Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer, стр. 39

Farquhar bekam glanzende Augen.»Dieses Schiff hatte ebenfalls Futter geladen. «Er sah sich in der Kajute um.»Entschuldigen Sie, Sir — aber sollten wir nicht auf die anderen warten? Es wurde Zeit sparen.»

Bolitho wies mit den Augen auf den versiegelten Umschlag.»Das ist fur Sie, Captain Farquhar. «Er trat ans Fenster und sah auf die anderen Schiffe hinaus. In seinem Rucken horte er das Kratzen des Federmessers, mit dem Farquhar das Kuvert aufschnitt. Nach ein paar Sekunden sagte dieser:»Das uberrascht mich sehr. «Aber sein Ton war seelenruhig.

Bolitho wandte sich um und musterte ihn nachdenklich.»Es war eine schwere Entscheidung.»

«Und Captain Herrick, Sir?«Farquhars Gesicht war wie eine Maske.»Ist er krank?»

«Nein«, erwiderte Bolitho kurz.»Treffen Sie sofort alle notwendigen Arrangements. Das Geschwader soll noch vor Sonnenuntergang wieder Segel setzen.»

Farquhar, den Brief in der Hand, sah Bolitho immer noch an.»Ich wei? nicht, wie ich Ihnen danken soll, Sir.»

Bolitho nickte nur.»Sie sind offensichtlich der Meinung, da? ich die richtige Entscheidung getroffen habe.»

Farquhar hatte auch blaue Augen wie Herrick, aber in dem schwachen Licht von See her wirkten sie kalt wie Eis.»Nun, Sir, da Sie mich fragen — jawohl.»

«Dann sorgen Sie dafur, da? man es auch im Geschwader merkt«, erwiderte Bolitho unbewegt.»Captain Herrick ist ein ausgezeichneter Offizier.»

Wieder dieses leichte Heben der Brauen.»Aber?»

«Kein Aber, Captain Farquhar. Ich will, da? er sich auf einem gut ausgebildeten Schiff, wo er bisher keine privaten Kontakte hat, seiner Kraft bewu?t wird. Er wird vollauf zu tun bekommen. Das sollte ihm guttun — und dem Geschwader auch.»

Farquhar lachelte.»Mein Erster Offizier wird sehr uberrascht sein. Auch ihm wird das guttun.»

«Der Erste Offizier dieses Schiffes ist Mr. Gilchrist. Ich schlage vor, Sie machen unverzuglich seine Bekanntschaft.»

Bolitho hatte irgendeine Reaktion erwartet, aber Farquhar sagte lediglich:»Gilchrist? Kenne ich nicht. Aber schlie?lich mu? man ja solche Leute auch nicht kennen.»

«Ich wurde es begru?en«, sagte Bolitho,»wenn Sie Ihre personlichen Abneigungen beiseite lie?en.»

Farquhar stand auf.»Selbstverstandlich, Sir. Ich kann Ihnen versichern, da? ich nie etwas gegen Captain Herrick hatte, obschon mir seine feindselige Haltung mir gegenuber durchaus bekannt ist. «Er lachelte sein dunnlippiges Lacheln.»Keine Ahnung, warum er mich nicht mag.»

Bolitho sah Ozzard an der Tur stehen.»Bitten Sie die anderen Kommandanten herein, Ozzard«, sagte er.»Und dann konnen Sie Wein bringen. «Es sollte so beilaufig klingen, als stunde er uber allem.

Ozzard, mit einem scheuen Blick auf Farquhar, deutete einen Buckling an.»Aye, aye, Sir.»

Bolitho trat auf die Galerie und starrte auf die Wellen hinaus, die wie kleine, wei?bemahnte Pferde von der Kimm herangesprungen kamen. Jedes Bruchstuck einer Information, jedes noch so fadenscheinige Gerucht fuhrte das Geschwader immer tiefer in das Mittelmeer hinein. Und immer war es seine Entscheidung. Ein Brief, der ihm in die Hande gefallen war, hatte ihn in eine Bucht gefuhrt;

dort mu?ten Manner sterben, und Schiffe wurden vernichtet. Jetzt ging es durch Farquhars Zufallsfund noch weiter nach Nordosten, zu den Hafen der franzosischen Flotte. Stucke eines Puzzlespiels lagen auf der einen Seite, die Seekarte und das gnadenlos rinnende Stundenglas auf der anderen.

Die Tur ging auf, Bolitho wandte sich um und sah Herrick mit Probyn eintreten. Er wartete, bis sie Platz genommen hatten, und winkte dann Ozzard zum Weinschrank.

In diesem Moment klopfte es; Gilchrist steckte den Kopf herein und blickte sich suchend um. Er sah Herrick und sagte:»Entschuldigen Sie die Storung, Sir, aber ich mochte den Flaggkapitan sprechen. «Doch er fuhr uberrascht herum, denn es war Farquhar, der ihm antwortete: «Ich bin der Flaggkapitan, Mr. Gilchrist. Ich darf Sie bitten, das nicht zu vergessen!«Eine peinliche Stille trat ein, und Farquhar fuhr fort:»Ich darf Sie au?erdem bitten, die Raume des Kommodore nicht ohne meine Erlaubnis zu betreten!»

Die Tur fiel zu, Farquhar beugte sich vor und betrachtete den Weinschrank. Seine Stimme war wieder vollig normal.»Ein schones Stuck, Sir. Ich kenne die Arbeiten dieses Tischlers gut.»

Bolitho sah zu Herrick hinuber; doch den konnte er bereits nicht mehr erreichen.

IX Wein und Kase

Captain Charles Farquhar schritt nach achtern, um Bolitho, der an Deck gekommen war, zu begru?en. Obwohl er ohne Rock und Hut war, schaffte er es doch, so elegant wie immer zu wirken; sein gefalteltes Hemd sah aus wie frisch gewaschen.»Kurs Ostnordost, Sir«, meldete er dienstlich.

Bolitho nickte und schaute zu seinem breiten Stander und den Rahen empor. Der Wind war in der Nacht leicht ausgeschossen, [19] und es gab Anzeichen, da? er abflaute.

Bolitho nahm ein Teleskop vom Gestell und richtete es uber die Backbordnetze. Es war, als stunde die Umgebung fest, und die Segel taten nur so, als bewegten sie das Schiff. Und doch war es schon drei muhselige Wochen her, seit er zugesehen hatte, wie

Herrick sich zur Osiris hinuberrudern lie?; zwei dieser Wochen hatten sie hier vor diesem Kustenstrich verbracht. Er studierte das nun schon vertraute haifischblaue Stuck Land. Es war so irritierend, sich klarzumachen, da? eben da druben der geschaftige Hafen von Toulon und hinter seinen schutzenden Mauern die Antwort auf seine Spekulationen und Zweifel lag.

«Nicht einmal eine Spur von einem Segel«, brummte Farquhar,»hol sie der Teufel!»

Bolitho legte das Glas wieder zuruck und uberschaute das Hauptdeck der Lysander. Die Vormittagswache hatte begonnen. Eine Wache wie die vorigen auch. Uberall auf dem Deck und hoch oben waren Manner am Werk, splei?ten, malten, teerten das stehende Gut, kontrollierten hunderterlei Geschirr auf Fehler und Abnutzung.

Es war beinahe unheimlich, da? der Golfe du Lyon so leer war. Wie zum Hohn. Die Franzosen mu?ten wissen, da? ein feindliches Geschwader in ihren Gewassern operierte. Jedes Fischerboot konnte es gesichtet und die Nachricht an die nachste Kustengarnison weitergegeben haben. Vielleicht hatten die Franzosen zuviel zu tun, oder sie hatten gar nichts dagegen, da? die Briten lahm hin und her kreuzten, Proviant und Material verbrauchten und nichts damit erreichten.

«Wir mussen uns sehr bald neue Informationen verschaffen oder noch dichter unter Land gehen. «Gelassen erwiderte Farquhar:»Mehr Fregatten sollten wir haben,

Sir.»

Fast ware Bolitho ihm argerlich uber den Mund gefahren. Aber Farquhar konnte ja nichts dafur. Bei jeder Mission gab es anscheinend zu wenig Fregatten, doch ohne die war man praktisch blind.

Er spahte nach achtern, wo die gro?e Breitfock der Osiris in dem unsteten Wind abwechselnd voll und wieder leer wurde, als atme das Schiff keuchend. Sie lag eine Meile zuruck, und hinter ihr in Lee war die Prise Segura gerade noch zu sehen. Wie mochte Pro-byn wohl mit seiner Patrouille zu den kleinen Inseln ostlich von Toulon, welche die Einfahrt schutzten, vorankommen? Er hatte Javals Buzzard mit; das restliche Geschwader mu?te sich mit der Schaluppe begnugen. Bolitho konnte knapp die gelblichen Marssegel der Harebell ausmachen, die wie Muschelschalen vor der franzosischen Kuste standen. Inch wu?te bestimmt, wie wichtig er war. Hoffentlich war er nicht so ubereifrig, da? er zu dicht unter Land ging. Dort konnte der Wind ausbleiben oder eine gut plazierte Kustenbatterie ihn erwischen.

Bolitho wandte sich wieder der Osiris zu. Drei Wochen — und jeden Tag hatte er an Herrick denken mussen. Farquhar folgte seinem Blick und sagte:»Sie segelt gut.»

Nur eine beilaufige Bemerkung, aber typisch fur diesen eleganten Kapitan. Ganz gleich, wie lange er auf einem Schiff gesegelt war oder welch dramatische Dinge er darauf erlebt hatte — war er erst einmal von Bord, hatte er auch innere Distanz zu dem Schiff. Er war ohne jede Sentimentalitat, ihn interessierte nur die Gegenwart und die Zukunft, die aus ihr erwachsen mochte.

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rechtsdrehend (auf den Kompa? bezogen) geworden