Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See, стр. 44

«Ist auch besser so. «Unvernunftigerweise wurde Bolitho jetzt gereizt.»Was, in drei Teufels Namen, soll ich blo? mit Whitmarsh machen?»

«Es geht ihm eine Menge im Kopf herum, Sir.»

«Anderen Leuten auch.»

Herrick bemuhte sich, gelassen zu sprechen.»Er hat zusehen mussen, wie sein jungerer Bruder wegen eines Verbrechens gehangt wurde, das er, wie sich spater herausstellte, nicht begangen hatte. Und selbst wenn er schuldig gewesen ware, dann ware es immer noch ein furchtbares Erlebnis gewesen.»

Bolitho stie? sich von der Reling ab und fuhr herum.»Wie haben Sie denn das erfahren?»

«In Madras. Er kam betrunken an Bord, und ich war ein bi?chen grob mit ihm. Da brullte er mir die Geschichte ins Gesicht. Es macht ihn kaputt.»

«Ich danke Ihnen, da? Sie es mir erzahlt haben — wenn auch ein bi?chen spat.»

Herrick wich nicht zuruck.»Sie waren sehr beschaftigt, Sir. Ich wollte Sie nicht belastigen.»

Bolitho seufzte.»Verstehe schon. Aber in Zukunft mochte ich solche Dinge sofort horen. Die meisten Schiffsarzte sind blo?e Schlachter. Whitmarsh ist etwas Besseres. Aber ein standig betrunkener Arzt ist eine Gefahr fur jeden an Bord. Die Sache mit seinem Bruder tut mir leid; ich kann seine Gefuhle verstehen. «Er blickte Herrick ruhig ins Gesicht.»Wir mussen sehen, was wir tun konnen, damit er wieder einigerma?en in Ordnung kommt, ob es ihm nun pa?t oder nicht.»

Herrick nickte ernsthaft.»Ganz meine Meinung, Sir. Der Patient kann seine Krankheit selbst am wenigsten beurteilen. «Er unterdruckte ein Grinsen.»Wenn Sie verstehen, was ich meine, Sir.»

Bolitho schlug ihm auf die Schulter.»Bei Gott, Thomas, Sie gehen wirklich zu weit. Es wundert mich gar nicht, da? Ihr Vater Sie zur See geschickt hat. «Damit ging er das schragliegende Deck hinauf nach Luv und uberlie? es Herrick, die Wache zu kontrollieren.

Also wu?ten alle Bescheid. Bolitho strich uber die Uhrtasche seiner Hose. Was hatte Herrick erst gesagt, wenn er die Gravur auf der Innenseite des Deckels hatte lesen konnen?

«Wir gehen gleich uber Stag, Mr. Herrick. «Bolitho trat zum Kompa? und blickte uber Mudges Schulter.»Kurs Nordnordost.»

Herrick fa?te an den Hut.»Aye, aye, Sir«, sagte er, ebenso dienstlich wie sein Captain.

Funf Tage waren vergangen, seit sie uber Viola Raymond und uber des Doktors private Probleme gesprochen hatten; und

Bolithos Stimmung war besser denn je. Auf dem Schiff hatte sich eine regelma?ige, gelassene Routine eingespielt, sogar das Exerzieren ging ohne Klagen vor sich. Die Mannschaft der Undine hatte zwar in bezug auf Geschutzdienst noch allerlei zu lernen, aber immerhin arbeitete jetzt an jeder Kanone eine eingespielte Bedienung und nicht ein kopflos durcheinanderstolpernder Haufen.

Bolitho hob das Fernrohr und studierte die neuen Formen und Muster des Horizonts. Mudge hatte ihm versichert, da? Pendang Bay nur noch etwa funf Seemeilen voraus lag, aber trotzdem war es schwer zu glauben, da? sie das Ziel ihrer Reise so gut wie erreicht hatten. Nach funftausend Meilen eine andere Welt. Ein ganz anderes Leben.

«Alle Mann an die Brassen!«Bolitho horte Schritte hinter sich und wandte sich um, denn er wollte sehen, was Conway, der eben an Deck kam, fur ein Gesicht machte. Es war fruher Morgen, und ein paar Sekunden lang dachte Bolitho, er bilde sich blo? ein, was er sah. Aber Conway trug wirklich gro?e Konteradmiralsuniform mit Degen und Dreispitz. Den ersten hielt er etwas ungeschickt wie einen Zeigestock, als ware er nicht sicher, was die Leute dazu sagen wurden.

«Guten Morgen, Sir!«gru?te Bolitho. Herrick starrte sie beide an, die Sprechtrompete in der halberhobenen Hand vergessend.

Conway trat zu Bolitho an die Reling und luftete gru?end den Hut. Die machtigen Rahen knarrten im Chor; keuchend vor Anstrengung, holten die Matrosen die Brassen dicht.

«Na, was meinen Sie dazu?«fragte Conway argwohnisch.

«Ich finde, Ihre Uniform ist dem Anla? durchaus angemessen,

Sir.»

Conways Lippen wurden plotzlich schmal, und die Mundfalten vertieften sich noch mehr. Seine Dankbarkeit, denn das und nichts anderes war es, war ruhrend, ja herzbewegend anzusehen.»Sie ist naturlich noch nicht gebugelt. Ich habe sie nur anprobiert, um zu sehen, ob etwas geandert werden mu?. «Und scharferen Tones:»Wenn ich schon Gouverneur bin, dann sollen sie gleich bei der Landung sehen, woher der Wind weht — hol sie alle der Teufel!»

Midshipman Armitage beobachtete die Brigg, die ihre Rahen bra?te, um in Lee der Undine zu bleiben.

«Ein Gewitter, Sir«, sagte er nervos. Aber Bolitho hatte bereits ein Fernrohr ergriffen.

«Diesmal nicht, Mr. Armitage. «Er wandte sich Herrick zu.»Segel kurzen, Mr. Herrick, und dann alle Mann auf Stationen!»«

Sie starrten ihn an wie einen vollig Fremden.

«Diese Sorte Gewitter kenne ich namlich.»

X Unter der Piratenflagge

«Schiff klar zum Gefecht, Sir. «Gespannt wartete Herrick auf Bolithos Reaktion. Der lie? langsam sein Fernrohr vom Bug bis zum Heck gleiten. Er versuchte, das sich uberschneidende Gewirr von Wanten und Schoten zu meiden und seinen Blick auf die Kuste zu konzentrieren. Wegen des grellen Sonnenlichts, das bereits durch den Morgendunst sickerte, war es unmoglich, einen exakten Blickpunkt festzulegen und Entfernungen zu schatzen.

«Das dauert zu lange, Mr. Herrick«, erwiderte er.»Sie mussen auf zwolf Minuten kommen. «Aber er redete nur, damit er etwas mehr Zeit bekam, seine Gedanken zu sammeln.

Das ferne Geschutzfeuer hatte aufgehort, aber es waren mindestens ein Dutzend Schusse gefallen: scharf und laut, trotz der gro?en Entfernung. Kleine Kaliber, wahrscheinlich.

Bolitho lie? den Blick weiter nach Steuerbord schweifen. Als niedriger Keil schob sich das Land vor, parallel zum Kurs der Undine, die langsam heranglitt. Der ostliche Arm der Pendang Bay, ganz ohne Zweifel.

Etwas Dunkles kam in die Linse; es war die Brigg, leicht krangend in der schwachen Brise; auf den Rahen wimmelten winzige Gestalten, das Reffen der Segel war fast beendet. Eine gro?e spanische Flagge wehte an der Besangaffel, und er uberlegte einen Augenblick, wie der Kapitan der Rosalind wohl auf Puigservers nationale Ambitionen reagieren mochte.

Fast gegen seinen Willen sprach er seine Gedanken laut aus:»Ich wunschte, Puigserver ware bei uns. Gemeinsames Planen und Handeln waren meiner Meinung nach jetzt angebracht.»

Conway grunzte.»Uberflussig. Die Undine ist das Kriegsschiff, Bolitho, nicht die Brigg. Heute will ich mich mit keinem verdammten Spanier rumargern mussen.»

«Was halten Sie davon, Sir?«fragte Herrick.

Bolitho wiegte nachdenklich den Kopf.»Vielleicht ein Uberfall auf den Stutzpunkt. Aber soweit ich wei?, ist er gut befestigt.»

Grob fuhr Conway dazwischen:»So viel Theater um ein paar lausige Wilde!»

Herrick, der dicht neben Mudge stand, flusterte diesem zu:»Das hat wahrscheinlich auch der arme Captain Cook gesagt.»

Bolitho fuhr herum:»Wenn Sie weiter nichts zu tun haben, als damliche Bemerkungen zu machen…«Er wandte sich wieder ab und befahl:»Sofort zwei gute Lotgasten aufs Wasserstag, und sie sollen regelma?ig aussingen! Mr. Mudge, lassen Sie einen Strich abfallen!»

Sein scharfer Ton wirkte. Manner, die eben noch ihre Mutma?ungen uber die Vorgange an Land ausgetauscht hatten, standen auf einmal stumm und eifrig bei den Geschutzen, sammelten sich an den Fallen und Brassen und warteten auf das nachste Kommando. Das Ruder knarrte laut in der plotzlichen Stille, und der Rudergast sang aus:»Nordost zu Nord, Sir.»

«Recht so. «Fasziniert blickte Bolitho Conway an. Er sah ihn im Profil, seine Augen glitzerten vor Spannung.

Vom Vorschiff her kam die Meldung des Lotgasten:»Kein Grund, Sir!»

Bolitho blickte zu Mudge hinuber, aber dessen massiges Gesicht war fast ausdruckslos. Wahrscheinlich hielt er das Loten fur uberflussig. Nach der Karte und allen sonstigen Informationen war ausgewiesen, da? diese Gewasser bis auf etwa eine Kabellange vor Land tief genug waren. Aber vielleicht dachte Mudge auch, der Captain sei nur deshalb so vorsichtig, weil er nichts dem Zufall uberlassen wollte.