Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs, стр. 21

Quarme war viel zu dicht unter Land. Vielleicht hatte er sich verschatzt — oder wollte er dem Feind einen moglichst realistischen Eindruck bieten?

«Der Narr dort soll sich besser verstecken!«horte er Rooke schimpfen. Zwei hornhautige Fu?e ragten unter der Persenning hervor; ein Deckoffizier lie? seinen Tampen darauf niedersausen — ein Schrei, und weg waren sie.

Bellamy war naturlich mehr an seinem eigenen Schiff interessiert als an der Gefahr, in der sich die Hyperion befand. Er stand neben dem Ruder und achtete scharf auf Kompa? und Segel, denn die dunkle Landzunge sprang ihnen entgegen wie ein Stier, der die Chanticleer auf die Horner nehmen wollte.

Er senkte die Hand.»An die Brassen! Schneller, faule Bande!«Unter protestierendem Quietschen und Knarren erzitterte die Schaluppe und ging dann unter dem Druck von Wind und Ruder auf den anderen Bug. Ein einzelnes Riff hatte beinahe ihren Kiel angekratzt, als sie das Vorgebirge rundeten. Dahinter winkte das flache Wasser des Hafenbeckens einladend wie eine gutbekoderte Falle.

«Kurzen Sie jetzt die Segel, Mr. Bellamy«, sagte Bolitho ruhig.»Und die Manner unter Deck sollen sich fertigmachen!«Seine Hand am Degengriff war feucht von Schwei?.

Er wandte sich um und beobachtete, wie sich der Umri? der Hyperion verkurzte — sie schickte sich an zu halsen, um naher an die Kuste zu kommen. Auch sie hatte jetzt gerefft. Er hielt den Atem an, denn dicht an ihrem Rumpf sprangen wieder zwei Fontanen hoch. Die Franzosen feuerten jetzt schneller; anscheinend war, wie er es vorausgesehen hatte, die Batterie zur See hin verstarkt worden. Er drehte sich um. Lieber wollte er nach vorn blicken, als noch langer die gefahrlichen Manover der Hyperion mitansehen. Eine Anzahl Matrosen der Schaluppe drangten sich auf der Back zusammen und starrten zur breiten Hafeneinfahrt. Argerlich rief er ihnen zu:»Schaut nach achtern, ihr Idioten! Als Franzosen mu?t ihr mehr Angst vor der Hyperion haben als vor eurem eigenen Ankerplatz!»

Seine Worte machten die Manner sicherer und lockerten auch seine eigene Spannung.

«Da ist die Pier, Sir«, sagte Rooke. Bolitho nickte. Es war nur ein primitiver holzerner Steg, von dem sich ein schmaler Pfad in eine Kluft zwischen den Bergen schlangelte. Dort war es schon recht lebendig, und er konnte eben noch das Rohr eines alten Feldgeschutzes ausmachen, das sich zwischen seine machtigen eisenbeschlagenen Rader duckte.

«Stetig jetzt, Mr. Bellamy!«Er mu?te sich die trocknen Lippen lecken.»Steuern Sie zunachst den Liegeplatz hinter der Pier an! Aber wenn Sie auf Kabellange ran sind, nehmen Sie die Segel weg und Kurs auf den Steg! Inzwischen sind Sie im Windschatten der Berge, aber das Schiff mu?te genug Restfahrt haben, um glatt reinzukommen.»

Widerwillig loste Bellamy die Augen vom Bug.»Wird der Bordwand nicht behagen, Sir!«Aber dann grinste er breit.»Bei Gott, das ist besser, als Flottenpost fahren!»

Bolitho warf schnell einen Blick auf Inch, den pferdegesichtigen jungsten Leutnant der Hyperion, dessen Kopf vom Niedergangsluk eingerahmt war — hinter ihm warteten, enganeinandergepre?t wie Erbsen im Fa?, die restlichen Manner des Landungskommandos. Fur die mu? es noch schlimmer sein, ging es ihm durch den Kopf. In dem engen, stockfinsteren Laderaum zusammengepfercht, hatte ihnen nur die eigene Angst und der Geschutzdonner Gesellschaft geleistet.

«Winkt den Soldaten an Land zu!«rief Bolitho. Einige Matrosen glotzten ihn verstandnislos an. »Winkt! Ihr seid doch gerade dem verdammten Englander entwischt!»

Seine Stimme klang so wild und bose, da? tatsachlich ein paar Manner in gellendes, irres Gelachter ausbrachen und wie verruckt zu den Leuten an der Pier hinubergestikulierten. Und die winkten zuruck!

Erleichtert wischte Bolitho sich die Stirn mit dem Hemdsarmel und sagte:»Wenn Sie soweit sind, Mr. Bellamy…»

Ein kurzer Blick nach ac htern zeigte ihm, da? die Hafeneinfahrt tatsachlich schon von der keilformig vorspringenden Landzunge verdeckt war. Daruber konnte er die obersten Rahen der Hyperion sehen und verspurte ungeheure Erleichterung, denn sie halste bereits wieder und nahm Kurs auf die offene See, wo ihr nichts mehr passieren konnte.

«Jetzt! Leeruder!«schrie Bellamy heiser. Als Bolitho wieder nach vorn blickte, zeigte der Bugspriet bereits auf die Kluft zwischen den Bergen. Vorsichtig zog er den Degen aus der Scheide und ging zum Vorschiff, wo die Karronade wartete.

V Kurz und scharf

Mit gerefften Segeln glitt die Chanticleer stetig auf den primitiven holzernen Steg zu, wo sich etwa drei?ig franzosische Soldaten eingefunden hatten und zusahen, wie das Schiff einlief. Etwas seitlich von den schwatzenden Soldaten hatte ein hochmutiger, schnurrbartiger Offizier zu Pferde Posten bezogen. Reglos sa? er im Sattel, nur seine Hande und Fu?e bewegten sich leicht, um das nervose Pferd zu beruhigen, denn immer noch feuerte die Festungsbatterie hinter der Hyperion her, die schon nicht mehr zu sehen war.

Aber dann, als die uberladene Schaluppe schwankend naher kam, schienen die vordersten Soldaten zu merken, da? etwas nicht stimmte. In den nachsten Sekunden uberschlugen sich die Ereignisse. Im Vorschiff schrillte eine Pfeife, die letzte Stuckpforte sprang auf, die Karronade schob sich unbeholfen vor und wurde sichtbar, die Persenning an Deck wurde weggerissen, darunter und aus allen Niedergangen schwarmten Seesoldaten und Matrosen heraus — auf einmal wimmelte das Deck der Sloop von Menschen. Die franzosischen Soldaten wichen zuruck, um sich auf dem geschutzten Pfad in Sicherheit zu bringen; aber es war zu spat, denn hinter ihnen versuchten ihre Kameraden, zum Steg vorzusto?en; hier und da rief noch der eine oder andere Hurra und winkte der Trikolore im Masttopp zu.

Die Karronade brullte los wie Donner. Zwischen den engen Klippen war die Druckwelle der Explosion so stark, da? sie ein paar kleine Steinlawinen loste. Hunderte erschrockener Seevogel flatterten unter Protestgeschrei auf und zogen hoch am Himmel ihre wirbelnden Kreise.

Die machtige Kugel pflugte durch die dichtgedrangten Soldaten und schlug hinter ihnen in die Lafette des Feldgeschutzes. Ein zweites helles Aufblitzen; und als sich der Pulverqualm von Deck verzogen hatte, sah Bolitho den blutigen Pfad, den die Kugel gerissen hatte: rechts und links sturzten Soldaten sterbend nieder.

Er senkte den Degen:»Feuer!»

Jetzt kamen die kleinen Bordgeschutze an die Reihe. Sie waren mit Schrapnell geladen, und sobald ihr peitschenartiger Knall sekundenlang die Todesschreie und das Schmerzgebrull an Land ubertonte, mahten die Ladungen aus den kleinkalibrigen Rohren alle, die noch standen, nieder wie Gras.

Bolitho sprang uber die Schanz an Land; seine Schuhsohlen rutschten auf Blut und Fleischfetzen; wie ein lebender Strom folgten ihm die Manner, und ihre Augen gluhten dumpf, als waren sie halb betaubt von der Schlachterei ringsum.

Schrapnells bohrten sich in den Steg, und mit protestierendem Knarren kam die Chanticleer zum Stehen. Ihr Deck bebte, als Matrosen und Seesoldaten an Land sturzten, wo die Offiziere sie in provisorischer Marschordnung formierten.

Nur eine Handvoll Franzosen rannten den Pfad zuruck, verfolgt von den Musketenschussen eifriger Marine-Infanteristen und dem Hohngeschrei der Matrosen, die meist mit Piken und Entermessern bewaffnet waren.

Bolitho packte Ashby am Arm.»Sie wissen, was zu tun ist. Ziehen Sie Ihre Abteilung gut auseinander. Es mu? so aussehen, als waren wir doppelt so viele.»

Ashby nickte heftig, sein Gesicht gluhte scharlachrot vom Rennen und Schreien.

Es brauchte noch viel mehr Geschrei, um die erregten Seesoldaten in Marschordnung auf den Pfad zu bringen. Hell hoben sich die roten Uniformen von dem schwarzlich-blutigen Hintergrund aus zerfetzten Leichen und gekrummten Verwundeten ab.