Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer, стр. 11

Pascoe stie? Allday in die Rippen.»Dem hat's mein Onkel aber gegeben, was?«murmelte er.

Allday grinste, auf einmal wieder erleichtert.»Da haben Sie bestimmt recht, Mr. Pascoe!»

III Allein

Unter Marssegeln und Kluver lag die Fregatte Buzzard hoch am Wind auf Steuerbordbug; ihre Rahen waren so dichtgeholt, da? es von Deck aussah, als stunden sie mittschiffs.

Bolitho fa?te die Finknetze und starrte angestrengt ins Dunkel. Das Tageslicht war so plotzlich erloschen, wie immer in diesen Gewassern; jetzt horte er, wie der Master und der Erste Offizier die Stellung jedes einzelnen Segels besprachen.

Javal konnte die Navigation anscheinend vollig ihnen uberlassen. Sie waren wie er selbst gut ausgebildete, erfahrene und selbstandig denkende Seeleute und ausgezeichnet aufeinander eingespielt.

An Javal war kein Falsch und in seiner Kajute nichts Uberflussiges; fur einen erfolgreichen Fregattenkapitan war sie eher spartanisch eingerichtet. Das Mobiliar bestand in der Hauptsache aus schweren Seekisten, die notigenfalls leicht weggestaut werden konnten.

Javal trat zu Bolitho und kniff die Augen zusammen, weil das Spruhwasser bei jedem Stampfen des Schiffes bis uber die Netze hochflog, und sagte:»Die Kuste liegt eine Meile Backbord voraus, Sir. Wenn ich die Landzunge schaffen soll, mu? ich mich jetzt bald von Land klarhalten oder noch einen Kreuzschlag machen! Ich wollte ja Wind, aber der hier ist zu frisch fur meinen Geschmack.»

Er zog eine Steingutkruke aus der Rocktasche.»Mochten Sie einen Schluck, Sir? Genever, der warmt.»

Glas oder Becher gab es nicht, also setzte Bolitho die Flasche an den Mund. Wie Feuer rann der starke Schnaps uber die Zunge.

«Hab neulich einem Blockadebrecher im Kanal ein paar Kisten davon abgenommen«, bemerkte Javal beilaufig.»Besser als nichts. «Er fuhr herum und brullte:»Pa?t aufs Ruder auf, verdammt noch mal! Sonst segeln wir uns noch fest!«Aber dann sprach er ganz ruhig weiter:»Ich schlage vor, wir machen jetzt bald Ernst,

Sir.»

Bolitho lachelte. Dieser plotzliche Temperamentausbruch zeigte, da? Javal nervoser war, als er glauben machen wollte. Sich einer wenig bekannten Kuste im Dunkeln zu nahern, war niemals leicht und nur noch schwerer, wenn man einen Vorgesetzten im Nacken hatte.

«Einverstanden«, entgegnete er.

«Mein Erster Offizier leitet die Aktion. Kutter und Barkasse mu?ten ge nugen; aber fur den Fall, da? spanische Truppen landeinwarts liegen und alarmiert werden, schlage ich vor, wir setzen ein kleines Kommando unterhalb des Kaps an Land. «Er zogerte.»Unter Ihrem Leutnant vielleicht?»

«Gewi?. «Bolitho blickte uber die Reihen der duster anrollenden Seen.»Mr. Pascoe ist noch jung, aber er hat schon allerhand Erfahrung.»

Javal musterte ihn neugierig.»Ich kummere mich darum. «Er eilte hinweg und gab den bereits versammelten Mannern ein paar kurze Befehle. Blocke quietschen, Boote wurden ausgeschwenkt, alles klappte scheinbar so muhelos wie bei Tageslicht. Bolitho versuchte, nicht auf das Waffenklirren und den Namensaufruf zu horen.

Allday tauchte aus dem Dunkel neben ihm auf.»Das wird ein schwerer Pull bei dem Wind, Sir«, sagte er. Anscheinend spurte er Bolithos Besorgnis.»Kann ich helfen, Sir?»

Javal eilte vorbei.»Beidrehen!«befahl er und gleich darauf:»Mr. Mears! Klar zum Pieren der Boote!»

«Begleiten Sie Mr. Pascoe, Allday«, sagte Bolitho rasch.»Er befehligt die Jolle.»

Allday hatte verstanden, doch er entgegnete zogernd:»Aber, Sir, mein Platz ist doch bei. «Dann grinste er.»Nein, Sie haben ganz recht, Sir.»

Wei?er Gischt brach sich am Bug. Bolitho horte Pascoes Stimme:»Melde mich ab, Sir.»

Bolitho trat neben ihn.»Pa? auf dich auf, Adam. «Er versuchte, leichthin zu sprechen.»Deine Tante wurde es mir nie verzeihen, wenn dir was passiert.»

Pascoe sah sich nach den vorbeieilenden Matrosen um. Bleich schimmerten die karierten Hemden.»Ich mu? jetzt gehen, Sir.»

Bolitho trat beiseite.»Viel Gluck!»

Die Fregatte drehte langsam bei, ihre Segel schlugen unschlussig; sofort wurden die Boote gefiert, legten ab und pullten zur Kuste.

Javal rieb sich die Hande.»Gehen Sie wieder an den Wind und steuern Sie Kurs Sudost zu Ost, Mr. Ellis. Und schicken Sie zwei gute Lotgasten in die Rusten, damit wir uns nicht den Kiel herausrei?en!»

Er trat zu Bolitho auf die andere Seite und beobachtete wortlos, bis das Schiff wieder auf Segel und Ruder reagierte. Dann sagte er munter:»Das ist jedesmal das Schlimmste: die Warterei.»

Bolitho nickte und horchte angestrengt auf das Knarren der Riemen. Aber er horte nichts mehr; es war schon von anderen Gerauschen verschluckt.»Aye«, sagte er.»Ich ware lieber mitgefahren.»

«Da sei Gott vor«, lachte Javal.»Ich mochte noch manches Jahr in der Flotte dienen und sogar Karriere machen. Aber was hatte ich wohl fur Chancen, wenn ich zulie?e, da? mein Kommodore drauf-geht?«Der Gedanke schien ihn machtig zu amusieren.

«Da konnten Sie recht haben«, entgegnete Bolitho kurz.

Javal rausperte sich und wurde sachlicher.»Es wird gut vier Stunden dauern, bis wir mehr wissen, Sir. Mein Erster ist ein erfahrener Mann, seit achtzehn Monaten bei mir, und hat schon mehrere Fahrzeuge ohne gro?e Verluste gekapert. «Bolitho nickte.»Ich werde Ihre Kajute noch einmal in Anspruch nehmen, wenn ich darf. Ein kurzer Schlaf sollte mich fur morgen frischer machen.»

Jetzt dachte Javal wahrscheinlich: So ein Schwindler! Bolitho konnte es beinahe horen. Schlafen? Auf dem Wasser zu wandeln, ware ihm leichter gefallen.

Javal sah ihm nach, wie er sich zum Niedergang tastete, und zuckte die Schultern. Der Kommodore machte sich wohl Sorgen uber die erste Aktion unter seinem Oberbefehl, dachte er. Es kann ihm doch nichts ausmachen, wenn zwei, drei Mann dabei fallen? Er griff nach seiner Steingutkruke und schuttelte sie am Ohr. Mit dem Genever wurde die Zeit ein bi?chen schneller vergehen.

Bolitho tastete sich zu dem schwach erhellten Kompa? hin und blickte auf die stark schragliegende Windrose. Der Bug der Buz-zard zeigte genau nach Nordost. Hilfsbereit sagte der Master:»Entschuldigung, Sir, aber der Wind hat ein oder zwei Strich gedreht. Und geregnet hat's auch.»

Bolitho nickte und schritt weiter, stemmte sich gegen den Druck des feuchten Windes, der schrag von achtern kam. Die Morgendammerung war nahe, schon konnte er die Neunpfunder auf dem Achterdeck sehen — wie schwarze Balken ragten ihre Rohre unter der Luv-Laufbrucke hervor.

Javal stand an der Achterdecksreling, ohne Hut, sein Haar peitschte im Wind.»Bis jetzt nichts Neues«, sagte er und sah Bo-litho kurz und prufend an.»Gut geschlafen, Sir?»

Bolitho stutzte sich auf die Reling und spurte, wie das Schiff unter ihm zitterte gleich einem Tier, das alle seine Krafte anspannte. Er hatte keine Sekunde langer in der Kajute bleiben konnen. Die Zeit war ihm zu einer Ewigkeit geworden und Javals Quartier zu einem feuchten, schwankenden Gefangnis.»Danke, ein bi?chen wenigstens«, sagte er.

«An Deck! Land in Luv voraus!»

«Die Lotgasten wieder in die Rusten, Mr. Ellis!«befahl Javal erregt.»Aber schnell!«Etwas ruhiger erlauterte er dann:»Das wird der eine Landarm der Bucht sein. Wir haben wahrend der Nacht in einem Bogen vor ihm gekreuzt. Weil dieser verdammte Wind immer mehr drehte, dachte ich schon, wir wurden auflaufen.»

«Aha«, sagte Bolitho. Er wandte den Kopf ab, damit Javal nicht sah, wie ihm zumute war. Wie war die Aktion gelaufen? Warum war immer noch kein Signal, kein Zeichen des Erfolgs zu sehen?

«Mears hatte wenigstens einen Schu? oder eine Rakete abfeuern konnen«, bemerkte Javal. Selbst er wurde anscheinend unruhig.

«Verdammt, in einer Stunde sind wir von Land aus zu sehen.»

Bolitho horte nicht hin. Er versuchte sich vorzustellen, was jenseits dieses undeutlichen Schattens lag, den der Ausguck als Land angesprochen hatte. Wenn Leutnant Mears und seine Manner den Schoner nicht gekapert hatten oder aus irgendeinem Grunde gar nicht an ihn herangekommen waren, dann mu?ten sie wohl oder ubel zur Buzzard zuruckrudern. Bei dem steifen Wind und nach einer ganzen Nacht an den Riemen wurden sie Hilfe brauchen, und zwar schnell.