Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik, стр. 6

Leise offnete sich die Tur, und Allday kam in die Kajute, seine stammige Gestalt hielt sich in einem grotesken Winkel zum schragen Deck.

Allday sah ihn bedruckt an.»Bitte um Entschuldigung, Captain, aber Petch, Ihr Diener, hat gesagt, Sie hatten noch nichts gegessen, seit Sie heute an Bord gekommen sind. «Er ignorierte Bolithos Stirnrunzeln.»Ich habe mir deshalb erlaubt, Ihnen etwas Wildpastete zu bringen. «Er hob eine Platte hoch, die mit einem silbernen Deckel bedeckt war.»Mrs. Bolitho hat sie mir extra fur Sie gegeben, Captain.»

Bolitho protestierte nicht, als Allday die Platte auf den sich neigenden Schreibtisch stellte und sich um ein Besteck kummerte. Wildpastete. Cheney mu?te sie fur ihn verpackt haben, als er sich morgens anzog.

Allday tat so, als ob er den Ausdruck auf Bolithos Gesicht nicht wahrnahme, und nutzte die Gelegenheit, Bolithos Sabel von einem Sessel zu nehmen und ihn an seinen Platz an der Schottwand zu hangen. Er schimmerte stumpf im Licht der schwankenden Lampen, und Allday sagte leise:»Ohne ihn ware es nicht mehr so wie fruher.»

Aber Bolitho antwortete nicht. Der Sabel, die Waffe seines Vaters und fruher seines Gro?vaters, war so etwas wie ein Talisman und ein viel diskutiertes Thema unter den Decks, wenn dort das Gesprach auf Bolithos Taten gebracht wurde. Der Sabel war ein Teil seiner Person, seines Herkommens und seiner Tradition, doch in diesem Augenblick konnte er an nichts anderes denken als an das, was er hinter sich zurucklie?. Gerade jetzt wurden die Pferde uber die Stra?e nach Plymouth traben. Funfzig Meilen bis Fal-mouth, wo sein Hausmeister und Diener Ferguson, der einen Arm vor den Saintes verloren hatte, darauf warteten, sie zu begru?en. Uber dem Klatschen der Gischt gegen die Scheiben der Fenster, dem Knarren der Planken und Balken und dem alles ubertonenden Rauschen der Leinwand glaubte er, Cheneys Lachen zu horen. Vielleicht war es Einbildung, aber er spurte ihre Beruhrung, hatte den Geschmack ihrer Frische auf den Lippen.

Ohne auf Allday zu achten, knopfte er sein Hemd auf und betrachtete das kleine Medaillon, das er um den Hals trug. Es enthielt eine Locke ihres Haars, war ein Talisman, besser als jede Waffe.

Die Tur offnete sich, und ein durchna?ter Midshipman sagte atemlos:»Mr. Inchs Respekt, Sir, und er bittet um Erlaubnis, ein zweites Reff einzustecken.»

Bolitho erhob sich. Sein Korper ubernahm das stetige Schwanken des Schiffs.»Ich komme sofort. «Dann sah er Allday an und lachelte fluchtig.»Wir haben wenig Zeit fur Traume, wie es scheint. «Er folgte dem begierigen Blick des Midshipman und fugte hinzu:»Und auch keine fur Wildpastete.»

Allday blickte ihm nach und setzte dann den silbernen Deckel wieder auf die Platte. So wie jetzt hatte er den Kommandanten noch nie erlebt und war daruber beunruhigt. Er sah zu dem Sabel hinuber, der an seinem Haken pendelte, hatte wieder vor Augen, wie die Klinge im Sonnenlicht funkelte, als Bolitho die franzosische Batterie bei Cozar ersturmte, auf den blutbedeckten Planken eines feindlichen Schiffes angriff, so viele Taten so viele Male begangen hatte. Doch jetzt schien Bolitho verandert zu sein, und Allday verfluchte den Mann, der die Hyperion bei der Blockade eingesetzt und nicht an einen Ort geschickt hatte, wo gekampft wurde.

Er dachte auch an die Frau, die Bolitho geheiratet hatte. Zum erstenmal waren die beiden sich an Bord dieses Schiffes begegnet. Er blickte sich um, und es fiel ihm schwer, es zu glauben. Vielleicht war es das, was fehlte. Cheney Seton war ein Teil des Schiffes gewesen, hatte die Gefahren und die Schrecken gekannt, wenn der alte Rumpf unter einer Breitseite erbebte und dem alles niedermahenden Wind des Todes. Auch Bolitho wurde daran denken, davon war er uberzeugt. Daran denken und sich daran erinnern, und das war schlecht.

Allday schuttelte den Kopf und ging auf die Tur zu. Es war schlecht einfach deswegen, weil sie alle mehr denn je zuvor von ihm abhingen. Ein Kommandant hatte niemanden, mit dem er seinen Kummer teilen konnte, und niemanden, der ihm seine Schuld abnahm, wenn er versagte. Er ging an dem Wachtposten vorbei und kletterte durch eine enge Luke. Eine Plauderei und ein Glas mit dem Segelmacher konnte ihm uber seine Befurchtungen hinweghelfen, hoffte er. Aber er war sich dessen nicht sicher.

II Unter dem Kommodorestander

Richard Bolitho beendete die Eintragung ins Logbuch und lehnte sich mude in seinem Sessel zuruck. Selbst in der geschutzten Kajute war die Luft kalt und feucht, und der Lederbezug seines Schreibtischstuhls fuhlte sich klamm an. Das Schiff hob sich, hielt inne und taumelte dann in einer ungestumen, korkenzieherartigen Bewegung vorwarts, bei der selbst Nachdenken zu einer bewu?ten Willensanstrengung wurde. Er wu?te aber, wenn er wieder auf das vom Wind uberfegte Achterdeck zuruckging, wurde er fur nicht mehr als nur wenige Minuten Frieden finden.

Er starrte durch die dicken Scheiben der Heckfenster. Sie waren aber so von Salz verkrustet und mit herabrinnendem Spruhwasser bedeckt, da? man nur gerade noch den Tag von der Nacht unterscheiden konnte. Es war kurz vor der Mittagsstunde, aber es konnte jede andere Tageszeit sein. Der Himmel war entweder schwarz und zeigte keine Sterne oder war schiefergrau wie jetzt. Und so war es Tag fur Tag gewesen, wahrend die Hyperion weiter und weiter nach Sudosten segelte und tiefer in die Biskaya vorstie?.

Er war auf die Beschwerlichkeiten und die Langeweile des Blok-kadedienstes durchaus vorbereitet, und als am zweiten Tag nach dem Auslaufen von Plymouth der Ausguck im Mast die Schiffe des Geschwaders gesichtet hatte, war er bereits entschlossen, aus allem das Beste zu machen. Aber wie er nach fast funfundzwanzig Dienstjahren auf See hatte wissen mussen: bei der Marine konnte man sich auf nichts mit Sicherheit verlassen.

Seine Befehle besagten, da? er sich dem Kommando von Vizeadmiral Sir Manley Cavendish unterstellen und seinen Platz mit all den anderen wettererprobten Schiffen bei der standigen Bewachung einnehmen sollte, die uber das Geschick von England und damit der gesamten Welt entscheiden konnte. Vor jedem franzosischen Hafen uberstanden diese Schiffe Sturme oder kreuzten unermudlich in ihrer kein Ende nehmenden Patrouille auf und ab, wahrend dichter unter der Kuste und manchmal sogar in Reichweite feindlicher Batterien schlanke Fregatten, die Augen der Flotte, jede Schiffsbewegung meldeten. Sie sammelten Informationen von aufgebrachten Kustenfahrzeugen oder segelten bei ihrer unaufhorlichen Suche nach Nachrichten verwegen fast in die franzosischen Hafen selbst hinein.

Seit Howes Sieg an jenem glorreichen l. Juni hatten die Franzosen wenig Neigung zu einem weiteren gro?en Zusammensto? gezeigt, aber wie jeder andere denkende Offizier hatte Bolitho erkannt, da? diese bedruckende Tatenlosigkeit nicht ewig dauern konnte. Nur der Kanal trennte den Feind von einer Invasion Englands, doch bis die Franzosen eine starke Invasionsflotte aufgestellt hatten, war dieser Wasserstreifen so gut wie ein Ozean.

In den gro?en Kriegshafen Brest und Lorient konnten sich die franzosischen Linienschiffe nicht regen, ohne von den kreuzenden Fregatten beobachtet und gemeldet zu werden, wahrend in jedem anderen Hafen an der Westkuste bis hinunter nach Bordeaux andere Schiffe warteten und auf eine Chance lauerten, sich davonzuschleichen und sich schnell den anderen Streitkraften im Norden anzuschlie?en. Bald wurde es soweit sein, da? sie einen Ausbruch versuchten. Wenn das geschah, war es lebenswichtig, da? die Nachrichten uber die Bewegungen des Feindes schnell die schweren Geschwader erreichten und, wichtiger noch, richtig gedeutet wurden, damit Ma?nahmen ergriffen wurden, sie zu stellen und zu vernichten.

Schweigend hatte Bolitho in Lee des Flaggschiffes verharrt und beobachtet, wie die Flaggen zur Rah des machtigen Dreideckers aufstiegen und Midshipman Gascoigne mit seinen Signalgasten sich verzweifelt abmuhte, mit den Bestatigungen nachzukommen. Bei dieser Gelegenheit hatte er den ersten Hinweis darauf erhalten, da? nicht alles so war wie erwartet.