Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See, стр. 75

Maurin kam und sagte munter:»Ich lasse ein Boot klarmachen. Auf Ihrem Schiff wird man uberrascht sein, da? Sie so unbehelligt wieder eintreffen. Ebenso uberrascht wie ich.»

Bolitho lachelte.»Danke. Ich hatte guten Schutz. «Sein Blick schweifte zum Kajutniedergang; aber es blieb ungewi?, wen genau er gemeint hatte.

XVI Weder besser noch schlechter als andere

Langsam schlenderte Bolitho an der Brustwehr auf der Landseite des Stutzpunktes Pendang Bay entlang. Dunst stieg aus dem Dschungel empor; die Nachmittagssonne spielte auf den Blattern und Palmwedeln neben der Palisade. Kurz vor Mittag hatte die Undine bei blauem Himmel Anker geworfen, obwohl sie bei ihrer Annaherung den Stutzpunkt noch unter einer dunklen Wetterwolke hatten liegen sehen und die Bewohner fast um den kurzen Regengu? beneideten. Jetzt atmete er widerwillig den dumpfigen Geruch der verrottenden Blatter und der tief im Schatten verborgenen Wurzeln ein, der Kopfschmerzen verursachte.

In den letzten zwei Tagen hatte sich die Undine mit widrigen Winden herumschlagen mussen; als sich der Wind schlie?lich drehte und gunstiger zu ihrem Kurs stand, war er kaum mehr als ein Hauch und brachte nur wenig Leben in die Segel.

Er beobachtete ein paar rotrockige Sepoys, die au?erhalb der Palisade arbeiteten, und zwei eingeborene Frauen, die sich mit Kopflasten dem Tor naherten. Auf den ersten Blick schien sich nichts verandert zu haben; dennoch fuhlte er, in Erwartung einer weiteren Unterredung mit Conway — der zweiten innerhalb einer Stunde — , da? alles anders geworden war,

Er schritt weiter zur nachsten Ecke der primitiven, aus Pfahlen errichteten Brustwehr. Unten lag die Undine an ihrer Ankertrosse, den erbeuteten Schoner dicht vor ihrem Bug. Als er zum flachen Wasser hinubersah, wo die Rosalind gelegen hatte, als er die Reise zu Muljadis Festung antrat, konnte er kaum das Fluchen unterdrucken. Sie war weg, ebenso das Transportschiff, die Bedford, zuruckgesegelt nach Madras, mit Depeschen und Raymonds personlichem Lagebericht fur Sir Montagu Strang.

Als Bolitho sich eine halbe Stunde nach dem Ankerwerfen bei Conway gemeldet hatte, war er uber dessen schlechtes Aussehen erschuttert. Conway wirkte gebeugter denn je, seine Augen gluhten, und er schien vor Zorn und Verzweiflung fast au?er sich zu sein.

«Sie wagen es«, hatte er Bolitho angebrullt,»sich hinzustellen und mir zu erklaren, da? Sie meine Befehle vorsatzlich mi?achtet haben? Da? Sie, entgegen meinen ausdrucklichen Instruktionen, uberhaupt nicht erst versucht haben, mit Le Chaumareys zu verhandeln?»

Bolitho stand bewegungslos, die Augen fest auf Conways verzerrtes Gesicht gerichtet. Eine leere Karaffe lag umgesturzt auf dem Tisch. Unverkennbar hatte Conway schon langer stark getrunken.

«Ich konnte nicht verhandeln, Sir. Das hatte die Anerkennung Muljadis bedeutet, und genau das wollen die Franzosen.»

«Sie glauben wohl, mir was Neues zu erzahlen?«Conway packte heftig die Tischplatte.»Auf meinen ausdrucklichen Befehl hin sollten Sie von Le Chaumareys fordern, da? er Colonel Pastor unversehrt freila?t! Die spanische Regierung hatte England schwere Vorwurfe machen konnen, weil wir ihn tatenlos und vor unseren Augen in Muljadis Gefangenschaft leiden lie?en!»

Bolitho erinnerte sich gut, mit welcher Muhe er seine Stimme unter Kontrolle gehalten hatte. Trotz seiner Erregung hatte sie vollig ausdruckslos geklungen. Er wollte Conway nicht noch mehr in Wut bringen.

«Als ich wu?te, da? ich Muljadis Sohn gefangengenommen hatte, konnte ich die Bedingungen stellen, Sir«, hatte er geantwortet.»Die Chancen standen gut fur mich. Und wie sich herausstellte, kamen wir gerade noch zur rechten Zeit. Ich furchte, ein paar Tage spater ware Pastor tot gewesen.»

«Zum Teufel mit Pastor!«hatte Conway gebrullt.»Sie erwischen Muljadis Sohn — und wagen es, ihn freizulassen! Kniefallig und zu allem bereit hatte uns dieser blutige Seerauber um das Leben seines Sohnes gebeten!»

Unvermittelt hatte Bolitho gesagt:»In den letzten Monaten des Krieges ist in diesen Gewassern eine Fregatte verlorengegangen.»

Conway hatte sich uberrumpeln lassen.»Stimmt. Die Imogen unter Captain Balfour. «Die Sonne blendete ihn, er kniff die Augen zusammen.»Achtundzwanzig Geschutze. War im Gefecht mit den Franzosen, ist dann in einen Sturm geraten und gestrandet. Ihre Mannschaft wurde von einer meiner Schaluppen ubernommen. Was, zur Holle, hat sie damit zu tun?»

«Alles, Sir. Hatte ich nicht mit Muljadi personlich gesprochen, so waren wir vollig ahnungslos. Die Imogen liegt hier, Sir, im Benua-Archipel, und zwar — soweit ich gesehen habe — vollstandig seeklar. Sie hatte uns mit ihrer Kampfkraft vollig uberrascht.»

Conway war gegen den Tisch getaumelt, als hatte ihm Bolitho einen Schlag versetzt.»Wenn das ein Trick von Ihnen ist, irgendein Schwindel, um… »

«Nein. Sie ist da, Sir. Neu ausgerustet und repariert, und die Mannschaft, daruber habe ich nicht die geringsten Zweifel, wurde von Le Chaumareys' Offizieren aufs beste ausgebildet. «Er konnte seine Verbitterung nicht verbergen.»Ich hatte gehofft, die Brigg Rosalind sei noch hier. Dann hatten Sie Nachricht schicken und Verstarkung anfordern konnen. Jetzt haben wir keine Wahl mehr.»

Der nachste Teil der Unterredung war am schlimmsten gewesen. Unsicher war Conway zum Bufett gegangen, hatte sich mit einer neuen Karaffe zu schaffen gemacht und dabei gemurmelt:»Man hat mich verraten, von Anfang an. Raymond bestand darauf, da? die Brigg nach Madras segelte. Sie war ein Schiff der Company, und ich konnte sie nicht langer hierbehalten. Er hatte alle Trumpfe auf seiner Seite. Und auch auf alle Einwande die Antworten parat. «Wie Blut war der Rotwein auf sein Hemd gespritzt.»Und ich?«brullte er.»Ich bin weiter nichts als ein Strohmann! Ein Werkzeug, das Strang und seine Freunde benutzen, wie es ihnen pa?t!»

Beim Eingie?en hatte er den Becher an der Karaffe entzweigeschlagen und griff jetzt nach einem neuen.»Und nun kommen Sie, der einzige Mann, dem ich vertraue, und sagen mir, da? Muljadi meinen Stutzpunkt jederzeit angreifen kann! Und Raymond… Ganz abgesehen davon, da? er mir dauernd Unfahigkeit nachweisen will, kann er jetzt seinen verfluchten Vorgesetzten auch noch berichten, da? ich nicht imstande bin, dieses Territorium der britischen Flagge zu erhalten.»

Lautlos hatte sich die Tur geoffnet, und Puigserver war eingetreten. Nach einem kurzen Blick auf Conway hatte er zu Bolitho gesagt:»Ich bin geblieben, um Ihre Ruckkehr abzuwarten. Meine Leute sind mit der Bedford gesegelt, aber ich wollte nicht abreisen, ohne Ihnen dafur zu danken, da? Sie Pastor befreit haben. Sie haben es sich anscheinend angewohnt, Ihr Leben fur andere zu riskieren. Diesmal werden Sie, hoffe ich, nicht unbelohnt bleiben. «Wieder glitten seine schwarzen Augen zu Conway hinuber.»Nicht wahr, Admiral?»

Conway hatte ihn nur leeren Blicks angestarrt.»Ich mu? nachdenken.»

«Das mussen wir alle. «Der Spanier hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht und lie? den Blick nicht von Conway.»Ich horte einiges durch die Tur. Wohlgemerkt, ich wollte nicht horchen, aber Ihre Stimme war ziemlich kraftig.»

Conway hatte nochmals versucht, sich zusammenzunehmen.»Dienstbesprechung, sofort!«Glasern blickte er Bolitho an.»Sie warten drau?en! Ich mu? nachdenken.».

Jetzt, als Bolitho geistesabwesend auf die kleinen Gestalten unter der Palisade starrte, stieg wieder Arger in ihm auf — und ein Gefuhl der Dringlichkeit.

«Richard!»

Er fuhr herum und sah sie an der Ecke des Turmes im tiefen Schatten stehen; sie trug denselben breitrandigen Hut wie damals.

«Viola! Ich dachte schon…«Er war zu ihr geeilt und ergriff ihre Hande.

Sie schuttelte den Kopf.»Spater. Hor zu. «Sanft beruhrte sie seine Wange, und ihre Augen waren plotzlich traurig.»Es hat so lange gedauert: elf Tage — aber fur mich waren sie wie elf Jahre. Als der Sturm kam, war ich so in Sorge um dich.»