Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten, стр. 44

«Du mu?t verruckt sein. «Bolitho sah seinen Bruder kalt an.

«Verruckt? Kaum, Richard. Ich habe deine Leute verhort. Sie haben mir berichtet, wie ihr Schiff von Admiral Napier bestraft wurde, weil es die Andiron entkommen lie?. Sie haben auch von der Unruhe gesprochen, die an Bord ausbrach, ehe du das Kommando ubernommen hast. «Er hob die Arme.»Ich furchte, die Mehrzahl deiner Manner wird ihr Schicksal mir anvertrauen. Aber trauere deswegen nicht, es ware nur klug von ihnen. Hier drau?en entsteht eine neue Welt, und sie werden ein Teil von ihr sein. Sobald der Krieg voruber ist, segle ich nach England und fordere mein Erbe, Richard. Danach werde ich nach Amerika zuruckkehren. Ich habe meinen Wert unter Beweis gestellt. Die Vergangenheit bedeutet mir nichts mehr.»

«Dann tut mir eure Nation leid«, sagte Bolitho ruhig.»Wenn ihre Existenz von Verratern abhangt, wird sie einen schwierigen Kurs steuern mussen.»

Sein Bruder blieb gelassen.»Verrater oder Patrioten, das hangt vom Standpunkt ab. Wie dem auch sei, heute abend wird die Andiron vor St. Kitts ankern. Nicht im Haupthafen, sondern in einer kleinen Bucht, die meines Erachtens der ideale Ort ist, um sie zuruckzuerobern. «Er warf den Kopf zuruck und lachte.»Nur, da? es die Phalarope sein wird, die in die Falle geht, mein verehrter Herr Bruder. »

Bolitho blickte ihn ausdruckslos an.»Was das anlangt: Ich bin Gefangener. Ich mochte weder meinen Familiennamen noch den meines Landes beschmutzt sehen, indem ich Bruder genannt werde!»

Der Pfeil hatte getroffen, Bolitho spurte es an Hughs Reaktion. Doch sein Bruder fing sich gleich wieder und sagte tonlos:»Dann nach unten mit dir. «Er griff nach dem Sabel.»In Zukunft werde ich ihn tragen. Er gehort von Rechts wegen mir.»

Er schlug auf den Tisch, und ein Posten erschien in der Tur. Dann sagte er:»Ich bin froh, da? du an Bord meines Schiffes bist, Richard. Wenn mir die Phalarope diesmal vor die Kanonen kommt, wird mich nichts aufhalten.»

«Wir werden sehen.»

«In der Tat, das werden wir. «Hugh Bolitho trat an seine Karte.»Wenn ich die Stimmung deiner Leute richtig einschatze, Richard, werden sie bald den Befehlen der Andiron folgen.»

Bolitho machte kehrt und schritt an der Wache vorbei. Der Kapitan der Andiron folgte dem Abgang mit den Augen, seine Hande umspannten den Degen wie einen Talisman.

X Die rote Flanelltasche

Richard Bolitho kam jeder Tag der Gefangenschaft langer vor als der voraufgegangene, und die tagliche Routine an Bord der Andiron marterte ihn nach und nach immer mehr, obwohl er die relative Freiheit geno?, sich im Heck der Fregatte aufhalten zu durfen. Von dort verfolgte er das regelma?ige Kommen und Gehen kleiner Kustenfahrzeuge und den ublichen Tagesablauf eines Schiffes vor Anker. Abends wurde er in die Einsamkeit einer kleinen Kajute zuruckgebracht. Farquhar und Belsey sah er nur bei den Mahlzeiten. Selbst dann konnten sie kaum offen miteinander sprechen, weil sich stets einer der Unteroffiziere der Andiron in der Nahe aufhielt.

Die Andiron hatte hier erst vor einer Woche Anker geworfen, doch Bolitho schien es eine Ewigkeit her. Mit jedem Tag zog er sich mehr in sich selbst zuruck und grubelte uber seine mi?liche Lage nach, bis ihm der Kopf schwirrte.

Von dem ihm zugewiesenen Platz an Deck sah er Belsey duster neben Farquhar auf einem Lukendeckel sitzen. Beide starrten uber das leere Meer. Sie warten, dachte er bitter, wie jeder andere an Bord. Sie warten und fragen sich, wann die Phalarope auftauchen und in die Falle gehen wird. Ihm fiel auf, da? Belsey eine neue Bandage um den Arm trug, und rief sich den ersten, aber nur kleinen Triumph zuruck, als ihm nach dem Gesprach mit seinem Bruder gestattet worden war, mit den beiden zusammenzusein.

Es war ersichtlich, da? sie inzwischen erfahren hatten, wer der Kapitan der Andiron war, aber ebenso ersichtlich war ihre Erleichterung, ihn wiederzusehen. Glaubten sie wirklich, da? er sie verlassen und zum Feind ubergehen konnte? Selbst jetzt noch uberraschte und freute es ihn ein wenig, da? er sich uber eine solche Annahme argern konnte.

Belsey hatte seinen Arm unter Schmerzen bewegt und gesagt:»Der Schiffsarzt wird sich den Bruch ansehen, Sir.»

In diesem Augenblick war ihm Farquhars Dolch eingefallen, der, unter dem behelfsma?igen Verband verborgen, als Schiene diente. Zu sprechen wagte er nicht. Die anderen beobachteten ihn jedoch, als er vom Kajutenstuhl ein Brett abbrach. Mit Farquhars Hilfe ersetzten sie den Dolch durch ein Stuck Mahagoni. Belsey hatte einmal laut aufgeschrien, aber Bolitho zischte:»Still, Sie Narr! Den Dolch konnen wir vielleicht noch brauchen.»

Er versteckte ihn unter seinem Bettzeug. Doch ein qualvoller Tag verstrich nach dem anderen, und er beurteilte den Besitz einer so geringfugigen Waffe nicht mehr so hoffnungsvoll. Von seinem Bruder hatte er wenig gesehen und war dankbar dafur. Einmal hatte er beobachtet, wie er in der Gig an Land gepullt wurde. Und einige Male hatte er ihn zu den Wanden des

Vorgebirges hinaufstarren sehen, die hinter dem verankerten Schiff aufragten. Bolitho grubelte wieder und wieder uber ihre einzige Unterhaltung in der Heckkajute nach, bis er Bedeutungen hineinlegte, die gar nicht vorhanden gewesen waren. Doch eins stand fest: Hugh Bolitho bluffte nicht. Das hatte er nicht notig.

Die Andiron ankerte vor der Sudspitze der kleinen Insel Nevis, die zur Hauptinsel St. Kitts gehorte. Ein ovales Eiland, durch eine Meerenge von etwa zwei Meilen von St. Kitts getrennt und volle funfzehn Meilen von der Hauptstadt Basseterre entfernt, die Hood erfolgreich gehalten hatte, bis er sich nach Antigua zuruckziehen mu?te. Nevis war eine gute Wahl, mu?te Bolitho grimmig zugeben. Wahrend seiner endlosen Spaziergange uber Deck verfolgte er die schnellen, doch sorgfaltigen Vorbereitungen, mit denen hier einem Schiff, das versuchen sollte, die Andiron anzugreifen, eine Falle gestellt wurde.

Die vorspringende Landzunge Dogwood Point beherrschte den geschutzten Strich Wasser; dahinter ragte der nackte Kamm des Saddle Hill wie ein Miniaturvulkan auf. Selbst ein halbblinder Ausguck konnte von dort aus jede verdachtige Annaherung ausmachen und sie dem Schiff und der Kustenwache melden. Es war so einfach, da? Bolitho zugeben mu?te, er hatte die gleiche Methode gewahlt. Lag es daran, weil sein eigener Bruder den Plan entworfen und ein verwandter Geist die Falle gestellt hatte? Wenn Sir Robert Napier erst die Nachricht erhalten hatte, wo die Andiron lag, war die Annahme, da? er impulsiv reagieren wurde, durchaus berechtigt. Ein Erfolg wurde zwar den schmerzlichen Verlust St. Kitts nicht wettmachen, aber die Moral der britischen Flotte heben.

Naturlich brauchte das angreifende Schiff nicht die Phalarope zu sein. Doch Bolitho verwarf diesen Gedanken sogleich. Sein Bruder hatte auch darin recht. Admiral Napier standen nur wenige Schiffe zur Verfugung, seit sich Hood wieder auf Antigua eingerichtet hatte. Au?erdem wurde er den Erfolg der Phalarope als einen Akt ausgleichender Gerechtigkeit ansehen. Damit ware ihr Name gereinigt und sein Sohn geracht.

Er versuchte von neuem, sich in die Lage des angreifenden Kapitans zu versetzen. Er wurde langsam heransegeln, um sich zu vergewissern, da? die Information uber die Anwesenheit der

Andiron stimmte. Und er wurde darauf achten, da? die Posten an Land seine Masten nicht vor Sonnenuntergang erspahten. Im Schutz der Dunkelheit wurde er unter Land gehen und ein Enterkommando aussenden, vielleicht drei oder vier Boote. Leicht wurde es nicht sein, aber ein Schiff, das so toricht war, ein Stuck vor der Basis zu ankern, sollte durch Handstreich zu Fall zu bringen sein. Er schlo? die Augen und versuchte, das Bild auszuloschen, das ihm das angreifende Schiff im Augenblick der Erkenntnis der wirklichen Lage zeigte.