Die Entscheidung: Kapitan Bolitho in der Falle, стр. 42

Eine Kugel durchschlug die Achterdeckreling, zersplitterte sie wie ein Streichholz und totete einen Bootsmannsmaat, der gerade den Leuten an den Besanbrassen etwas zuschrie. Blut spritzte auf Bolithos Kniehosen, er sah andere Manner im Geschutzdeck fallen; die Schutznetze daruber bewegten sich ruckartig, als Taue und zerfetzte Segel hineinfielen.

Ein kurzer Blick nach oben zeigte ihm, da? der Masttopstander fast genau achterlich stand. Sie waren so hart am Wind wie eben moglich. Ein Strich mehr oder weniger machte jetzt keinen Unterschied. Es war kein Platz zum Manovrieren vorhanden, keine Zeit, den Kurs zu wechseln.

Tyrell schrie:»Zerschmettert dem Bastard das Achterdeck!«Er gestikulierte zum nachststehenden Geschutzfuhrer.»Kartatschen! Macht ihn fertig!»

Er starrte Bolitho mit vor Mudigkeit glasigen Augen an, in denen sich die Kampfeswut spiegelte.

«Sie kommt uber!«Er fing einen Seemann auf, der aus den Wanten fiel, das Gesicht eine blutige Masse.»Noch einer fur den Doktor!«Er wandte sich erneut zu Bolitho um, stie? dann einen unterdruckten Schrei aus und hielt beim Fallen seinen Schenkel umfa?t.

Bolitho kniete neben ihm, hielt ihn an den Schultern fest, als weitere Kugeln Splitter vom Deck fetzten. Tyrell schaute zu ihm auf, die Augen dunkel vor Schmerzen.

«Schon gut. «Er knirschte mit den Zahnen.»Es ist nur das verdammte Bein!«Bolitho sah Dalkeith stolpernd uber Deck rennen, einige seiner Manner hinter ihm.

Tyrell sagte schwach:»Ich wu?te, da? man es abnehmen mu?. Jetzt gibt's wohl keine Ausreden mehr, eh?«Dann wurde er ohnmachtig.

Vom splitterubersaten Geschutzdeck aus sah Graves ihn fallen, obwohl er sich vor dem Larm und dem Gestank des Todes duckte.

Er schrie:»Ausrennen!«und schlug nach einem Seemann mit wildem Blick.»Richten! Fertig!«Er blickte starr auf die aufragenden Segel des Transportschiffs, das dwars auftauchte.»Feuer!»

Das Deck baumte sich unter ihm auf, und er sah, wie zwei Manner in blutige Stucke gerissen wurden; ihre Schreie verstummten, ehe sie das blutverschmierte Deck erreichten. Aber irgendwo dachte er in seiner Verwirrung an Tyrell. Er mu?te tot sein, verdammt. Seine Schwester stand dann allein. Eines Tages, vielleicht fruher, als die anderen erwarteten, wurde er sie finden. Und sie sich nehmen.

Ein Feuerwerkersmaat blickte zu ihm auf, sein Mund war wie ein schwarzes Loch, als er brullte:»Vorsicht, Sir! Um Himmels willen. «Seine Worte gingen unter im Krachen von Holz, als die Gro?brahmstenge wie ein fallender Baum durch die Netze schlug. Sie grub sich in die Planken und noch tiefer bis ins nachste Deck. Als die mitgerissene Takelage zwischen die feuernden Geschutze donnerte, starb Graves, unter der gebrochenen Rah begraben.

Vom Achterdeck aus sah Bolitho ihn sterben, und er wu?te, da? die vielen Monate Patrouillendienst, Sturme und Kampfe die Rah schlie?lich doch gebrochen hatten, die sie, scheinbar vor tausend Jahren, nach einer Schlacht so sorgsam verlascht hatten.

Aber Heyward war da, seine Stimme trieb die Geschutzmannschaften an, als das verankerte Transportschiff im Rauch verschwand, den Rumpf mit Einschlagen ubersat.

Der Wind wehte den Rauch zur Seite, und fast unglaubig sah Bolitho die Klippen von Cape Henry zur Seite weichen wie eine riesige Tur; der Horizont dahinter glitzerte vielversprechend.

Fowler rutschte auf Blut aus und schluchzte:»Es hat keinen Zweck! Ich kann nicht…»

Bethune ging zu ihm hin.»Sie konnen und werden, verdammt noch mal!»

Der junge Fahnrich drehte sich blinzelnd um.

«Was?»

Bethune grinste, sein Gesicht vom Pulverdampf geschwarzt.»Sie haben mich gehort! Also los, mein Junge!»

«Mr. Buckle!«Bolitho zuckte zusammen, als ein paar verirrte Kugeln durch die Wanten pfiffen und noch mehr Segel herunterrissen.»Ich mochte.»

Aber der Steuermann reagierte nicht. Er sa? mit dem Rucken zum Niedergang, die Hande auf der Brust wie zum Gebet gefaltet. Seine Augen waren offen, aber die immer gro?er werdende Blutlache um ihn herum erzahlte ihre eigene Geschichte.

Glass und ein einzelner Seemann standen am ungeschutzten Ruder, die Augen wild, die Beine zwischen Toten und Sterbenden eingekeilt.

Bolitho sagte scharf:»So hoch wie moglich. Das Wrack der Lucifer zeigt Ihnen, wo die Sandbank liegt.»

Als das Sonnenlicht die Korvette vom Bug bis zum Heck einhullte und als die Rahen herumschwangen, um sie aus der Bucht zu tragen, sah Bolitho eine gro?e Zahl Schiffe uber den sudlichen Horizont segeln und die See fullen. Es war ein phantastischer Anblick. Geschwader auf Geschwader schienen sich die Linienschiffe zu uberlappen, als sie auf die Chesapeake Bay zustrebten.

Foley murmelte:»De Grasse. Eine solche Flotte habe ich noch nie gesehen.»

Bolitho ri? seine Augen los und eilte zur Heckreling. Kein Anzeichen von Verfolgung aus der Bucht, er hatte es auch nicht erwartet. Die beiden Fregatten wurden ihren neuen Ankerplatz halten und versuchen, einige Soldaten zu retten, die dem Blutbad der Sparrow entkommen waren. Er drehte sich zum Ruder um, an dem Heyward und Bethune standen und ihn beobachteten.

«Wir halsen sofort!«Er sah Dalkeith und rief:»Wie geht es?»

Dalkeith sah ihn traurig an.»Es ist uberstanden. Er schlaft jetzt. Aber ich bin zuversichtlich.»

Bolitho wischte sich das Gesicht ab und fuhlte, wie Stockdale ihn am Arm stutzte, als das Schiff im auffrischenden Wind stark krangte.

Es gab so viel zu tun. Reparaturen mu?ten ausgefuhrt werden, noch wahrend sie der ankommenden Streitmacht Frankreichs zu entfliehen trachteten. Sie mu?ten Admiral Graves finden und ihm von der Ankunft des Feindes berichten. Die Toten bestatten. Er fuhlte sich wie benommen.

Yule, der Feuerwerker, kletterte herauf und fragte heiser:»Sind hier ein paar Mann ubrig? Ich brauche sie fur die Pumpen.»

Bolitho sah ihn an.»Holen Sie sie woanders. «Er blickte sich unter den in den verschiedenen Haltungen des Todes erstarrten Korpern um.»Hier liegen nur die Tapferen.»

Erschreckt blickte er nach oben, als er hoch uber dem Deck jemanden singen horte. Uber der zerfetzten Leinwand und der herunterhangenden Takelage, an der Stelle, wo die Gro?brahmstenge abgesplittert war, die Graves totete, sah er einen einsamen Seemann im Sonnenlicht arbeiten; sein Marlspieker blitzte, als er ein gebrochenes Stag splei?te. Die Gerausche der See und der schlagenden Segel waren zu laut, um die Worte verstehen zu konnen, aber die Weise schien vertraut und seltsam traurig.

Foley trat zu ihm und sagte ruhig:»Wenn sie nach dem, was sie eben erlebt haben, so singen konnen…«Er drehte sich um, da es ihm unmoglich war, Bolitho ins Gesicht zu sehen.»Dann, bei Gott, beneide ich Sie!»

Epilog

Zwei Tage, nachdem sie sich aus der Bucht gekampft hatten, sichteten die Ausgucks der Sparrow die Vorhut von Admiral Graves' Flotte, welche an der Kuste von Maryland sudwarts segelte. Das Zusammentreffen war so aufregend wie bitter, denn da viele aus der Mannschaft verwundet oder getotet waren, lie?en sich Gefuhle nur schwer unterdrucken. An der Spitze der Flotte, mit im Sonnenlicht flatternden Signalflaggen, stand die Heran vor dem Wind, ein kleines Symbol fur das, was sie zusammen durchgemacht und erreicht hatten.

Bolitho konnte sich noch genau an den Moment erinnern, als er mit seinen Leuten auf dem zerschossenen Achterdeck gestanden hatte, wahrend seine Signale an die Heran gegeben und von dort aus zum Flaggschiff weitergeleitet wurden.

Als die Antwort kam, drehte sich Bethune um, das Gesicht plotzlich gereift.

«Flaggschiff an Sparrow, Sir: Sie fuhren die Flotte. Die Ehre gebuhrt Ihnen.»

Fur einen Admiral, der uberflussige Signale verabscheute, hatte Admiral Graves ihnen eine gro?e Ehre erwiesen.

Wieder einmal hatte die Sparrow gewendet, ihre zerfetzten Segel und ihr zerschossener Rumpf waren der Wegweiser fur die gro?en Linienschiffe, die gehorsam in ihrem Kielwasser folgten.