Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten, стр. 39

Okes sah ihn an und wollte etwas erwidern. Als er die kalte Feindseligkeit in Rennies Augen bemerkte, unterlie? er es aber. Mit Eifersucht mu? ich rechnen, sagte er sich. Darauf mu? ich gefa?t sein.

Er langte nach der Kette und schwang sich uber das Schanzkleid der Fregatte. Eine Sekunde lang blickte er uber das vertraute Deck. Er hatte uberlebt.

IX Niederlage

Bolitho erinnerte sich nicht, die Explosion des Magazins gehort zu haben. Es war mehr ein Empfinden gewesen oder das Ende eines Alptraums, aus dem man mit gesteigerter Furcht vor der wartenden Wirklichkeit erwacht. Er sah wieder vor sich, wie er im Heck des uberlasteten, halb uberspulten Bootes sa? und auf das kochende, wirbelnde Wasser zuruckblickte, in dem der Transporter versunken war. Seine schmerzenden, von der Feuersglut geblendeten Augen sahen gar nichts mehr, seit das Schiff untergegangen war und die von hohen Wanden eingefa?te Reede wieder eine Dunkelheit einhullte, die allen Schmerz und Schrecken verbarg.

Seine Leute lachten und schwatzten vor Erleichterung und Erregung, aber als Bolitho sich umdrehte, um nach dem Felssturz am Fu? der Klippen Ausschau zu halten, schien die ganze Welt in ein einziges riesiges Inferno verwandelt. Felsstucke regneten herab, und wahrend sich die Manner verzweifelt in die Riemen legten, krachte ein gro?er gezackter Steinbrocken wie ein Hammer auf den Steven. Bolitho taumelte hoch, als das Wasser rauschend in das mit Schlagseite treibende Boot stromte.

Es schien, als wollte das Bombardement nie enden. Er sah, da? ein Mann von einem Felsstuck ins Wasser gefegt wurde, gerade als er den Fu? der Klippen hinaufklettern wollte. Belsey fiel fluchend ins Wasser, und als Stockdale ihn auf die Felsen hievte, brullte er:»Mein Arm! O Gott, mein Arm ist gebrochen.»

Bolitho erwachte nach und nach aus der Betaubung. Doch wahrend er seinen Leuten Mut zusprach, emporte sich sein Verstand gegen die rauhe Wirklichkeit. Jemand hatte das Magazin in die Luft gejagt, ohne auf ihn und seine Abteilung zu warten. Die Tatsache, da? sie, ware ihr Boot ein paar Minuten fruher zuruckgekehrt, mit dem Magazin in die Luft geflogen waren, schenkte ihm nur wenig Trost.

«Mir nach, Jungs!«rief er.»Wir klettern am Wasser entlang. Die Flut geht zuruck. Wir werden also ganz gut zum Aufstieg kommen. «Er tastete sich voran und wu?te, da? sie ihm folgen wurden. Es blieb keine Wahl. Vom anderen Ende der Reede her horte er wutende Schreie und das Geschmetter einer Trompete. Die Franzosen hatten zu viel mit sich selber zu tun, um sich um die Angriffsabteilung zu kummern. Aber das wurde nicht so bleiben, und die Rache wurde sie schnell und endgultig erreichen.

Er hielt taumelnd an und blinzelte durch den bei?enden Rauch. In dem blassen Fruhlicht, das in die Schlucht fiel, erkannte er deutlich die Reste der Brucke. Es hatte also keinen Sinn mehr, die Stufen hinaufzuklettern. Es gab keinen Weg zuruck zum Strand.

Ein Seemann stolperte benommen hinter ihm her und starrte mit weit aufgerissenem Mund auf die Trummer der Brucke. Verzweiflung wurgte ihn.»Ihr verfluchten feigen Hunde!»

«Ruhe!«Bolitho drangte ihn und die anderen zuruck.»Zweifellos gab es einen guten Grund, die Brucke so fruh zu sprengen. «Aber er sah den Ausdruck auf Stockdales Gesicht und wu?te, da? Stockdale seine Luge durchschaut hatte.

Belsey stohnte und stutzte sich haltsuchend auf Stockdale.»Sie lassen uns hier verrecken! Sind abgehauen, um ihre kostbare Haut zu retten.»

Bolitho hob die Hand.»Ruhe!«Er reckte den Hals.»Hort mal!»

Ein Matrose stie? hervor:»Da druben, Sir. Ich habe es auch gehort. »

Sie kletterten uber die rauchenden Bruckentrummer. Plotzlich fuhr der vorderste Matrose entsetzt zuruck. Fahnrich Farquhar sa? aufrecht an der rauhen Wand der Schlucht. Ein dicker Balken klemmte ihn fest, und dicht neben ihm lag ein sauberlich abgetrenntes Bein.

Farquhar offnete die Augen und krachzte:»Gott sei Dank, Sir. Ich dachte schon, ich mu?te hier allein sterben. «Er sah ihre Gesichter und qualte sich ein Grinsen ab.»Mein Bein ist das nicht, Sir. Es gehort unserem spanischen Gefangenen.»

Bolitho schaute sich um und blickte dann zum heller werdenden Himmel hinauf.»Gut. Hebt den Balken an, aber pa?t auf. «Er kniete sich neben den Fahnrich und fuhr mit den Handen schnell unter den dicken Balken. Wahrend er den eingeklemmten Korper abtastete, beobachtete er die verzerrten Zuge Farquhars scharf.

«Scheint nichts gebrochen, Sir«, pre?te Farquhar hervor. Er legte sich zuruck und schlo? die Augen, als die Manner den Balken anhoben.»Ich habe nach Ihnen Ausschau gehalten, Sir. Dann ging ich zum Magazin zuruck und sah, da? die Lunte fast abgebrannt war. «Ihm brach beinahe die Stimme.»Ich griff mir unseren Spanier und rannte zur Brucke, aber gerade, als wir sie erreichten, ging das Ding hoch und sturzte in die Schlucht. «Er zuckte zusammen.»Und wir mit.»

Sie zerrten den Balken weg, und Bolitho bi? die Zahne zusammen, als er die zermalmten Uberreste des Gefangenen sah. Barsch fragte er:»Wie ist es passiert?»

Sie stellten Farquhar auf die Fu?e, aber seine Beine gaben sofort nach, und Stockdale sagte:»Na, ich ubernehme den jungen Herrn, Sir.»

Farquhar klammerte sich an Stockdales Schulter.»Tut mir leid, Sir«, sagte er.»Es wird mir gleich besser gehen. «Ihm fiel Bolithos Frage ein, und er sagte:»Ich verstehe es auch nicht, Sir. Ich kann immer noch nicht glauben, da? es geschehen ist.»

Bolitho zog den Dolch aus Farquhars Gurtel und gab ihn einem Matrosen.»Hier, mach daraus eine gute Schiene fur Mr. Belseys Arm. Das wird reichen, bis wir zur Phalarope kommen.»

Belsey beobachtete die ungelenken Finger der Manner und stohnte.»Seht euch vor, zum Teufel!»

Bolitho ging langsam uber den Steinwall. Vierzehn Mann, er mit eingeschlossen. Einer mit gebrochenem Arm und einer schon halb im Delirium, eine Kugel in der Schulter. Auch Farquhar sah aus, als wurde er bald ohnmachtig werden.

Er versuchte, Bitterkeit und Mi?trauen zu verdrangen. Jetzt hatte er erst mal diese Manner in Sicherheit zu bringen.

Zweifellos war der ubrige Teil des Landungskommandos schon wieder auf dem Lugger. Er war plotzlich ruhiger. Was auch geschehen wurde, die Aufgabe war erfolgreich vollbracht, zwei Transporter und eine wertvolle Korvette waren zerstort. Und ohne Batterie war die Insel Mola fur die Franzosen und ihre Verbundeten auf lange Zeit hinaus wertlos.

Stockdale rief heiser:»Das zweite Beiboot, Sir! Es mu? doch noch an der Mole liegen!»

Bolitho kletterte uber die nassen Steine und sah zu dem Boot hinunter. Viel los war nicht damit. Oft gebraucht und ausgebessert, nur vier Riemen, und um den Mast war nur fur alle Falle ein Fetzen Segeltuch gewickelt. Die Garnison hatte das Boot sicher nur zum Besuch der im Hafen verankerten Schiffe benutzt.

«Bring alle an Bord, Stockdale«, sagte er grimmig.»Wir mussen sehen, was sich machen la?t.»

Ein Sonnenstrahl brach plotzlich uber das Vorgebirge und glitzerte auf dem Wasser. Muhelos erkannte Bolitho unter dem schaukelnden Boot ein Kanonenrohr der Batterie. Ware es ein paar Fu? weiter heruntergesturzt, hatte es keinen Ausweg mehr gegeben.

«Vier Mann an die Riemen. Die ubrigen schopfen Wasser oder halten Ausschau.»

Belsey setzte sich muhsam auf und blickte auf seinen geschienten Arm. Er war mit allerlei Lappen und Hemden, die man in Streifen gerissen hatte, umwickelt und stand vom Korper wie eine Keule ab. Er schuttelte den Kopf.»Himmel! Mochte wissen, ob ich das Ding jemals wieder benutzen kann.»

«Ablegen! Riemen bei!«Bolitho hockte auf dem Dollbord und legte das Ruder hart an. Wahrend das Boot mit der Stromung dahintrieb, starrte er zu dem schwarzen Kamm des Vorgebirges auf und fragte sich, was in jenen Minuten geschehen war, bevor Farquhar in den fast sicheren Tod sturzte.