Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik, стр. 16

Und die Fregatte? Er blieb unvermittelt stehen, und der Ruderganger blinzelte beunruhigt im Licht der Kompa?lampe, als Bolitho durch ihn hindurchstarrte. Sie konnte ihren Vorgesetzten melden, da? die Englander getauscht worden waren. Er runzelte die Stirn. Aber in welcher Absicht? Er nahm sein ruheloses Hin und Her wieder auf, war vollig von seinen Gedanken in Anspruch genommen und von der Frage, was das alles fur ihn und sein Schiff bedeuten konnte.

Selbst mit einer schlecht gezielten Breitseite hatte die Hyperion die Fregatte entmasten konnen, als sie an ihr vorbeilief. Angenommen, sie befand sich nicht mehr auf ihrer Position, wenn die Morgendammerung kam? Pelham-Martin bekam dann nicht einmal die Befriedigung zu wissen, da? ein feindliches Schiff vernichtet worden war, wenn er in seinem Bericht an Cavendish den Verlust der Ithuriel eingestand. Und der Kommodore wurde nicht geneigt sein, die Schuld allein auf sich zu nehmen, war Bolithos ergrimmte Schlu?folgerung.

Aber was konnte den Franzosen zu seinem Verhalten veranla?t haben? Dafur mu?te es einen Grund geben.

Schlie?lich fuhlte Bolitho sich ausgelaugt; ihm wurde plotzlich eiskalt, und er sagte erschopft:»Ich gehe schlafen, Mr. Stepkyne.

Lassen Sie mich bitte eine halbe Stunde vor Beginn der Morgenwache wecken.»

Als er in die Dunkelheit der Hutte trat, horte er eine Stimme bewundernd murmeln:»Der hat vielleicht Nerven! Hat so einen verdammten Froschfresser im Visier und krummt ihm kein Haar. «Darauf Gossetts tiefer Ba?:»Halt deine verdammte Klappe! Du kannst sie noch weit genug aufrei?en, wenn die Kanonen donnern. »

Bolitho trat in seine Kajute und schlug die Tur hinter sich zu. Ein paar Augenblicke blieb er vollig ruhig stehen, die Schulter gegen die Schottwand gestutzt, wahrend er mit leeren Blicken auf die schwankenden Lampen starrte.

Gossett wu?te Bescheid. Weniger als ein Viertel der Besatzung hatte schon einmal den Fu? an Bord eines Schiffes gesetzt, ehe sie auf die Hyperion kamen, gar nicht davon zu reden, da? sie je das Grauen einer feindlichen Breitseite erlebt hatten.

Er pre?te die Augen zu und versuchte, sich von seinen Zweifeln freizumachen. Es gab gar keine Wahl; schon seit dem Augenblick nicht mehr, als er das kaltblutige Tauschungsmanover des franzosischen Kommandanten durchschaut hatte.

Beinahe hatte es geklappt, und das war das schlimmste. Trotz seiner gro?en Erfahrung und seiner Ausbildung hatte er nur das gesehen, was man von ihm erwartete. Der Kommandant der Fregatte hatte zwar darauf gesetzt, aber auch die Folgen eines Fehlschlags mu?ten ihm bewu?t gewesen sein. Jede Minute mu?te ihm wie eine Stunde erschienen sein, als die Hyperion mit zwei Meilen Abstand an ihm vorbeigelaufen war.

Aber was die Franzosen auch verbergen wollten, es mu?te ihnen das Risiko wert sein. Zu seiner Uberraschung gab ihm diese Erkenntnis Sicherheit, und als etwas spater Petch mit Kaffee in die Kajute kam, fand er Bolitho mit entspanntem Gesicht fest schlafend auf der Bank unter dem Heckfenster ausgestreckt.

Petch war eine schlichte Seele, und als er seinen Kumpanen erzahlte, ihr Kommandant sei seiner Sache so sicher, da? er ihn bald fest schlafend angetroffen habe, fand seine Geschichte manche Ausschmuckung.

Allday horte sie und hatte nichts dazu zu sagen. Er kannte Bo-litho besser als jeder andere und vermutete, da? der Captain ganz wie er selbst an jene andere Begegnung vor vielen Jahren gedacht hatte, als ein ahnliches Tauschungsmanover ihn um ein Haar Leben und Schiff gekostet hatte.

Allday prufte im gedampften Licht einer abgeschirmten Laterne sein schweres Entermesser. Wenn es zu einem Gefecht kommen sollte, brauchte die unerfahrene Besatzung der Hyperion mehr als Selbstvertrauen. Eine ganze Menge mehr.

IV Ein Schandname

«Captain, Sir!»

Bolitho schlug die Augen auf und starrte ein paar Sekunden lang in Inchs besorgtes Gesicht. Er hatte getraumt. Von einem grunen Feld und einem endlosen, von bluhenden Hecken gesaumten Weg, und uber diesen Weg kam ihm Cheney entgegen, um ihn zu begru?en. Er war ihr entgegengelaufen, genau wie sie ihm, aber sie schienen einander nicht naherzukommen.

«Was ist?«Er sah, wie Inch nervos zuruckzuckte, und fugte hinzu:»Entschuldigung. Wird es schon Zeit?»

Inch nickte, das Gesicht im Halbschatten.»Von der Kuste kommt Nebel auf, Sir. Er ist nicht sehr dicht, aber Mr. Gossett sagt, er konne die endgultige Annaherung erschweren. «Er sprang beiseite, als Bolitho die Beine zu Boden schwang und nach seinem Uniformrock griff.

Bolithos Kopf war jetzt klar.»Wie ist unsere Position?«Inch zogerte.»Wir sind zehn Meilen nordnordwestlich von der Halbinsel, Sir.»

«Ich bin bereit. «Bolitho warf einen letzten Blick rundum durch die Kajute und loschte die Lampe.

Auf dem Achterdeck war es noch dunkel; erst als Bolitho nach oben blickte, erkannte er die Dichte des Nebels. Er trieb recht schnell davon, so da? die Segel noch gut zogen, doch oberhalb der Gro?rah konnte er nichts mehr erkennen, ganz so, als ob eine Riesenhand die ubrigen Segel und die Maststengen weggesabelt hatte.

Aus dem Dunkel meldete Stepkyne:»Kombusenfeuer geloscht,

Sir.»

Auf allen Seiten herrschte nervose Spannung, aber Bolitho zwang sich, nicht auf die anderen zu achten, als er zum Kompa? ging.

«Fallen Sie zwei Strich ab auf Kurs Sudost!«Er hob die Hand.»Und machen Sie sowenig Gerausch wie moglich.»

Er ging nach Luv hinuber und sah zum nachsten Segel auf. Zu argerlich, da? wir nicht Segel kurzen konnen, dachte er. Die Hyperion glitt sehr langsam an der feindlichen Kuste entlang, und im ersten Tageslicht mochte ein wachsamer Posten die Bramsegel des Schiffes wahrnehmen und Alarm schlagen, ehe Bolitho das letzte Stuck zuruckgelegt und sich in die gunstigste Position gebracht hatte, um die Fregatte zu stellen. Wenn er genugend Geschwindigkeit und Manovrierfahigkeit erhalten wollte, um die Fregatte zu uberraschen, ehe sie ihm ihr Heck zeigen konnte, mu?te er wachsam bleiben.

Er kam zu einem Entschlu?.»Alle Mann auf Station, Mr. Inch. Aber ohne Pfeifen oder Larm. Geben Sie den Befehl mundlich weiter, und dann: Klarschiff zum Gefecht.»

Durch diese Vorsichtsma?nahme wurde die Aufgabe, das abgedunkelte Schiff gefechtsbereit zu machen, zu einer noch schwereren Nervenprobe. Schatten glitten hin und her, wahrend von den Decks gedampftes Poltern und Schlagen heraufklang, als die Zwischenwande entfernt, die Geschutze von ihren Zurringen gelost wurden und die Offiziere mit scharfem Flustern ihre Leute zusammentrieben und antreten lie?en. Und wahrend der ganzen Zeit glitt die Hyperion wie ein Geisterschiff durch langgestreckte Nebelschwaden, die Segel na? von Gischt und Spruhwasser, mit knarrender Takelage, als der Rumpf in die starke Stromung geriet und die Manner im Ausguck die Augen anstrengten, um die Dunkelheit zu durchdringen.

Bolitho griff in die Netze und sah den Nebel wie eine milchige Flussigkeit durch die Gro?wanten streichen, ehe der nachste Windsto? ihn hob und auf die offene See hinaustrieb. Hinter sich horte er Hauptmann Dawson zu seinen Marinesoldaten sprechen, gelegentlich klirrte Stahl oder klapperte ein Ausrustungsstuck, wenn sie in dem befohlenen, engen Karree auf dem Achterdeck gegeneinander-stie?en. Im Nebel wirkten ihre Uniformen schwarz, wahrend die wei?en, gekreuzten Brustriemen uberraschend deutlich zu erkennen waren.

Inch erschien keuchend und schwitzend.»Schiff klar zum Gefecht, Sir.»

Bolitho grunzte. Wie wurde er sich blamieren, wenn die See bei Tagesanbruch leer vor ihnen lag! Jedes Vertrauen, da? er bei der kaum ausgebildeten Mannschaft hatte gewinnen konnen, war wieder verloren, wenn es sich herumsprach, da? der Kommandant sich vor seinem eigenen Schatten gefurchtet hatte.

Bei jeder anderen Gelegenheit hatte er gewartet. Erfahrene Leute konnten laden und ausrennen, wieder laden und weiter feuern, wenn alles um sie herum in einem Inferno ohrenbetaubender Explosionen und schreiender Menschen unterging; wenn es sein mu?te, schafften sie das auch bei volliger Dunkelheit. Jetzt dachte er an diese Leute, die, hinter geschlossene Stuckpforten geduckt, mit gespitzten Ohren auf jedes Gerausch lauschten, mit klopfenden Herzen und dankbar fur die Dunkelheit, die ihre Furcht vor den Kameraden verbarg. Bei ihnen ware das Risiko zu gro? gewesen. Da er sich nun einmal hatte entscheiden mussen, war es ihm lieber, da? seine Leute hinter seinem Rucken uber ihn lachten, als da? sie seiner Eitelkeit wegen starben.