Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs, стр. 78

Inch wich zuruck.»Es war schon dunkel, Sir. «Er kniff die Augen nachdenklich zusammen.»Sein Haar war schon grau, aber er war durchaus ein Gentleman, wurde ich sagen.»

Er verstummte, denn Bolitho schob ihn zur Seite und eilte aufs Achterdeck. Herrick starrte ihn erschrocken an, aber er kummerte sich nicht darum. Er ri? einem verstorten Midshipman das Teleskop aus der Hand und enterte ein Stuck in die Besanwanten auf. Sein Herz trommelte gegen die Rippen, als er weit voraus den Geleitzug erblickte, dicht unter der Kimm, beinahe schon au?er Sicht. In einer Woche etwa wurde er Gibraltar erreichen, dann wurde die menschliche Fracht sich fur immer in alle Winde zerstreuen.

Unsicheren Fu?es enterte er wieder ab, blieb an Deck stehen und sah lange auf den Ring nieder. Grauhaarig und ein Gentleman, hatte Inch gesagt. Aber er war schon angegraut gewesen, als sie einander das letzte Mal gesehen hatten. Vor zehn, nein, vor elf Jahren. Und in all diesen letzten Monaten hatte dieser Mann, nur ein Strafling unter vielen, ihn beobachtet, wahrend er, Bolitho, keine Ahnung gehabt, wahrend er geglaubt hatte, sein Bruder sei lange tot.

Doch hatte er es gewu?t — was hatte er tun konnen? Hugh war also wie die anderen wegen irgendeines kleinen Vergehens auf dem Weg nach Neu-Holland, unter falschem Namen selbstverstandlich. Nur ein Zeichen des Erkennens, und er mu?te belangt werden als das, was er wirklich war: ein Deserteur der Koniglichen Marine, ein amerikanischer Hochverrater. Und Bolithos eigenes Leben ware ruiniert gewesen, hatte er auch nur einen Finger fur Hugh geruhrt.

Also hatte Hugh gewartet, war bis zum letztmoglichen Augenblick im Verborgenen geblieben und hatte ihm seine heimliche Botschaft erst gesandt, als kein personliches Zusammentreffen mehr moglich war. Dieser Ring, den sie beide kannten, mu?te Richard Bolitho mehr sagen als alle Worte.

Herrick trat herzu und musterte den Ring interessiert.»Ein schones Stuck, Sir.»

Bolithos Blick schien durch Herrick hindurchzugehen.»Er hat meiner Mutter gehort. «Ohne ein weiteres Wort ging er wieder unter Deck in seine Kajute.

XVII Die Franzosen sind durch!

Als acht Glasen angeschlagen wurden und den Beginn der Vormittagswache verkundeten, kam Bolitho unter der Kampanje hervor und nahm seinen gewohnten Platz an der Luvseite des Achterdecks ein. Der Himmel war voll niedriger, rasch ziehender Wolken, der halbe Wind von Steuerbord lie? heftigen Regen erwarten. Bolitho ruckte die Schultern in seinem schweren Mantel zurecht und musterte eingehend die Tenacious. Zur Nacht hatte sie Segel gekurzt, um nicht den langsameren Schiffen davonzulaufen; nun lag sie ein paar Meilen an Steuerbord achteraus. Der Horizont war ganz verhangen, und gegen die truben Wolken und die bleigraue See schimmerte der machtige Dreidecker in beinahe unirdischem Licht.

Bolitho fa?te in die Netze und wandte den Kopf wieder in den Wind. Da lag die Insel Cozar etwa sechs Meilen entfernt, die scharfen Umrisse ihrer Felsen von Wolken und Dunst verhullt. Wahrend er mi?gelaunt in seinem Fruhstuck herumstocherte, hatte er sich vorgestellt, wie es dort wohl aussehen mochte, hatte uber die Hoffnungen und Torheiten nachgedacht, fur die ihm der Name dieser Insel inzwischen Symbol geworden war.

In den drei Tagen, seit sie die rauchenden Ruinen von St. Clar hinter sich gelassen hatten, war er immer wieder in Gedanken den Ablauf dieses kurzen Feldzuges durchgegangen; hatte versucht, die Operation mit unparteiischen Augen zu sehen, die Tatsachen so aneinanderzureihen, wie es ein Historiker tun wurde. Unverwandt starrte er auf die buckelige Umri?linie der Insel und bi? sich auf die Lippen. Hundertmal war sie im Lauf ihrer Geschichte besetzt, verloren, wieder okkupiert worden. Nun lag sie aufgegeben da und wartete auf den Nachsten, der sich ihrer bemachtigen wollte. Zur Zeit war Cozar menschenleer und wust; nur die vielen Toten bewachten diese durre Hinterlassenschaft.

Herrick war zu ihm an die Finknetze getreten.»Ob wir sie jemals wiedersehen werden, Sir?»

Bolitho blieb stumm. Er beobachtete die hart unter Land segelnde Chanticleer, deren Takelage sich wie eine Radierung von den dusteren Klippen abhob. Vermutlich dachte Bellamy dort druben jetzt an seine Mitwirkung bei der Einnahme von Cozar. Die erregende Kuhnheit, ja Unverschamtheit der Operation mochte ihm nun wie ein Spa? erscheinen. Aber Herrick hatte irgend etwas gesagt.»Wollten Sie etwas Dienstliches?«fragte Bolitho.

Herricks Miene entspannte sich.»Nun ja, Sir, eigentlich.»

«Na dann schie?en Sie los, Thomas. «Bolitho wandte sich von der Insel ab.»Ich war in letzter Zeit ein schlechter Gesellschafter. Sie mussen mir das nachsehen. «In der Tat hatte er seit St. Clar kaum mit Herrick gesprochen. Seine Offiziere mu?ten seinen

Wunsch, allein zu sein und nachzudenken, respektiert haben, denn bei seinen seltenen Spaziergangen auf dem Achterdeck hatten sie dafur gesorgt, da? er die Luvseite fur sich hatte und dort ungestort war.

Herrick rausperte sich laut.»Haben Sie heute vormittag den Ad-miral gesprochen, Sir?»

Bolitho lachelte. Herrick hatte schnell und uberhastet gefragt; wahrscheinlich hatte er schon seit Tagen daruber gebrutet, was er sagen wollte.»Mr. Rowlstone ist jetzt bei ihm, Thomas. Sir Edmund ist sehr krank, mehr kann ich Ihnen zur Zeit nicht sagen.»

Der arme Rowlstone wu?te ebensowenig wie der jungste Matrose, was mit Pomfret los war. Allerdings sah der Admiral ein bi?chen besser aus; aber wenn sich auch sein Korper bemuhte, wieder zu Kraften zu kommen, so blieb er doch geistig wie erstarrt und war kaum ansprechbar, als hatten der Schock und die Angst vor der Realitat, die zu akzeptieren er sich immer noch weigerte, all sein Denken blockiert. In der Tat wirkte Pomfret wie ein lebender Leichnam. Er lie? sich von Gimlett rasieren und waschen. Wenn er Suppe oder kleingeschnittenes Fleisch bekam, offnete er den Mund wie ein Kind zum Futtern. Und nie sagte er ein Wort.

Herrick war jedoch hartnackig.»Erlauben Sie, Sir, ich mu? es aussprechen. Meiner Meinung nach haben Sie Sir Edmund gegenuber keine Verpflichtungen, es ist eher umgekehrt. «Er deutete zur Tenacious hinuber.»Warum ubergeben Sie nicht Captain Dash die Verantwortung, bevor wir die Flotte in Sicht bekommen? Er ist der Dienstaltere, und es ware ungerecht, da? Sie fur ihn den Kopf hinhalten sollen.»

Bolitho seufzte.»Sie haben doch Sir Edmund gesehen, nicht wahr?«Und als Herrick nickte, sprach er ruhig und eindringlich weiter:»Wollen Sie ihm den letzten Fetzen Selbstachtung wegnehmen und darauf herumtrampeln?«Er schuttelte den Kopf.»Wenn wir wieder bei der Flotte sind, soll Sir Edmund wenigstens unter dem Schutz seiner Flagge stehen und nicht zur Abrechnung geschleppt werden wie ein verschnurtes Huhn zum Kochtopf. «Er pre?te die Hande auf dem Rucken zusammen.»Nein, Thomas, so etwas mache ich nicht mit.»

Herrick offnete den Mund, um etwas einzuwenden, schlo? ihn aber wieder, denn Bolitho fuhr herum und spahte uber den Bug wie ein Hund, der etwas wittert.

«Horen Sie?«Bolitho packte die Reling und beugte sich vor.»Ich wei? nicht. Es war nur so ein Gefuhl, aber. «Er blickte Herrick an, bis dieser zu begreifen schien.

«Donner?«murmelte er; ihre Augen trafen sich.»Oder Geschutzfeuer?»

Bolitho rief durch die hohlen Hande:»Mr. Inch! Die Royals setzen!«Er trat zum Kompa? hinuber, und schon durchbrach das Schrillen der Pfeifen die Stille.»Einen Strich hoher!«Gespannt wartete er, bis der Mann am Ruder aussang:»Kurs Nord zu Ost,

Sir!»

«Wo, um Gottes willen, steckt die Harvester!«. fragte sich Bo-litho laut.

Herrick beobachtete die hastig aufenternden Matrosen.»Irgendwo an Backbord voraus, Sir.»

Langsam trat Bolitho an Herricks Seite.»Also — das kam von keiner Fregatte, Thomas. Da war schwereres Kaliber!»