Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste, стр. 42

«Gut. Geben Sie ihnen Bedeckung mit, McEwen. Und«, schlo? er laut und bestimmt,»sorgen Sie dafur, da? ihnen sonst nichts passiert — verstanden?»

«Aye, Sir«, grinste McEwen.

«Da mu? einer schon machtig was zu bieten haben, wenn er mit diesen Weibern fertig werden will, bei Gott«, murmelte Grindle.

Jetzt erschien Ashton wieder.»Konnen Sie mitkommen, Sir? Ich glaube, unten mu? was abgestutzt werden. Ich hab's versucht, aber ich — ich schaffe es nicht…«Die Stimme versagte ihm.

Und so ging es die ganze Nacht weiter. Schlie?lich konnte Bolitho die Stunden nicht mehr voneinander unterscheiden, denn eine Krise folgte der anderen. Gesichter und Stimmen verschwammen, und selbst Allday war au?erstande, den dauernden Strom von Hilferufen und Anweisungen zu stoppen. Verzweifelt pflugte die Navarra durch die sturmenden Wogen.

Aber irgendwie ging es, wenn auch die Manner an den Pumpen so erschopft waren, da? ihre Ablosung sie wegzerren mu?te. Immer weiter ging der Kampf gegen das gierig einstromende Wasser. Ohne Stocken lief die Eimerkette, bis die vollig erschopften Manner wie tot umfielen, unempfindlich gegen das uber ihre zerschundenen Leiber stromende Wasser oder die Fluche und Fu?tritte der britischen Matrosen. Die Ruderzuge dehnten sich, das Steuern wurde schwieriger. Aber die Segel rissen trotz des furchtbaren Winddrucks nicht von den Rahen.

Beim ersten Anzeichen der Morgendammerung flaute der Wind ab, fast schuldbewu?t wie ein Rauber, dessen Uberfall abgeschlagen worden war. Der Seegang beruhigte sich, das angeschlagene Schiff gehorchte seinen neuen Herren besser und machte ruhigere Fahrt.

Bolitho blieb die ganze Zeit auf dem Achterdeck, und beim ersten Licht des neuen Tages suchte er sorgfaltig die Kimm ab — doch er sah nur, da? sie das Meer fur sich allein hatten.

Er rieb sich die wunden Augen und blickte zu seinen wie tot unter der Reling liegenden Mannern hinuber. Meheux schlief im Stehen; mit dem Rucken lehnte er am Vormast wie festgebunden.

Noch eine Sekunde, und er selbst konnte nicht mehr weiter. Wurde einschlafen, vollig erschopft. Er vermochte nicht einmal Befriedigung zu empfinden oder Stolz uber das, was er erreicht hatte. Nur den alles verzehrenden Wunsch nach Schlaf.

Er schuttelte sich und rief:»Mr. McEwen zu mir!«Die Stimme versagte ihm, sie klang wie das Krachzen eines argerlichen Seevogels.

«Holen Sie alle Leute zusammen, Mr. Grindle, wir wollen sehen, was wir zur Verfugung haben.»

Am Vorschiff tauchten zwei Frauen auf und starrten um sich. Die eine hatte Blut an der Schurze; als er zu ihr hinsah, hob sie die Hand zum Gru?. Bolitho versuchte zu lacheln, doch es wurde nichts daraus. Aber er winkte zuruck, obwohl sein Arm schwer wie Blei war.

Es gab so viel zu tun. In ein paar Sekunden gingen die Fragen und Forderungen wieder los.

Er holte tief Atem und stutzte die Hande auf die Reling. Eine Kugel hatte ein Stuck herausgerissen. Er starrte immer noch auf die Lucke, als Allday zu ihm trat und sagte:»Ich habe unter der Kampanje eine Hangematte fur Sie angeschlagen, Captain. «Er hielt inne und wartete auf Widerspruch, aber er merkte, da? Bolitho kaum noch die Kraft dazu hatte, und so fuhr er fort:»Ich rufe Mr. Meheux, damit er die Wache ubernimmt.»

Dann wu?te Bolitho nur noch, da? er in einer schmalen Hangematte lag und ihm jemand die vollgesogenen Schuhe und den zerrissenen Rock auszog. Und damit kam auch schon der Schlaf: wie ein schwarzer Vorhang, in Sekundenschnelle und abgrundtief.

IX Ein neuer Feind

Bolitho sa? an einem behelfsma?ig zusammengezimmerten Tisch in der kleinen Heckkajute der Navarra und starrte trubsinnig auf eine Seekarte nieder. Er hatte drei Stunden wie tot geschlafen, bis irgendein Instinkt, fur den er mit Augen und Ohren nach einer Erklarung suchte, ihn hochgejagt hatte.

Wahrend dieser drei Stunden hatte sich der Sturm vollig gelegt, nichts war mehr von seiner fruheren Wut zu spuren; und als er an Deck geeilt war, hatten die Segel leblos gehangen. Leise atmete die See in der totalen Flaute.

Wahrend Meheux weiter dem trubseligen Geschaft der Totenbestattung oblag, zahlte Grindle unter vielen Schwierigkeiten die Passagiere und die spanische Mannschaft und teilte Lebensmittel aus. Bolitho durchsuchte inzwischen langsam und methodisch die Kajute des toten Kapitans.

Er blickte hoch und sah sich in dem kleinen Raum um. Hier hatte noch vor kurzem ein Mann wie er selbst Plane gemacht, geruht und gehofft. Durch einen gro?en Ri? in der Bordwand konnte er das glanzend blaue Meer sehen, das gegen den Schiffsrumpf schlug, als wolle es ihn verspotten. Von den Heckfenstern her spurte er, wie es hei?er wurde, denn die Breitseite der Euryalus hatte jede Scheibe Glas zerschmettert. Au?erdem hatte sie aus der Kajute eine wuste schwarze Ruine gemacht. Es mu?te heftig gebrannt haben, denn als er nach den Schiffspapieren suchte, fand er nur schwarze, durchna?te Asche. Nichts, was ihm Auskunft gab, nicht einmal einen Sextanten, um die ungefahre Position festzustellen. Der nachtliche Sturm konnte sie viele Meilen weit nach Osten abgetrieben haben. Das nachste Land mochte drei?ig, vierzig Meilen entfernt liegen; er wu?te nicht einmal, ob es Spanien oder Nordafrika war.

Meheux kam herein. Seine Schuhsohlen knirschten auf den Glasscherben. Wie alle vom Prisenkommando sah er todmude und uberanstrengt aus.

«Wir kochen endlich so etwas wie ein Mittagessen, Sir. «Er deutete auf die Karte.»Besteht Aussicht, da? Sie feststellen, wo wir sind?»

«Nein. «Es hatte keinen Sinn, dem Leutnant etwas vorzumachen. Wenn ihm selbst etwas zustie?, mu?te Meheux das Schiff in Sicherheit zu bringen versuchen.»Diese Flaute nutzt uns nicht gerade. «Er blickte Meheux ernst ins Gesicht.»Wie kommen Sie mit den Passagieren zurecht?»

Meheux zuckte die Achseln.»Sie krakeelen durcheinander wie die Mowen. Ich glaube, die begreifen gar nicht, was mit ihnen passiert.»

Ich auch nicht, dachte Bolitho. Laut sagte er:»Wenn unsere Leute gegessen haben, mussen sie weiter unter Deck arbeiten. Wir nehmen immer noch machtig Wasser ein. Sorgen Sie also dafur, da? die Pumpen ordentlich gewartet werden.»

In dem halb eingebrochenen Turrahmen erschien Allday.»Entschuldigung, Captain«, sagte er stirnrunzelnd,»einer von den Dons wunscht Sie zu sprechen. Aber wenn Sie wollen, schmei?e ich ihn raus, damit Sie in Ruhe essen konnen.»

Meheux nickte.»Tut mir leid, das habe ich ganz vergessen. Der kleine dicke Spanier, der Ashton dolmetschen geholfen hat, bat mich vorhin darum. Aber ich habe so viel im Kopf..»

Bolitho lachelte.»Wird nicht besonders wichtig sein, aber schicken Sie ihn ruhig herein, Allday. «Und zu Meheux:»Ich brauche jede Information so dringend, da? ich nehmen mu?, was ich kriegen kann.»

Nervos, den Kopf unter dem Decksbalken gebeugt, obwohl er noch gut zwei Fu? Raum hatte, trat der Spanier ein. Er trug seine Perucke, aber damit wirkte er zu Bolithos Uberraschung eher alter als junger.

Bolitho hatte schon herausbekommen, da? sein Name Luis Pareja war und da? er nach Port Mahon wollte, wo er anscheinend seine Tage zu beschlie?en gedachte.

«Nun, Senor, was kann ich fur Sie tun?»

Pareja blickte auf die zerschossenen, angesengten Wande und sagte dann schuchtern:»Ihr Schiff hat furchtbaren Schaden angerichtet, Captain.»

Grob fuhr Meheux dazwischen:»Wenn wir euch 'ne volle Breitseite verpa?t hatten, wurden Sie und alle anderen jetzt auf dem Meeresgrund schlafen — also benehmen Sie sich gefalligst!»

Pareja zuckte zusammen.»Ich wollte ja nicht sagen, da? Sie. «Er trat nervos hin und her und setzte neu an:»Viele von uns machen sich gro?e Sorgen. Sie wissen nicht, was wird und ob sie jemals ihre Heimat wiedersehen werden.»

Bolitho musterte ihn nachdenklich.»Das Schiff ist jetzt eine britische Prise. Sie mussen verstehen, da? ich unter diesen Umstanden unmoglich wissen kann, wie es weitergeht. Aber es ist reichlich zu essen an Bord, und ich nehme an, da? wir bald wieder zu unserem Schiff sto?en werden. «Er glaubte, Zweifel in des Mannes Augen zu sehen, und wiederholte bestimmt:»Sehr bald sogar!»