandte er sich noch einmal zu Farquhar um.»Wenn Sie ein franzosischer General waren und nicht wollten, da? Ihre Transporter in ein Gefecht verwickelt werden, bevor sie ihr Ziel erreicht haben — wenn dieses Ziel Nordafrika ware und daruber hinaus vielleicht Indien — , wo wurden Sie Ihre Truppen sammeln und die letzten Vorbereitungen fur einen Gro?angriff treffen?«fragt er und beobachtete genau Farquhars Augen.

Stirnrunzelnd stutzte dieser beide Hande auf die Betinge.»Um eine Schlacht zu vermeiden?«Er sah auf.»Sizilien konnte zu riskant sein. Vielleicht irgendein Punkt an der afrikanischen Kuste, der so weit von meinem Angriffsziel entfernt liegt, da? er keinen Verdacht erregt? Aber der lage dann auch fur meine Manner und Pferde zu weit weg; sie waren nicht mehr voll kampffahig. «Er nickte nachdenklich.»Ich glaube, ich wurde mir eine Insel aussuchen, die bereits unter Kontrolle meines Landes steht. «Er hielt inne.»Klingt das einleuchtend, Sir?»

«Und kennen Sie eine solche Insel?»

«Jawohl, Sir«, sagte Farquhar uberrascht.»Korfu.»

«Genau. «Bolitho ging an dem Rudergast vorbei zur Kampanje und nickte Grubb zu.

Farquhar trat neben den Master und sagte:»Der Kommodore glaubt, da? sich die Franzosen auf Korfu sammeln.»

Grubb sah ihn mi?trauisch an.»Aye, Sir. Aber wenn Sie entschuldigen, da? ich mir die Freiheit nehme — nach allem, was ich mitgekriegt habe, haben Sie >Korfu< gesagt.»

Verwundert starrte Farquhar erst auf den Master, dann zur Kam-panje und lachelte dunn.»Sieh mal einer an! Zum Teufel, das hat er geschickt gedeichselt!»

X Schwierige Entscheidung

Zwei ermudende Wochen lang kreuzten Bolithos Schiffe im Sudwesten der Einfahrt nach Toulon. Falls der Feind den Hafen verlie?, war das fur sie die gunstigste Position. Da die Harebell mit hochster Fahrt nach Gibraltar unterwegs war, fiel die Kustenrekognoszierung Captain Javals Fregatte zu. Wahrend der Vierundsiebziger und die Prise mi?mutig unter gerefften Segeln dumpelten, sah man Javals Marssegel gewohnlich um irgendeine vorgelagerte Insel schleichen oder ihn beigedreht direkt unter der Nase des Feindes liegen. Aber selbst Javals provozierende Manover hatten keinen Erfolg. Die Franzosen blieben, wo sie waren, und taten nichts.

Und dann, an einem hei?en, druckenden Abend, als die Blizzard zum vierzigsten Male Kurs auf die offene See nahm, beschlo? Javal, einen Kutter unter dem Kommando seines Ersten Offiziers, Mr. Mears, loszuschicken. Er tat es in erster Linie, weil er furchtbare Langeweile hatte; denn die Franzosen dachten anscheinend gar nicht daran, die herumstreunende Buzzard mit einer Fregatte oder Korvette zu verscheuchen.

In derselben Nacht hatte ein franzosischer Fischer eine ganz ahnliche Idee. Gegen die Anordnungen des Hafenadmirals und des Garnisonskommandeurs lief er, mit seinem Sohn und seinem Cousin an Bord, in seinem kleinen Boot aus.

Bolitho erfuhr von diesen Zusammenhangen erst, als der Kutter der Buzzard mit Captain Javal und drei franzosischen Fischern an den Rusten der Lysander festmachte.

Der Fischer war ein alterer Mann, aber recht widerspenstig. Um sein Leben schien er keine sonderliche Angst zu haben; wahrscheinlich fand er, da die Englander sein kleines Boot gerammt und versenkt hatten, blieb ihm nicht mehr viel, wofur sich zu leben lohnte.

Bolitho horte sich zunachst Javals Bericht an, ehe er die drei Franzosen in seine Kajute bringen lie?. Sie waren irgendwie herzbewegend: der alte, graubartige Fischersmann; sein Vetter, rot wie ein Hummer und mit einem Bauch wie ein Rumfa?; und der Sohn, stramm, wutend und doch voller Angst.

Durch Farquhar, der ausgezeichnet franzosisch sprach, erklarte Bolitho den dreien, er hatte gern Informationen uber Toulon. Verstandlicherweise meinte der Franzose darauf, Bolitho moge doch in der Holle verfaulen. Der Sohn brullte sogar:»Tod den Englandern!«Da verpa?te ihm Sergeant Gritton eine Ohrfeige, worauf er in eine Flut von Tranen ausbrach. Der Cousin dagegen dachte wesentlich praktischer. Das Boot, so erklarte er, sei ihr ganzer Besitz gewesen und das einzige, womit sie ihre Familien ernahren und in einer Stadt, wo das Militar sowieso von allem das Beste in Beschlag nahm, ihren mageren Lebensunterhalt hatten etwas aufbessern konnen. Hochstwahrscheinlich stimmte das sogar.

Der beleibte Cousin mit dem roten, schlauen Gesicht war offenbar der Kopf der Mannschaft. Er deutete an, vorsichtig zunachst, wenn Bolitho ihnen ein neues Boot besorge und vielleicht ein bi?chen Geld oder ein paar Lebensmittel, dann hatte er nichts dagegen, ihm zu sagen, was er wissen wollte.

«Von wegen Boot!«blaffte Javal dazwischen.»Ich lasse diesen elenden Wurm lieber auspeitschen, Sir!»

«Auf diese Art erfahren wir nichts Brauchbares. «Bolitho ging zum Fenster und betrachtete zwei niedrige, bleiche Wolkenbanke. Vielleicht anderte sich das Wetter.»Sagen Sie ihm, Captain Farqu-har, er bekommt ein Boot und etwas Proviant. Sie konnen der Se-gura signalisieren, da? sie ein Boot schickt. «Und zu Javal:»Diese Fischer konnen nichts von dem, was sie hier gesehen haben, hoheren Stellen weitererzahlen. Da sie entgegen dem Verbot ausgelaufen sind und mit einem fremden Boot zuruckkommen, haben sie sich des Landesverrats hinreichend verdachtig gemacht.»

Javal schluckte muhsam.»Dann wollen Sie sie also freilassen,

Sir?»

«Wir kommen vielleicht wieder hier vorbei, Captain. Im Krieg kann man sich seine Freunde nicht aussuchen. «Gerade Javals ablehnende Haltung bestarkte ihn in seinem Entschlu?.

Und somit, wahrend der Fischer und sein Sohn hinausgeschickt wurden, um sich das spanische Boot anzusehen, schilderte der dicke Cousin, was er jeden Tag in Toulon sah.

Was Bolitho vom Kapitan der Santa Paula erfahren hatte, war demnach im Prinzip richtig, doch bestenfalls eine zuruckhaltende Schatzung gewesen. In Toulon lag eine starke Flotte mit zahlreichen Linienschiffen, darunter nach Angabe des Fischers eins mit mindestens hundertzwanzig Kanonen. Dieses trug anscheinend die Flagge des Vizeadmirals Brueys; ein anderes die von Konteradmiral Villeneuve. Bolitho hatte von beiden schon oft gehort und Respekt vor ihnen. Eifrig wurde in Toulon daran gearbeitet, diese gro?e Ansammlung von Schiffen zu verproviantieren und auszurusten, und die Militarverwaltung war besonders um Verpflegung jeder Art bemuht. Hauptsachlich deswegen waren die Fischer ausgelaufen. Selbst fur einen mageren Fang hatten sie gutes Geld bekommen.

Eben stellte Farquhar dem Mann eine komplizierte, anscheinend besonders wichtige Frage. Gespannt beobachtete Bolitho seine Reaktion, sein Deuten nach oben und auf die See hinaus.

«Die Flotte ist noch nicht bereit zum Auslaufen«, erlauterte Far-quhar.»Es hei?t, sie wollen den richtigen Zeitpunkt abwarten. Auch auf den Oberbefehlshaber der ganzen Aktion warten sie noch. «Er hob kaum merklich die Brauen.»Das konnte stimmen.»

Bolitho nickte. Er konnte nicht viel Franzosisch, aber doch genug, um den Namen Bonaparte herauszuhoren.