Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste, стр. 91

Verloren sah der Admiral Bolitho an.»Ich gehe einen Moment nach unten. Sie sind ermachtigt, Ihren Plan auszuprobieren. «Vielleicht wollte er noch der Form halber von sich aus einen Befehl geben, tat es aber nicht, sondern knurrte wutend:»Ich wunschte blo?, Draffen ware hier an Deck und wurde selbst erleben, was uns sein Betrug kostet!»

Bolitho sah Broughton nach und winkte dann Keverne und Tothill herbei.»Signal an alle: >Geschwader geht nacheinander uber Stag und nimmt dann Kurs West.<»

Keverne eilte an die Reling und rief den wartenden Matrosen Befehle zu. Pfeifen schrillten, die Manner rannten auf ihre Stationen, Signalflaggen stiegen hoch — sehr bunt standen sie gegen den bleichen Himmel.

Nachdem alle Bestatigungen gemeldet waren, sagte Bolitho:»Noch ein Signal an alle, Mr. Tothill: >Gefechtsklar!<«Er lachelte etwas muhsam in das gespannte Gesicht des Midshipman.»Ja, es sieht aus, als ob es an diesem schonen Morgen ein Gefecht gibt, also passen Sie gut auf Ihre Leute auf.»

An allen Decks herrschte jetzt Ordnung; die Unteroffiziere hakten ihre Wachrollen ab, Partridge stand bei den Rudergangern, bereit, hinter der Tanais durch den Wind zu drehen.»Alle Bestatigungen eingegangen, Sir!«rief Tothill.

Sie waren bereit.»Ausfuhrungsbefehl!»

Keverne wartete auf den richtigen Moment: auf die Zehen gereckt beobachtete er, wie erst die Zeus und dann die Tanais mit schlagenden Segeln drehten.»Legen Sie das Schiff auf Backbordbug. Ich mache inzwischen die Gefechtsorder fur die Kommandanten fertig«, sagte Bolitho zu ihm.

«Und dann, Sir?«Keverne hatte immer noch die Tanais im Auge.

«Dann konnen Sie Klarschiff zum Gefecht anschlagen lassen. «Er lachelte.»Und diesmal werden wir es in acht Minuten schaffen!»

«Achterdeck! An die Brassen!«brullte Keverne.

Beim Klang seiner Stimme wandte Bolitho sich noch einmal um: Pascoe stand bei der Achterwache an den Besanbrassen, den Hut tief uber das widerspenstige Haar gezogen, die Augen im grellen Sonnenlicht zusammengekniffen.

Eine Sekunde lang trafen sich ihre Blicke, und Bolitho wollte schon die Hand heben, um ihm zuzuwinken. Aber ein plotzlicher Schmerz erinnerte ihn an seine Wunde, und er sah die Besturzung im Gesicht des Jungen; es war, als fuhle er seine Schmerzen mit.

«Ruder hart Backbord! Los die Vorschoten! Hol dicht Besan!»

Matrosen rannten in alle Richtungen; unter dem Druck von Wind und Ruder kam die Euryalus unter Knarren und Stohnen herum.

Und dann war es wieder einmal sowe it: wie ein gigantischer Elefantensto?zahn reckte sich ihr Kluverbaum einem Feind entgegen.

IXX Im Gefecht

«Kursanderung ein Strich nach Backbord, Mr. Partridge!»

Bolitho ging nach Lee, um nach der Zeus zu sehen, die fast genau voraus an der Spitze der anderen Formation segelte. Es hatte fast eine Stunde gedauert, bis das Geschwader uber Stag gegangen war und jeder Kommandant seinen Platz in seiner Gefechtslinie eingenommen hatte. Gott sei Dank hatten sie inzwischen genugend Zeit gehabt, sich aufeinander einzuspielen.

«West zu Sud liegt an, Sir«, bestatigte Partridge mit grimmiger Entschlossenheit.

«Recht so.»

Bolitho schritt zur Achterdecksreling und musterte sein Schiff. Jetzt, da die Euryalus an der Spitze fuhr, konnte man die Lage viel besser ubersehen und uberdenken. Vor den machtigen, klauenformigen Kluversegeln und den dichgebra?ten Vorbramsegeln, die das Schiff stetig auf Backbordbug hielten, konnte er den Feind so deutlich sehen wie auf einem Seeschlachtengemalde. Die zehn Schiffe segelten in beinahe vollkommener Gefechtslinie diagonal auf das britische Geschwader zu. Fur ein ungeubtes Auge mochte es aussehen, als sei der Weg nach vorn von einer Reihe machtiger Schiffe total blockiert, und selbst einem erfahrenen Beobachter konnte es bei diesem Anblick kalt uber den Rucken laufen.

Widerwillig tat Bolitho ein paar Schritte uber das totenstille Achterdeck und blickte dabei ab und zu nach der Zeus, um sich zu vergewissern, da? sie ihre Position einhielt. Ihr folgten in regelma?igen Abstanden die Tanais und die Valorous; die Doppelreihen ihrer Kanonen glanzten im harten Fruhlicht wie schwarze Zahne.

Die hohe Kampanje der Euryalus verdeckte die Impulsive zum gro?ten Teil, doch er konnte ihre festgezurrten Bramsegel und den flatternden Wimpel sehen und vermochte sich leicht vorzustellen, wie Herrick breitbeinig an Deck stand und mit seinen hellblauen Augen das Flaggschiff beobachtete.

«Glauben Sie«, fragte Keverne nachdenklich,»da? die Frogs erraten, was wir vorhaben, Sir?»

Zum zehnten Male schatzte Bolitho die Entfernung zwischen den beiden kleinen Formationen ab. Rattrays Zeus lag etwa drei Kabellangen entfernt, und er sah die roten Rocke der Marine-Infanteristen schimmern, die auf ihre Gefechtsstationen in den Masten kletterten. Die besten Scharfschutzen wurden heute verdammt notig sein.

«Unsere Formationen sind so ungleich, da? der franzosische Admi-ral hoffentlich glaubt, wir hatten uberhaupt keinen Plan.»

Das ware auch ganz verstandlich gewesen, dachte er grimmig. Funf Schiffe in zwei ungleichen Sto?keilen, die auf diese unerschutterliche Gefechtslinie zusegelten — das war, als galoppiere eine Gruppe Jager blindlings auf einen Abgrund zu.

Nochmals uberschaute er sein Schiff. Keverne hatte trotz allem in acht Minuten gefechtsklar gemacht. Vom ersten nervenrei?enden Wirbel der Trommeljungen an waren Matrosen und Seesoldaten ernst wie zum Tode Verurteilte auf ihre Gefechtsstationen gegangen. Jetzt herrschte lautlose Stille. Nur hier und da bewegte sich jemand: da streute ein Schiffsjunge rasch noch Sand, damit die Fu?e der Geschutzbedienungen besseren Halt auf den Planken fanden. Fittock, der Feuerwerker, hatte seine machtigen Filzschuhe an und stieg noch einmal in die bedrohliche Dammerung seiner Pulverkammer hinab.

Schutznetze waren uber dem Deck aufgeriggt und Ketten um jede Rah geschlungen; an jedem Niedergang stand ein bewaffneter Seesoldat, damit nicht etwa jemand, der die Schrecken der Schlacht nicht mehr ertragen konnte, in die trugerische Sicherheit des Schiffsrumpfes zu fluchten versuchte.

Wie sauber und offen das alles aussah. Die Boote trieben an langen Leinen achteraus. Unter den Decksgangen hockten die Geschutzbedienungen, nackt bis zum Gurtel, starrten durch die offenen Stuckpforten und warteten darauf, da? der Wahnsinn losging.

Und das wurde nicht mehr lange dauern. Bolitho richtete sein Teleskop auf das vorderste feindliche Schiff. Es war knapp zwei Meilen vor ihrem Backbordbug und segelte so, da? es den Kurs der Zeus kreuzen mu?te.

Es kam ihm merkwurdig bekannt vor; aber dafur hatte Partridge eine Erklarung. Mit fachmannischen Interesse hatte er gesagt:»Ich kenn' sie, Sir. Die Glorieux, Vizeadmiral Duplays Flaggschiff. Bin mal vor Toulon mit ihr aneinandergeraten.»

Naturlich — das hatte er gleich sehen mussen. Da hatte sich das Schicksal noch einen Extraspa? ausgedacht, denn die Glorieux kam aus derselben Werft wie sein eigenes Schiff und war bis zum letzten Bolzen nach den gleichen Planen gebaut. Abgesehen von der Bemalung, den breiten scharlachroten Streifen zwischen den Stuckpforten, war sie die Zwillingsschwester der Euryalus.

Langsam fuhrte er das Glas nach Steuerbord zu den beiden Schiffen in der Mitte der gegnerischen Formation. Zum Unterschied von den anderen fuhrten sie die rot-gelbe Flagge Spaniens; der Sicherheit halber waren sie in der Mitte stationiert, wo sie ihrem Admiral folgen konnten, ohne zu sehr auf eigene Initiative angewiesen zu sein. Solche Initiativen hatten ihre franzosischen Alliierten bei St. Vincent schon einmal teuer bezahlen mussen.

Er horte, wie Calvert etwas zu Midshipman Tothill sagte, und als er das Glas absetzte, sah er, wie der Leutnant das Signalbuch studierte, als wolle er sich unbedingt noch im letzten Augenblick nutzlich machen. Armer Calvert. Wenn er diesen Tag uberlebte, erwarteten ihn in