Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste, стр. 83

«Es schien mir ratsam, diese Gefahr zu beseitigen, ehe wir uns auf weiteres einlie?en, Sir.»

«Vielleicht. «Es klang etwas vorsichtig.»Aber inzwischen wissen Franzosen und Spanier, da? sie das Geschwader aus Gibraltar jetzt vor ihrer Nase haben. Es ist daher um so wichtiger geworden, da? sie zu Ende fuhren, was geplant war, das ist ganz klar. «Er nickte bekraftigend.»Ich beabsichtige, mit dem Geschwader Kurs auf Cartagena zu nehmen. Denn wenn nur die Halfte von dem stimmt, was die Agenten berichten, so zieht der Feind dort seine Kriegs- und Transportschiffe zusammen. Was konnte auch wahrscheinlicher sein? Es ware ein weiterer Versuch, die Beziehungen der beiden Lander nach ihrer Niederlage bei St. Vincent zu kraftigen.»

Bolitho nickte. Offenbar hatte der Admiral in den letzten Tagen grundlich uber die Lage nachgedacht. Verstandlicherweise. Denn wenn er nach Gibraltar zuruckkam und dort berichtete, da? Djafou nutzlos und Draffen von einem seiner eigenen Offiziere getotet worden war, dann konnte ihn das teuer zu stehen kommen. Broughton hatte bereits mit seiner Rolle bei der Spithead-Meuterei und dem Verlust der Auriga das Mi?vergnugen der Admiralitat erregt, und mehr als jeder andere brauchte er einigen Zuwachs auf seinem Habenkonto; aber dazu reichte die Aufbringung der Navarra und einer kleinen Brigg schwerlich aus.

«Sehr wahrscheinlich, Sir«, antwortete er.»Doch ebenso moglich ist es, da? wir dem Feind auf offener See begegnen.»

«Darauf hoffe ich sogar. «Broughton, der jetzt einige Erregung erkennen lie?, schritt zum Fenster.»Wenn wir sie in ein Gefecht verwickeln, mussen wir ihnen zeigen, da? wir nicht zum Spa? hier sind. Und da? nach uns noch andere und Starkere kommen.»

«Und wenn wir in Cartagena nichts vorfinden — was dann, Sir?»

Broughton wandte sich um und sah ihm gelassen ins Gesicht.»Dann, Bolitho, bin ich ruiniert. «Er schien zu merken, da? er zu viel Vertraulichkeit gezeigt hatte, und fuhr knappen Tones fort:»Wir lichten morgen fruh Anker. Commander Inch segelt mit der Navarra und der Brigg nach Gibraltar zuruck. Er nimmt au?erdem die ganze Kastellbesatzung und die, ah, Zivilisten mit, die wir ubernommen haben. Zweifellos wird es dem Gouverneur von Gibraltar sehr lieb sein, sie gegen britische Kriegsgefangene austauschen zu konnen.»

«Ich habe im Festungsmagazin Sprengladungen legen lassen, Sir.»

«Gut. Wir werden sie zunden, bevor wir segeln. «Er seufzte.»Also dann.»

Er machte Miene zu gehen, und Bolitho fragte rasch:»Ich hoffe, Sie werden Mr. Keverne als Kommandant auf der Brigg einsetzen, Sir?»

Der Admiral wich jedoch seinem Blick aus.»Ich furchte, das geht nicht. Sie haben schon genug Ausfalle, und wir brauchen jeden erfahrenen Offizier. Ich werde Fourneaux anweisen, da? er einen Prisenoffizier abstellt.»

Fragend nickte er zu Angus hinuber, der, sich die Hande abwischend, hereinkam.»Draffen war tot, Sir«, sagte der Arzt.

Gleichgultig erwiderte der Admiral:»Dachte ich mir. Nun, Mr. An-gus, Captain Bolitho bleibt uber Nacht hier und geht erst morgen fruh, eine halbe Stunde vor Segelsetzen, an Bord. Arrangieren Sie das. Dann lassen Sie Calvert suchen und ihm bestellen, ich brauche ihn sofort, um die Geschwaderbefehle auszuschreiben. «Auf einmal lachelte er und sah um Jahre junger aus.»Wissen Sie, Bolitho, ich war mal in Versuchung, mit Calvert das Rapier zu kreuzen, um ihm eine Lehre zu erteilen. Hatte ich das getan, so waren Sie jetzt Geschwaderkommandeur und mu?ten statt meiner in Gibraltar den Kopf hinhalten!«Der Gedanke schien ihn machtig zu amusieren, denn er lachelte immer noch, als er aus dem Zimmer ging.

Bolitho schlo? die Augen und lehnte sich in den Sessel zuruck. Alle Kraft und Energie hatten ihn verlassen; er fuhlte sich vollstandig ausgelaugt.

«Nur eine Nacht«, sagte er, halb zu sich selbst. Sie strich ihm ubers Haar und sagte leise:»Ja. Eine Nacht. «Und dann:»Fur uns.»

XVII Wiedervereint

Leutnant Charles Keverne stand mit verschrankten Armen an der Achterdecksreling und uberwachte die geschaftige Tatigkeit an Deck und in den Masten. Die Euryalus war nicht in die Bucht eingelaufen, sondern hatte mit dem gesamten Geschwader vor der schnabelformigen Landzunge Anker geworfen. Jetzt, im bleichen Morgenlicht, wirkten sogar die kahlen Berge weniger feindselig, schien die Festung ein ruhiger, harmloser Bau zu sein.

Keverne lie? sich vom Midshipman der Wache ein Teleskop geben und richtete es auf die Tanais, die im auffrischenden Wind an ihrem Kabel zerrte und deren Rahen von Matrosen wimmelten. Er konnte die Narben am Heck erkennen, wo der massive Rumpf der Euryalus kollidiert war. Gott sei Dank waren die Reparaturen am Rigg fertig geworden, ehe der Kommandant wieder an Bord gekommen war.

Wie die Offiziere und Mannschaften, die Bolitho gesehen hatte, als er durch die Fallreepspforte stieg, war auch Keverne erleichtert und gleichzeitig besorgt. Das Lacheln des Kommandanten war echt gewesen, und zweifellos freute er sich, da? er wieder an Bord seines Schiffes war. Aber der Arm lag steif in der Tragschlinge, und als er mit

Alldays Hilfe durch die Pforte kletterte, war ihm deutlich anzusehen, da? er gro?e Schmerzen litt.

Seit der trubseligen Ruckkehr von der ergebnislosen Jagd und der Kollision mit der Tanais schwirrten die Geruchte nur so durch das Schiff. Broughtons Laune entsprach den Umstanden; und schon aus diesem Grund hoffte Keverne, da? Bolitho imstande sein wurde, sowohl seinem Vorgesetzten mit gutem Rat zur Seite zu stehen, als auch sein unruhig gewordenes Schiff wieder in den Griff zu bekommen.

Keverne uberdachte, was er selbst bisher geleistet hatte. Er hatte die bei den Gefechten verwundeten und gefallenen Mannschaften zum Teil ersetzt, die Marine-Infanteristen wieder an Bord genommen, das Schiff wieder seeklar gemacht. Lucey und Lelean waren tot und Bo-litho noch keineswegs wieder dienstfahig; somit war das Schiff gerade in dieser kritischen Lage erheblich unterbemannt.

Auf dem Backborddecksgang kam Leutnant Meheux herbei und luftete den Hut.

«Anker ist kurzstag, Sir!«Es klang ganz vergnugt.»Ich bin nicht traurig, wenn wir dieses Loch auf Nimmerwiedersehen verlassen!»

«Auf der Festung wird die Flagge niedergeholt«, verkundete Par-tridge.

Wieder hob Keverne das Teleskop.»Ja, stimmt. «Er sah zu, wie der Wimpel unter der Brustwehr verschwand, und fragte sich, wie es wohl dem letzten zumute sein mochte, der die Festung verlie?, wo schon die Lunten glommen.

Er winkte einem Midshipman.»Melden Sie dem Kommandanten mit allem Respekt, da? der Anker kurzstag ist und der Wind auf Sudwest gedreht hat, Mr. Sandoe.»

Partridge sah dem hinwegeilenden jungen Manne nach.»Da haben wir Gluck und brauchen uns nicht so zu qualen, um von der Landzunge klar zu kommen.»

Soeben legte ein Fahrzeug mit lohfarbenen Segeln von der Festung ab — Keverne sah es mit Verbitterung. Es war die Torquoise, die Brigg; in dem klaren Morgenlicht bot sie ein schones, lebensvolles Bild. Wieder eine Chance verpa?t. Beinahe ware das sein Schiff geworden! Fluchtig fragte er sich, ob Bolitho ihn wohl deswegen an Bord behalten hatte, weil er selbst nicht voll dienstfahig war. Aber er lie? den Gedanken ebenso schnell wieder fallen. Weder Bickford, der mit dem Kommandanten zusammen gekampft hatte, noch Sawle, den er nicht ausstehen konnte, hatten die Torquoise bekommen. Somit war es ganz offensichtlich Broughton gewesen, der mit einem Federstrich einen kleinen Leutnant von der Valorous auf die erste Stufe der Beforderungsleiter katapultiert hatte. Argerlich stampfte Keverne mit dem Fu? auf. Was hatte er sich fur Muhe gegeben! Und zweifellos erwarteten ihn, wenn sie die feindliche Kuste erreichten, irgendwelche neuen Enttauschungen; der Admiral wurde bestimmt wieder was zu schimpfen haben.»Die Navarra hat abgelegt, Sir!»