Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten, стр. 85

Dann war mit einenmal alles voruber. Die Waffen der Franzosen klirrten auf Deck. Bolitho registrierte, da? die trotzigen Abwehrrufe in Bitten um Pardon ubergegangen waren. Er wu?te, da? er seine Leute jetzt nicht zuruckhalten konnte, wenn sie die Schlachterei vollenden wollten. Ein unbekannter Seemann brach jedoch den Blutrausch, indem er rief:»Ein Hoch auf die Phalarope!«Seine Stimme kippte vor Freude und Jubel uber.»Und ein Hoch auf ihren verruckten Alten!»

Bolitho kletterte die Leiter hinunter, vorbei an gelahmten Franzosen und zerfetzten Leibern, die wirr uber- und durcheinander lagen.

«Hauptmann Rennie!«Er stand neben dem Leichnam von Leutnant Okes.»Hissen Sie unsere Flagge uber der franzosischen. «Er merkte, da? ihm die Hande zitterten.»Alle sollen sehen, was Sie heute geleistet haben.,»

«Der Hauptmann ist gefallen, Sir«, sagte Sergeant Garwood heiser. Er entrollte die Flagge sorgsam.»Ich werde es tun.»

«Tot?«Bolitho starrte ihm nach.»Rennie auch?«Und als Herrick ihm die Hand auf den Arm legte, fragte er dumpf:»Was ist?»

«Das Schiff ist unser, Sir!«Herrick zitterte vor Erregung.»Das Kanonendeck gleicht einem Schlachthaus. Unsere Kanonaden haben mehr als. . «Er bemerkte Bolithos Ausdruck und brach ab.

«Gut, Mr. Herrick. Danke. «Bolithos Stimme bebte.»Ich danke euch allen!«Er wandte sich ab, als neue Hochrufe uber das Deck schallten.

Herrick schuttelte den Kopf, er konnte es noch immer nicht fassen.»Ein Zweidecker, Sir! Welch ein Sieg.»

«Sieg ist unsere Tradition, Mr. Herrick«, entgegnete Bolitho leise. Er schien mehr zu sich selbst zu sprechen.»Sammeln Sie unsere Leute, und schicken Sie sie zuruck auf die Phalarope. Die Masttrummer sind gekappt. «Seine Augen wanderten stumpf uber sein Schiff. In dem einst so schmucken Rumpf klafften gro?e Locher. Der Bug lag tief im Wasser. Es klang, als wurden die Pumpen mit dem hereinbrechenden Wasser gerade noch fertig. Alle drei Stengen waren von oben gekommen. Die Segel flatterten in langen Streifen. In der Takelage hingen Tote, und das zerfetzte und aufgerissene Deck zeigte rote Lachen. Und jetzt horten sie auch zum erstenmal wieder das dumpfe Grollen der gro?en Schlacht, noch immer weit entfernt und unpersonlich.

Bolitho gab sich einen Ruck.»Tempo, Mr. Herrick. Noch ist der Kampf nicht zu Ende. «Wenn nur die Hochrufe aufhoren wurden. Wenn er nur eine Sekunde allein sein konnte.

Herrick schwenkte den Arm.»Zuruck zur Phalarope, Jungs. Das Wrack hier nehmen wir spater in unsere Obhut.»

Bolitho ging zum Schanzkleid. Uber den Streifen Wasser hinweg sah er Neale dort stehen, wo er gestanden hatte, als sie die Ondine enterten: neben dem Ruder. Er sagte:»Mein Bootsmaat soll Mr. Okes und Captain Rennie zur Phalarope hinuberschaffen. «Er sah den Wechsel in Herricks Zugen und spurte von neuem, wie Verzweiflung uber ihm zusammenschlagen wollte.»Stockdale auch, Mr. Herrick?»

Herrick nickte.»Er fiel, als Sie auf dem Heck kampften, Sir. Er hat Ihnen gegen die Scharfschutzen den Rucken gedeckt. «Er versuchte zu lacheln.»Ich glaube, so hat er sich seinen Tod gewunscht.»

Bolitho sah Herrick leer an. Stockdale war tot! Und er hatte nicht einmal gesehen, wie er fiel.

Farquhar drangte sich durch. Er sah aufgeregt aus.»Kaptn, Sir, die Leute vom Ausguck melden, da? unsere Flotte die franzosische Front an zwei Stellen gespalten hat. «Er blickte von einem blutbespritzten Gesicht zum anderen.»Rodney hat die franzosische Linie aufgebrochen, horen Sie nicht?»

Bolitho fuhlte einen Lufthauch an der Wange. Eine leichte Brise kam auf. De Grasse war also geschlagen. Seine Augen wanderten zur schrag liegenden Phalarope hinuber. Beinahe waren ihm die Tranen gekommen. Waren alle diese Opfer nun umsonst?

Herrick zog ihn am Arm.»Sehen Sie, Sir! Da druben!»

Der auffrischende Wind schob den Rauchvorhang beiseite, der Blick auf die kampfenden, schwer mitgenommenen Schiffe wurde frei. Bolitho sah den Umri? des gro?en Dreideckers. Seine Kanonen waren noch immer ausgerannt. Kein feindlicher Treffer hatte den Anstrich verletzt, er schimmerte unverletzt. Wahrend des Gefechts hatte der Dreidecker, zum Kampf nicht willens oder nicht fahig, dem Inferno untatig zugeschaut. Seiner schweren Bestuckung war kein Brite zum Opfer gefallen.

Dennoch flatterte uber der franzosischen Flagge des Dreideckers eine zweite. Die Flagge, die auch uber der entmasteten Cassius und an Bord der Ondine flatterte, die auf der Phalarope stand und auf der siegreichen Volcano, die sich jetzt durch die letzte Rauchbank schob.

Herrick fragte trocken:»Brauchen Sie noch mehr, Sir? Der Dreidecker ergibt sich Ihnen.»

Bolitho nickte und kletterte uber das Schanzkleid.»Wir wollen die Phalarope in Fahrt bringen, Mr. Herrick. Obwohl ich furchte, da? sie nie wieder in den Kampf segeln wird.»

«Es gibt noch andere Schiffe, Sir«, sagte Herrick.

Bolitho schwang sich uber das Schanzkleid der Phalarope. Auf der Gangway ging er langsam an den erschopften, schwei?uberstromten Kanonieren vorbei, die zu ihm aufsahen.»Andere Schiffe?«Er beruhrte die zersplitterte Reling und lachelte traurig.»Aber keins wie sie, Mr. Herrick. «Er schob den Hut nach hinten und blickte zur Flagge hinauf.»Aber keins wie die Phalarope!»

XIX Epilog

Leutnant Thomas Herrick zog den Uniformmantel enger um die Schultern und griff nach seiner kleinen Reisetasche. Die Hauser rings um den mit Kopfsteinen gepflasterten Platz bedeckte hoher Schnee. Der starke Wind, der von der Falmouth Bay hereinwehte und ihm durch Mark und Bein drang, verriet Herrick, da? es noch mehr Schnee geben wurde. Er sah einen Augenblick zu, wie die Stallburschen die dampfenden Pferde in den Gasthaushof fuhrten. Die mit Schlamm bespritzte Kutsche, die Herrick eben verlassen hatte, stand einsam und leer da. Durch die Fenster des Gasthofs leuchtete ein freundliches Feuer, drangen Stimmen und Gelachter.

Herrick spurte die Versuchung, hineinzugehen und sich zu den unbekannten Leuten zu gesellen. Nach der langen Fahrt von Plymouth — und den vier Tagen, die er schon davor auf der Stra?e verbracht hatte — war er mude und abgespannt. Doch als sein Blick zu der in Nebel gehullten Pendennis Castle hinaufwanderte und uber die nackten Hugel dahinter, wu?te er, da? er sich nur etwas vormachte. Er kehrte dem Gasthof den Rucken und ging die Gasse hinauf. Er hatte alles viel gro?er in Erinnerung. Sogar die Kirche samt ihrer niedrigen Mauer und den windschiefen Grabsteinen auf dem Friedhof schien seit seinem letzten und einzigen Besuch geschrumpft zu sein. Er trat zur Seite und in einen Schneehaufen, als zwei Kinder unter lautem Geschrei an ihm vorbeisturmten, hinter sich einen primitiven Schlitten. Sie sahen Herrick nicht an. Auch das war anders als beim vorigen Mal.

Ein Windsto? peitschte Herrick den Schnee von einer niedrigen Hecke ins Gesicht, und er beugte den Kopf. Als er wieder hochschaute, erblickte er das alte Haus, gro? und grau, so wie es ihm die ganze Zeit uber vor Augen gestanden hatte. Er schritt schneller aus, plotzlich nervos und unsicher.

Eine Glocke ertonte im Haus. Gerade als er den schweren eisernen Griff loslie?, ging die Haustur auf, und eine hubsche blonde Frau in dunklem Kleid und wei?er Haube trat gru?end zur Seite, um ihn einzulassen.

«Guten Tag, Ma'am«, sagte Herrick unsicher.»Mein Name ist Herrick. Ich komme geradewegs von der anderen Seite Englands.»

Sie nahm ihm Mantel und Hut ab und betrachtete ihn mit einem merkwurdigen, unterdruckten Lacheln.»Das war eine lange Reise, Sir. Der Herr erwartet Sie.»

In diesem Moment offnete sich die Tur am Ende der Halle, und Bolitho kam in die Diele, um ihn zu begru?en. Einige Sekunden standen sie sich schweigend gegenuber, in einem

Handedruck vereint, den keiner losen wollte. Dann sagte Bolitho:»Kommen Sie ins Arbeitszimmer, Thomas. Ein gutes Feuer wartet.»