Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik, стр. 46

Die anderen sahen ihn aufmerksam an, aber er wandte den Blick nicht vom Gesicht des Kommodore. Es war, als ob zwischen ihnen ein Seil gespannt ware, und auch nur ein Anzeichen des Zogerns oder der Unsicherheit konnte allem ein Ende machen.

Wie von weit her horte er Pelham-Martin sagen:»Sehr gut. Dann seien Sie so freundlich und erlautern Sie ihn. «Als er sich in seinen Sessel sinken lie?, zitterten ihm die Hande stark, aber noch weniger zu ubersehen war der Ha? in seinen Augen.

Bolitho erkannte diesen Ausdruck und ignorierte ihn. Er dachte an Winstanley unten im Orlop: mitten unter seinen Leuten war er den Todesqualen unter der Sage des Chirurgen ausgeliefert.

X Ehrensache

Die Leutnants und ranghoheren Deckoffiziere der Hyperion standen Schulter an Schulter um Bolithos Schreibtisch. Ihren Gesichtern konnte man die unterschiedliche Konzentration ansehen, mit der sie den Erlauterungen ihres Kommandanten anhand seiner Karte folgten und auf seine eindringliche Stimme lauschten.

Die See hinter den Heckfenster lag vollig im Dunkeln, und wahrend das Schiff noch vor Anker schwojte, war es an Deck und auf den Gangways bereits lebendig von scharrenden Fu?en und dem Knarren der Taljen, als, begleitet von Befehlen und unterdruckten Fluchen, Boote zu Wasser gelassen wurden.

Bolitho setzte sich auf die Fensterbank, damit er die Gesichter unter den Laternen sehen und beurteilen konnte, wieviel oder wie wenig sie von seinem Plan verstanden und akzeptierten.

Als er ihn Pelham-Martin und den anderen Kommandanten erlautert hatte, war er uberrascht gewesen, wie klar er seine Gedanken formulieren konnte. Vielleicht hatten sein Zorn und seine Verachtung, sicher aber seine Trauer um Winstanley seinen Verstand besonders scharf arbeiten lassen, so da? der Plan, vage und verschwommen zunachst, sich mit jedem seiner Worte entwickelt, mit jeder Sekunde an Deutlichkeit gewonnen hatte.

Er sagte:»Wir nehmen vier Kutter, zwei der unseren, die beiden anderen kommen von der Hermes. Captain Fitzmaurice stellt das Gros des Landekommandos, da sein Schiff gegenwartig am besten mit Leuten versehen ist. Die Einhaltung des Zeitplans und der Disziplin ist von uberragender Bedeutung, meine Herren. Ich erwarte auch, da? jeder Mann und jedes Boot sorgfaltig uberpruft wird, ehe wir aufbrechen. Nur ausreichend Rindfleisch und Zwieback und sonst nichts. Frischwasservorrat fur den gleichen Zeitraum, aber keine Reserve fur Notfalle oder Verzogerungen. «Der Reihe nach blickte er in jedes Gesicht.»Es ist eine sehr schwere Aufgabe, und um sie mit einiger Aussicht auf Erfolg zu losen, mussen wir uns so gering wie moglich belasten, gleichgultig, wie strapazios es wird.»

Hauptmann Dawson sagte rauh:»Mir ware es lieber, Sie wurden meine Marinesoldaten nehmen, Sir.»

Bolitho lachelte.»Die werden ihre Chance spater bekommen. «Er neigte den Kopf und lauschte, als zusatzliches Poltern und Rufe die Ankunft von Booten ankundigten. Der Rest des Landekommandos mu?te schon eingetroffen sein.

Schnell erklarte er:»Der Erste Offizier der Hermes wird mein Stellvertreter als Kommandeur. Das ist nur gerecht, da sein Schiff den Hauptteil der Gruppe stellt. «Er sah, da? Inch nickte und damit das Argument anerkannte, wenn er auch zweifellos wu?te, da? seine eigenen Aussichten auf eine Beforderung oder einen plotzlichen Tod dementsprechend verringert wurden. Bolitho fugte hinzu:»Als weiterer Offizier geht Mr. Lang mit uns.»

Lang war der Dritte Offizier und in dem Gefecht bei St. Kruis leicht verwundet worden. Seine Verletzung war inzwischen geheilt, aber anscheinend hatte sie seine Nerven sehr belastet, so da? jetzt auf seinem Gesicht fast standig ein ratloses Stirnrunzeln stand.

Er nickte eifrig.»Danke, Sir.»

Stepkyne sagte abrupt:»Als Zweiter Offizier ist es aber mein Recht, mitzugehen, Sir.»

Bolitho hatte diesen Protest erwartet und konnte Stepkyne keinen Vorwurf machen. Eine Beforderung war zu allen Zeiten nur schwer zu erlangen, und fur einen Mann wie ihn war es doppelt schwierig. Er sagte:»Dieses Schiff ist unterbesetzt, Mr. Stepkyne. Sie sind sehr erfahren und konnen nicht entbehrt werden.»

«Es ist mein Recht, Sir. «Stepkyne schien seine Umgebung vergessen zu haben.

Bolitho verdrangte Stepkynes Privatproblem aus seinen Gedanken.»Hier steht mehr auf dem Spiel als Ihre Beforderung oder mein Begrabnis. Und ich mochte Sie darauf hinweisen, da? das, was Sie als Ihr Recht betrachten, in Wirklichkeit ein Privileg ist. Belassen wir es also dabei.»

Die Kajutentur wurde geoffnet, und Captain Fitzmaurice trat, gefolgt von seinem Ersten Offizier, ins Licht der Lampen. Er hob die

Hand.»Entschuldigen Sie die Storung, Bolitho. Ich wollte aber noch mit Ihnen sprechen, ehe Sie aufbrechen. «Er nickte den anderen kurz zu.»Dies ist Mr. Quince, mein Erster.»

Quince war ein gro?er magerer Mann mit hartem Mund und ungewohnlich hellen Augen. Bolitho hatte von Fitzmaurice bereits erfahren, da? Quince fur eine Beforderung geeignet und befahigt war, wenn sich die Chance dazu bot.

Bolitho sagte:»Im Interesse unserer Gaste, meine Herren, will ich den Plan noch einmal kurz erlautern. «Er strich die Karte auf seinem Schreibtisch glatt.»Das Landekommando besteht aus vier Kuttern mit achtzig Mann, Offizieren und Mannschaften. Sie werden sehr eng beieinandersitzen, aber der Einsatz von mehr Booten wurde dem Geschwader die Moglichkeit nehmen, an anderer Stelle ein Ablenkungsmanover zu starten.»

Es geschah nicht ausschlie?lich zur Unterrichtung Fitzmaurices, da? er seine Instruktionen wiederholte. Worte brauchten Zeit, um sich im Bewu?tsein festzusetzen, sie in Moglichkeiten oder harte Tatsachen zu ubertragen. Bei einem schnellen Blick auf die Manner erkannte Bolitho, da? er recht hatte. Sie blickten auf die Karte, aber ihre Augen waren jetzt aufnahmefahiger, nachdenklicher, denn jeder sah den Ablauf von seinem eigenen Standpunkt aus.

«Wie Sie gesehen haben, ist die Mundung des Flusses, der Las Mercedes von der Ruckseite aus schutzt, etwa eine Meile breit. Sie mogen ferner beobachtet haben, da? sie kaum mehr als ein Sumpf ist, voller Binsen und Sandbanke und deshalb fur gro?ere Fahrzeuge ungeeignet. Tiefer im Land wird es noch schlimmer, deshalb mussen unsere vier Boote so leicht wie moglich sein. «Er lie? seine Worte wirken.»Die Landegruppe mu? drei?ig Meilen in drei Tagen zurucklegen. Das ist vergleichsweise wenig, wenn Sie uber das Bodmin-Moor wandern, um Ihre Freundin zu besuchen. «Manche lachelten uber seine Worte.»Aber dieser Sumpf ist in keiner Karte verzeichnet und gefahrlich. Manche mogen ihn sogar fur unpassierbar halten. Aber wir werden es schaffen.»

Fitzmaurice rausperte sich.»Drei Tage — das ist nicht viel Zeit.»

Bolitho lachelte ernst.»Morgen unternimmt das Geschwader einen Scheinangriff gegen Las Mercedes. Die Franzosen werden von uns erwarten, da? wir etwas tun, und wenn wir nichts starten, konnten sie erraten, was wir beabsichtigen. Die Schaluppe Dasher patrouilliert zur Zeit vor der Einfahrt zur Bucht. Daraus werden Le-quillers Leute ablesen, da? wir es noch einmal versuchen wollen.»

Er sah Hauptmann Dawson an.»Die ubrigen Boote des Geschwaders werden fur eine Scheinlandung unterhalb der Landzunge eingesetzt. Jedes Schiff stellt dazu seine Marinesoldaten, und Sie ubernehmen den Oberbefehl. «Etwas von Dawsons Unwillen verschwand, als Bolitho hinzufugte:»Veranstalten Sie eine gute Schau, aber riskieren Sie nicht unnotige Verluste. Sie werden spater zu Ihrem Lohn kommen.»

Er wendete sich wieder den anderen zu.»Dieses Ablenkungsmanover wird naturlich zeitlich begrenzt sein, aber inzwischen kann das Landekommando weit in die Sumpfe vordringen. Doch in drei Tagen, von der morgigen Dammerung an gerechnet, wird das Geschwader wirklich angreifen, meine Herren, und Sie konnen daraus ersehen, welche lebenswichtige Bedeutung die drei?ig Meilen haben, die wir zurucklegen mussen.»