Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste, стр. 12

Langsam sagte er:»Ich mochte an Bord kommen und mit Ihrem Kommandanten sprechen. «Ein paar Manner wollten gleichzeitig etwas sagen, aber er sprach weiter:»Ohne das kann ich nichts tun.»

Der Hauptdelegierte sagte:»Sie mogen ja die anderen eingewickelt haben, aber ich durchschaue Sie. «Zornig fuhr er mit der Hand durch die Luft.»Zuerst tun Sie, als ob Sie Mitgefuhl mit uns haben, und dann liefern Sie uns an den Galgen, damit jeder Seemann sieht, was es einbringt, einem Offizier zu trauen!»

Allday fluchte und wollte aufspringen, sah aber Bolitho nur hilflos an, als dieser sagte:»Nur Ruhe, Allday! Wenn ein Mann denkt, es ist Zeitverschwendung, ein Unrecht gutzumachen, dann hat es keinen Sinn, mit ihm zu diskutieren.»

«Aye«, brummte einer der Matrosen.»Was is'n dabei, wenn der Kapt'n an Bord kommt? Wir konnen ihn ja als Geisel mitnehmen, wenn er uns reinlegt.»

Zustimmendes Gemurmel — sekundenlang wu?te der Anfuhrer nichts einzuwenden, das sah Bolitho recht gut.

Er riskierte daher den nachsten Zug.»Wenn ihr andererseits nicht die Absicht hattet, Gerechtigkeit zu suchen, sondern lediglich einen Vorwand wolltet, um mit dem Schiff zum Feind uberzulaufen — «, er lie? das Wort einen Moment in der Luft hangen — ,»fur diesen Fall mu? ich euch allerdings darauf hinweisen, da? ich bereits gewisse Anordnungen getroffen habe, um euch zuvorzukommen.»

«Er blufft!«Aber die Stimme des Mannes klang nicht mehr so sicher.»Hier ist meilenweit kein Schiff!»

«Bei Sonnenaufgang kommt wieder Nebel auf. «Bolitho steckte die Hande unter die Tischplatte, weil er wu?te, da? sie vor Erregung oder Schlimmerem zitterten.»Erst im Laufe des Vormittags konnt ihr Segel setzen. Ich kenne die Bucht genau — sie ist zu gefahrlich. «Seine Stimme wurde harter.»Ganz besonders ohne eure Offiziere!»

Der Deckoffizier murmelte:»Da hat er recht, Tom. «Er streckte den Kopf vor.»Warum sollen wir 's nicht so machen, wie er sagt? Anhoren kann doch nicht schaden.»

Nachdenklich betrachtete Bolitho den Anfuhrer. Tom war also sein Name. Immerhin ein Anfang.

«Hol der Satan eure Augen, allesamt!«schrie dieser, kirschrot vor Jahzorn.»Delegierte wollt ihr sein? Ein Haufen alter Weiber seid ihr!»

Aber seine Wut verflog so rasch, wie sie gekommen war, und Bo-litho mu?te wieder an Keverne denken.»Also gut, einverstanden«, sagte der Mann grob und deutete auf den alten Unteroffizier.»Du bleibst hier mit einem Mann als Ausguck. «Und mit einem feindseligen Blick auf Allday:»Diesen Lakaien da kannst du als Geisel hierbehalten. Wenn wir ein entsprechendes Signal geben, legst du ihn um. Wenn uns irgendeiner angreift, schie?en wir sie alle beide tot und hangen sie neben unseren ehemaligen Herrn und Gebieter — recht so?»

Der Deckoffizier zuckte zusammen, nickte aber.

Mit einem Blick in Alldays finsteres Gesicht sagte Bolitho:»Sie wollten Ruhe und ein Bier. Jetzt haben Sie beides. «Dann legte er ihm kurz die Hand auf die Schulter und konnte dabei den Zorn und die Gespanntheit des Mannes beinahe fuhlen.»Es wird schon klargehen. «Er versuchte, seinen Worten etwas mehr Gewicht zu geben.»Wir kampfen ja schlie?lich nicht gegen den Landesfeind.»

«Das werden wir sehen. «Der Mann namens Tom machte eine spottische Verbeugung und offnete die Tur.»Jetzt gehen Sie vor und verhalten sich anstandig. Es macht mir gar nichts aus, wenn ich Sie auf der Stelle niederhauen mu?!»

Ohne zu antworten, schritt Bolitho in die Dunkelheit hinaus. Sie hatten die ganze Nacht vor sich, aber bis zum Morgengrauen mu?te noch viel getan werden, wenn es Hoffnung auf Erfolg geben sollte. Wahrend er eilig den steilen Pfad hinunterstieg, dachte er wieder an das Strafbuch. Es war eigentlich uberraschend, da? sich Manner, die solche Unmenschlichkeiten erduldet hatten, noch die Muhe machten, Gerechtigkeit zu suchen, und das durch Mittel, von denen sie kaum etwas verstanden. Noch uberraschender war, da? die Meuterei nicht schon vor Monaten ausgebrochen war. Diese Erkenntnis machte ihm Mut, obwohl er wu?te, da? sie nur eine unsichere Grundlage darstellte.

III Flaggengru?

«Boot ahoi!«Der Anruf schien aus dem Nirgendwo zu kommen. Ein Mann am Bug legte die Hande an den Mund und sang aus:»Die Delegierten!«Bolitho versteifte sich in der Ducht, als die vor Anker liegende Fregatte plotzlich aus der Dunkelheit herauswuchs, die leeren Rahen und die langsam kreisenden Masten sich schwarz gegen den Sternenschimmer abzeichneten. Wahrend die Jolle langsseit ging, unterschied er die sorgfaltig aufgeriggten Enternetze uber dem Laufgang und eine Anzahl dunkler Gestalten, die sich um die Fallreepspforte drangten. Er fuhlte sein Herz rasen und fragte sich, ob die wartenden Meuterer wohl ebenso gespannt waren wie er.

Eine Hand ruttelte ihn an der Schulter.»Hinauf mit Ihnen!»

Als er sich durch die Pforte schwang, wurde eine Laterne aufgeblendet; der gelbe Lichtstrahl spielte um seine Epauletten, und die Manner drangten sich neugierig heran.

«Also ist er gekommen«, sagte einer.

Dann Taylors Stimme, scharf und befehlend:»Macht Platz, Manner! Wir haben zu tun.»

Wortlos wartete Bolitho ab, bis die Delegierten der Deckswache ihre Instruktionen zugeflustert hatten. Das Schiff schien unter Kontrolle zu sein; es gab keine Anzeichen von Streit oder Trunkenheit, wie es auch zu erwarten gewesen ware. Zwei Geschutze waren ausgerannt, vermutlich mit gehacktem Blei geladen, fur den Fall, da? ein mi?trauisches Patrouillenboot zu dicht herankam. Auf dem Achterdeck befand sich ein Deckoffizier als Befehlshaber der Wache, aber es waren weder Offiziere noch Marine — Infanteristen zu sehen. Der Mann, der Tom hie?, sagte scharf:»Wir gehen nach achtern, und Sie konnen den Kapt'n sprechen. «Was er dazu fur ein Gesicht machte, konnte Bolitho nicht sehen.»Aber keine Tricks!«Bolitho ging nach achtern und duckte sich unter die Kampanjepforte. Obwohl er nacheinander zwei Linienschiffe kommandiert hatte, konnte er sich nicht an ihre betrachtliche Stehhohe gewohnen. Vielleicht hatte er sich in all dieser Zeit nach dem Schwung und der Unabhangigkeit eines Fregattenkapitans gesehnt.

Zwei bewaffnete Matrosen sahen ihn kommen und nahmen nach kurzem Zogern Haltung an. Den Hauptdelegierten schien das zu amusieren.»So ist's richtig, Jungs — Respekt, Respekt, wie sich's gehort — wie?«grinste er.

Damit ri? er die Tur auf und lie? Bolitho den Vortritt. Die Kajute, in der drei Laternen brannten, war ziemlich hell, aber die Laden vor den Heckfenstern waren geschlossen, und die Luft war stickig und feucht. Ein Matrose mit einer Muskete lehnte am Schott, und auf der Bank sa? der Kommandant der Auriga.

Er war ziemlich jung, etwa sechsundzwanzig, schatzte Bolitho; die einzelne Epaulette auf der rechten Schulter zeigte, da? er noch nicht drei Kapitansjahre hinter sich hatte. Seine Gesichtszuge waren scharf und feingeschnitten, aber die Augen sa?en sehr nahe beieinander, so da? die Nase unproportioniert wirkte. Er starrte Bolitho sekundenlang an und sprang dann auf.

«Das ist Kapitan Bolitho«, sagte der Delegierte rasch und wartete dann, bis sich der Kommandant beruhigt hatte.»Er ist allein. Hat keine Armee Bullen [13] mit, um Sie hier rauszuhauen, furchte ich.»

Bolitho nahm den Hut ab und legte ihn auf den Tisch.»Sie sind Captain Brice? Dann mu? ich Ihnen gleich sagen, da? ich ohne jede andere Autoritat als meine eigene hier bin.»

Wie ein Schock ging es uber Brices Zuge, aber dann fiel das Visier, und er wirkte wieder ruhig. Ruhig, aber wachsam wie ein wildes Tier.

«Meine Offiziere sind unter Bewachung«, erwiderte er,»und die Marine-Infanterie war noch nicht an Bord. Sie sollte direkt von Ply-mouth kommen. «Er scho? einen wutenden Blick auf den Delegierten ab.»Sonst wurde Mister Gates hier ein anderes Lied singen, verdammt seien seine Augen!»

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Spottname fur Marine-Infanteristen