Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien, стр. 25

VI Revanche

Bolitho legte die Feder hin und reckte die Arme. Es war fruher Abend, zu fruh fur eine Lampe, aber nicht mehr hell genug zum Schreiben. Er sah sich in der gro?en Kajute der Eurotas um. Jetzt, nachdem die geplunderten Kisten und verstreuten Kleidungsstucke weggeraumt waren, wirkte sie nahezu normal.

Er stand auf und ging zu dem hohen Heckfenster. In einiger Entfernung an Steuerbord segelte sein eigenes Schiff, die Tempest: ein bildschoner Anblick. Bram- und Marssegel schimmerten rosig im Sonnenlicht, ihr Bug spruhte Gischt, wahrend sie stetig eine Welle nach der anderen durchpflugte.

Herrick hielt die Tempest weit in Luv fur den Fall, da? doch jemand auf der Eurotas einen Handstreich versuchen sollte. Ware wirklich jemand toricht genug dafur, konnte er die Fregatte sofort unter vollen Segeln heranbringen und das andere Gesicht zeigen, das Bolitho erst vor drei Tagen an ihm gesehen hatte.

Als er die Eurotas vorsichtig aus der Bucht manovriert hatte, war die Tempest gerade um die Landzunge gekreuzt, genau wie er und Herrick geplant hatten. Zum erstenmal hatte Bolitho sein gefechtsbereites Schiff von au?en gesehen. Mit ausgerannten Geschutzen, Gro?segel und Fock zu den Rahen aufgegeit, mit den in den Masten und unter den Schutznetzen kauernden Seesoldaten, die ihre Musketen schu?bereit auf das langsamere Handelsschiff gerichtet hielten, bot die Tempest einen bedrohlichen Anblick. Wie Herrick spater erklarte, hatte er keinerlei Risiko eingehen wollen. Selbst die hastig gehi?te Flagge der Eurotas und Swifts Signale hatten ihn nicht uberzeugt. Seine besten Geschutzfuhrer setzten zwei Zwolfpfunderkugeln neben den Rumpf des Handelsschiffes, wahrend die Tempest ihnen signalisierte, beizudrehen und ein Enterkommando an Bord zu nehmen.

Nachdem Herrick Bolithos Bericht gehort und das Chaos selbst gesehen hatte, reagierte er weitgehend so, wie Bolitho es erwartet hatte. Er verbarg seine Erleichterung daruber, Bolitho lebend anzutreffen und die Aktion erfolgreich beendet zu sehen, hinter Vorwurfen.»Sie hatten auf uns warten sollen, Sir. Was hatte nicht alles geschehen konnen? Sie hatten von diesen Schurken getotet oder gefangen werden konnen.»

Selbst als Bolitho ihm erklarte, da? der Amerikaner Jenner einen der Meuterer mit brennender Lunte im Pulvermagazin aufgestobert hatte, dem befohlen worden war, das Schiff mit allem in die Luft zu sprengen, hatte Herrick eigensinnig auf seiner Kritik beharrt.

Bolitho erinnerte sich mit einem verhaltenen Lacheln der Versuche Herricks, seine Mi?billigung zu bewahren. Er hatte es nie lange geschafft.

In den drei Tagen, die sie brauchten, um die Inseln hinter sich zu lassen und wieder Kurs auf Sydney zu nehmen, hatte Bolitho viel nachgedacht. Er hatte ihre Lage analysiert und einen Bericht fur den Gouve rneur und Kommodore Sayer aufgesetzt.

Die Rebellion auf der Eurotas war ausgebrochen, als Feuer aus einer der vorderen Luken gemeldet wurde. In dem anschlie?enden wilden Durcheinander, das bei einem mit Zivilisten und Deportierten uberfullten Schiff nicht uberraschen konnte, war das Achterdeck der Eurotas von einigen» Passagieren «gesturmt und besetzt worden, die in Santa Cruz an Bord gekommen waren, wo man Obst und Wein fur die lange Fahrt um Kap Horn ubernommen hatte. Offenbar war der Kurs der Eurotas monatelang beobachtet worden.

Bis die Besatzung festgestellt hatte, da? das Feuer nur auf ein paar olige Lumpen in einem gro?en Eisentopf zuruckzufuhren war, befand sich das Schiff schon in anderen Handen. Einige Gefangene waren sofort zu den Meuterern ubergegangen. Manche hatten versucht, ihre Frauen zu schutzen, und waren auf der Stelle umgebracht worden. Kapitan Lloyd war mit vorgehaltener Pistole zur Kursanderung auf die Inselgruppe gezwungen worden. Anscheinend hatten die Piraten eine kritische Situation vorausgesehen, als sie von einem kleinen Postschiff, das auf dem Weg nach Sydney war, gesichtet wurden und ihr Erkennungssignal setzen mu?ten.

Sobald sie erst in Sichtweite der Inseln war, wurde jede Hoffnung der Besatzung, das Schiff wieder in ihre Gewalt zu bekommen oder auch nur den geringsten Widerstand zu leisten, zunichte. Denn ein gro?er, schwer bewaffneter Schoner eskortierte die Eurotas in die Bucht, und zwei Bootsladungen Manner kamen an Bord. Einer der loyal gebliebenen Seeleute hatte ausgerufen:»Die ubelsten Schurken, die Sie sich vorstellen konnen, Sir!«Dann hatten die Schrecken wirklich begonnen. Plunderungen und trunkene Exzesse waren an der Tagesordnung. Ein Teil der Piraten hatte das Umladen der Ladung und Waffen, des Geldes und der Vorrate uberwacht und die verstorten und eingeschuchterten Straflinge dabei wie Sklaven eingesetzt, wahrend die ubrigen wie die Wilden auf dem Schiff hausten. Menschen waren totgeprugelt oder buchstablich zerhackt, Frauen und Madchen wieder und wieder in einem Taumel von Grausamkeit geschandet worden.

Kapitan Lloyd, ohne jeden Zweifel tief betroffen, da? es durch seinen Mangel an Wachsamkeit zur Katastrophe gekommen war, unternahm einen letzten Versuch, seine Wachter zu uberwinden und die zuverlassigen um sich zu scharen. Vergeblich. Am nachsten Tag war keine Spur mehr von Kapitan Lloyd und seinen Offizieren oder auch nur dienstalteren Besatzungsangehorigen zu entdecken. Bolitho schritt rastlos in der Kajute auf und ab. Er erinnerte sich an Violas Augen, als sie ihm diesen Alptraum geschildert hatte. Jede Stunde brachte Entsetzen und Verzweiflung. Die Piraten kamen und gingen, mi?handelten Manner und Frauen, prugelten sich mitunter sogar untereinander, von Brandy und Rum berauscht. Obwohl Viola Raymond standig unten im Orlopdeck festgehalten wurde, hatte sie wahrgenommen, da? Geschutze von der Eurotas auf ein anderes, langsseit liegendes Schiff verladen wurden. Sie hatte den Eindruck gehabt, da? dieses Schiff niedriger als die Eurotas und vielleicht ebenso gro? wie der Schoner gewesen war. Die kleine Orlopkajute teilte sie mit einem Madchen, das wegen Diebstahls zur Deportation verurteilt war. Jeden Tag wurde das Madchen schreiend aus ihrem Verlies geschleppt; die Piraten lie?en Viola uber das schlimme Los, das ihm bestimmt war, nicht im Zweifel.

Nur einmal hatte Viola bei ihrer Schilderung die Fassung verloren. Das war, als sie ihre Gefuhle beim Erscheinen der Tempest beschrieb.

Die Eurotas war von feindseligen Eingeborenen angegriffen worden, weil der Schoner, wie sie gehort hatte, eine andere Insel uberfallen und verwustet und viele Bewohner getotet hatte.

Schluchzend hatte sie gesagt:»Ich wu?te, da? du in diesem Teil der Welt warst, Richard. Ich habe deine Karriere verfolgt, die Gazette auf jede Ernennung und Versetzung studiert. Als ich den jungen Valentin Keen an Bord kommen sah, wu?te ich, da? dein Schiff eingetroffen war. «Sie berichtete auch, da? der Anfuhrer der Piraten damit gedroht hatte, da? beim geringsten Versuch, die Besatzung des fremden Bootes zu alarmieren, das Pulvermagazin auf der Stelle in die Luft gesprengt und alle getotet wurden.»Ich konnte nicht untatig danebenstehen, Richard. Dieser Schuft lie? einfach eine Handvoll Passagiere an Deck bringen, damit alles normal aussah. Er und einige andere hatten Uniformen der Handelsgesellschaft angezogen. Es war so viel gemordet worden, so viel Schreckliches geschehen. «Sie hatte das Kinn gehoben; das Leuchten in ihren Augen uberglanzte ihren spontanen Trotz.»Wenn es ein anderes Schiff als deines gewesen ware, Richard, hatte ich nichts tun konnen. Aber die Uhr — ich wu?te, da? du dich daran erinnern wurdest.«»Es war ein schreckliches Risiko. «Da hatte sie gelachelt.»Aber es hat sich gelohnt. «Bolitho sah sich in der Kajute um. Hierher war Viola gebracht worden, um dem eigentlichen Anfuhrer der Piraten gegenubergestellt zu werden. Ihre Beschreibung des Mannes war sehr treffend: ein Riese mit brustlangem Bart, der Tuke hie? und Englander war. Jedenfalls hatte es diesen